Syrischer Alltag: Sport:"Fußballspieler in Syrien verdienen sehr wenig"

Majd aus Damaskus spricht über den Lieblingssport der Syrer, seine eigene Fußballkarriere - und Profikicker, die ein ganz normales Gehalt bekommen.

Protokoll: Dominik Fürst

Majd Nasri kommt aus der syrischen Hauptstadt Damaskus. Sport hat dort einen Großteil seines Lebens ausgemacht. Inzwischen lebt der 21-Jährige in München. Er hatte sich beim Fußballspielen in Pfaffenhofen das Kreuzband gerissen. Im Moment hofft er auf eine schnelle Genesung, damit er wieder seine neue Lieblingssportart trainieren kann. Das Gespräch wurde vor mehreren Wochen geführt.

Früher habe ich achtzig Prozent meiner Zeit mit Sport verbracht. Fußball oder Basketball, auch Tischtennis, solche Sachen. Ich habe vieles ausprobiert. Es gibt in Syrien fast alle Sportarten. Nur die nicht, die im Schnee stattfinden. Bei uns gibt es nicht so viel Schnee.

Wir hatten schon in der Schule viel Sportunterricht, zum Beispiel haben wir Basketball gespielt gegen andere Schulen. Einmal haben wir sogar einen Pokal gewonnen.

Mit dem Fußballspielen habe ich mit sechs Jahren angefangen, im Verein spielte ich aber erst mit elf. Ich habe bei einer Mannschaft in der ersten Liga gespielt. Sie heißt Al-Wahda und ist in Syrien sehr berühmt. Das war gut für mich, weil ich dort sehr starke Konkurrenz hatte. Im Winter haben wir dreimal in der Woche trainiert, im Sommer jeden Tag. Die Spiele fanden am Sonntag statt. Ich habe im Mittelfeld gespielt, in Deutschland spiele ich inzwischen im Sturm.

"Ich habe täglich viereinhalb Stunden trainiert"

Wenn es um Sport geht, ist Fußball in Syrien die absolute Nummer eins, genau wie in Deutschland. Wir spielen auch auf grünen Rasenplätzen. Aber bei uns gibt es nicht so viel Unterstützung. In Deutschland wird der Sport gefördert und es gibt viele Plätze. Überall kann man trainieren. In Syrien ist das nur in der Schule oder im Hof möglich. Und Fußballspieler verdienen sehr wenig, höchstens ein durchschnittliches Gehalt, keine Millionen.

Nicht alle jungen Männer in Syrien machen Sport, aber schon so sechzig bis siebzig Prozent, würde ich sagen. Es gibt auch viele Männer mit vierzig oder fünfzig Jahren, die Fußball spielen. Nur zum Spaß natürlich. Ich habe das in Deutschland auch schon gesehen.

Es gibt viele berühmte Fußballer in der Welt, die aus Syrien stammen. Sie spielen aber lieber in anderen Ländern. Einer heißt Omar und der FC Chelsea wollte ihn haben, er ist dann aber nach Saudi-Arabien gegangen. Wahrscheinlich verdient er da mehr Geld, ich weiß es nicht. In Kuwait spielen auch viele Syrer.

Ich habe sogar schon einen Trick erfunden

Ich habe bei Al-Wahda irgendwann aufgehört und habe mit einem neuen Sport begonnen. Da war die Situation in Damaskus schon schwierig, es gab Probleme. Deswegen habe ich einfach dieses Spiel zuhause gespielt: Freestyle. Das ist so ähnlich wie Fußball, aber er geht dabei nur um die Tricks.

Freestyle kommt aus Europa, das gibt es bei uns eigentlich nicht. In ganz Syrien spielen es vielleicht nur fünf Leute. In Aleppo gab es einen und ein anderer wohnte in Kuwait. Kennst Du Ronaldinho? Ich habe ein Video von ihm im Fernsehen gesehen, in einer Sportsendung, er hat einen Trick gemacht. Ich fand das großartig. Deshalb habe ich bei Youtube gesucht und viel über Freestyle herausgefunden. Das war vor dreieinhalb Jahren.

Ich habe täglich viereinhalb Stunden trainiert, habe sogar schon einen eigenen Trick erfunden. Es gibt ein Video von mir, darauf kann man ihn sehen. Freestyle habe ich zuhause in einer Vorstadt von Damaskus trainiert. Dort durfte ich auf dem Hof einer Schule üben, wenn der Unterricht vorbei war. Manchmal habe ich auch zuhause trainiert.

Ich habe dann ein Jahr lang in Saudi-Arabien gelebt, um dort mein Abitur zu machen. Da habe ich bei einer Freestyle-Meisterschaft mitgemacht und den zweiten Platz belegt. Es war wie ein Turnier, da waren vielleicht 20 Teilnehmer aus allen arabischen Ländern.

Von Saudi-Arabien aus bin ich alleine nach Deutschland gekommen. Das war letztes Jahr im Januar. In Pfaffenhofen, wo ich jetzt wohne, habe ich bisher bei zwei Fußballvereinen gespielt. Leider bin ich jetzt verletzt, wahrscheinlich kann ich ein halbes Jahr nicht spielen. Ein Kreuzbandriss. Ich mache Gymnastik, um wieder gesund zu werden. In Damaskus war ich nie verletzt, das ist mir in Deutschland zum ersten Mal passiert.

Serie "Syrischer Alltag"

Fünf Jahre Krieg in Syrien. Fünf Jahre Fassbomben, Tod und Zerstörung - und Millionen Flüchtlinge, die in den Nachbarländern und darüber hinaus Schutz suchen. Das Land, das Syrien einmal gewesen ist, gerät bei all dem Leid leicht in Vergessenheit. Wie war das Leben dort? Wer sind die Menschen, die aus Damaskus, Homs, Latakia kommen und in Deutschland mittlerweile die größte Flüchtlingsgruppe stellen? Wie haben sie gelernt, gefeiert und geliebt? Wie haben sie sich gekleidet und wohin sind sie verreist?

Für die Serie "Syrischer Alltag" haben acht Flüchtlinge mit uns über ihre Heimat gesprochen. Über das Leben vor dem Krieg, das in einer Diktatur stattfand und schon deshalb nicht immer sorgenfrei war. Dennoch: Die Protokolle sind Erinnerungen an eine glücklichere Zeit. Und sie zeigen, dass das Wort "Flüchtling" nur den Bruchteil einer Biografie beschreiben kann.

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