Tod in der Eisspalte:Die Tragödie an der Teufelswand

Der Extrem-Bergsteiger Karl Unterkircher steckt in einer Gletscherspalte am Nanga Parbat, seine Gefährten mussten ihn zurücklassen - es gibt keine Rettung mehr.

Julius Müller-Meiningen

Der Extrem-Bergsteiger Karl Unterkircher steckt in einer Gletscherspalte am Nanga Parbat, seine Gefährten mussten ihn zurücklassen - es gibt keine Rettung mehr.

Tod in der Eisspalte: Karl Unterkircher: Reinhold Messner bezeichnete ihn als "neuen Stern" am Bergsteigerhimmel

Karl Unterkircher: Reinhold Messner bezeichnete ihn als "neuen Stern" am Bergsteigerhimmel

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Es heißt, sie mussten weiter steigen. Einfach weiter. Womöglich hängen Walter Nones und Simon Kehrer noch immer in der Wand, die ihrem Freund Karl Unterkircher zum Verhängnis wurde.

Mittwochfrüh telefonierten Kehrer und Nones per Satellitentelefon nach Südtirol und berichteten von dem Unglück, das sich in der Nacht zuvor zugetragen hatte: Der bekannte Extrem-Bergsteiger und Bergführer Unterkircher war bei der Erstbesteigung der Rakhiot-Wand des 8125 Meter hohen Nanga Parbat in Pakistan auf einem Schneebrett abgerutscht und in eine Gletscherspalte gestürzt.

Sie hätten versucht, so berichteten Kehrer und Nones, ihren unter dem Schnee verschütteten Begleiter zu befreien. Es sei ihnen nur gelungen, Unterkircher das Telefon abzunehmen. Mehrere verzweifelte Versuche, den Verunglückten zu bergen, seien fehlgeschlagen.

"Wir können nicht zurückkehren, von wo wir gestartet sind. Das wäre zu gefährlich. Wir sind auf circa 6400 Meter und müssen weiter nach oben, um dann aus der Wand zu steigen", habe Walter Nones am Telefon zu seiner Frau gesagt. Dann brach die Verbindung ab.

Mindestens drei Tage soll es dauern, bis die Überlebenden über die lebensgefährliche Route im Basislager ankommen. "Nones und Kehrer sind jetzt nicht mehr erreichbar." So steht es auf Karl Unterkirchers Webseite geschrieben.

Freunde von Karl Unterkircher haben eine Hilfsexpedition zur Rettung der beiden Bergsteiger auf der Steilwand gestartet. Inwieweit den Männern geholfen werden kann, ist unklar. Für Unterkircher gibt es keine Rettung.

"Leider können wir für Karl im Moment überhaupt nichts tun. Es ist uns unmöglich, den Punkt zu erreichen, wo er abgestürzt ist", sagte ein Freund des Verunglückten, Agostino Da Polenza. Der Unfallort scheint für Hilfsaktionen zu entlegen, selbst der Einsatz eines Hubschraubers ist wegen der steilen Wand unmöglich.

Der 38-jährige Unterkircher hinterlässt drei Kleinkinder und seine Frau Silke. "Sie haben bestimmt alles getan, um ihn zu retten. Soviel ich weiß, gibt es kaum Hoffnungen", sagte sie einem italienischen Fernsehsender. Bergsteigen sei eben das gewesen, was Karl liebte.

Reinhold Messner, dessen Bruder Günther wie 61 andere Kletterer am Nanga Parbat ums Leben kam, bezeichnete Unterkircher einmal als "neuen Stern am Bergsteiger-Himmel". Die Besteigung der Rakhiot-Wand am neunthöchsten Gipfel der Welt sollte nur eine weitere Etappe des aus dem Grödnertal stammenden Bergführers sein.

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Die Tragödie an der Teufelswand

"Der Berg ruft"

Tod in der Eisspalte: Der bekannte Extrem-Bergsteiger Unterkircher war bei der Erstbesteigung der Rakhiot-Wand des 8125 Meter hohen Nanga Parbat in Pakistan auf einem Schneebrett abgerutscht und in eine Gletscherspalte gestürzt.

Der bekannte Extrem-Bergsteiger Unterkircher war bei der Erstbesteigung der Rakhiot-Wand des 8125 Meter hohen Nanga Parbat in Pakistan auf einem Schneebrett abgerutscht und in eine Gletscherspalte gestürzt.

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Allein 40 Erstbesteigungen in den Dolomiten gehen auf Unterkircher zurück; 2004 ließ er sich ins Guinness-Buch der Rekorde eintragen, weil er als Erster innerhalb von 63 Tagen die beiden höchsten Gipfel der Welt, den Mount Everest und den K2, ohne Sauerstoffflaschen bestiegen hatte. Eine lebensgefährliche Jagd nach Rekorden, die nicht erst seit dem Unglück vor wenigen Tagen auf der Zugspitze die Diskussionen anheizt. Am Sonntag waren zwei Extremsportler nach einem Wettlauf auf den höchsten deutschen Berg gestorben.

"In meinem Verantwortungsbewusstsein empfinde ich so etwas wie Furcht, ich denke oft an zu Hause, an meine Lieben. Das Beste, um sicherzugehen und Unvorhergesehenes zu verhindern, wäre natürlich, aus diesem Projekt auszusteigen", schrieb Unterkircher drei Tage vor seinem Absturz in seinem Blog - und stieg weiter auf.

Die Anziehungskraft des Berges war wohl zu groß. Zwischen Furcht und Verklärung pendeln Unterkirchers auf seiner Internetseite nachzulesende Einträge. Von einer "verwunschenen zerklüfteten Eiswand mit den vielen Gletscherspalten", einer "Märchenwelt" ist da die Rede.

Selbst die Furcht wird mystifiziert: "Sicher verursacht diese Wand schon seit Jahrzehnten Angst und Zittern im ganzen Tal und fordert die Einheimischen zu Respekt und Heiligkeit auf. Diese trotzige Teufelswand ließ mich schon am ersten Tag unserer Ankunft nicht in Ruhe, sie macht mich unschlüssig und skeptisch. Es ist wahrhaftig eine gefährliche Mission!"

Bis zu zwölf Stunden berechneten die drei Bergsteiger für die Besteigung der 3000 Meter hohen Steilwand aus Eis. Es klingt wie ein Vermächtnis, als Karl Unterkircher am 28. Juni in sein Tagebuch einträgt: "Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Eiswand genau während unseres Hochsteigens loslöst, ist minimal. . . Ich bin mir bewusst, dass die breite Öffentlichkeit nicht meine Meinung teilt, denn sollten wir wirklich nicht mehr zurückkehren, würden viele sagen: "Was haben sie denn dort nur gesucht? . . . Aber eine Sache steht fest, wer keinen Kontakt mit dem Berg findet, wird es auch nie erfahren. Der Berg ruft!"

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