Syrien-Krieg:Engel in Aleppo

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Mariam ist Ärztin in der syrischen Stadt Aleppo, in der seit fünf Jahren Krieg herrscht. Mariam heißt eigentlich anders. Dass sie erzählt, wie es den Kindern in Aleppo geht, ist gefährlich für sie. Wichtig ist nur: zu helfen.

Von Moritz Baumstieger

Wenn Mariam morgens zur Arbeit geht, erkennt sie ihre Stadt oft nicht wieder: Wo früher alte Männer in Cafés saßen, wo Menschen einkauften und Kinder auf Straßen spielten, ist heute viel kaputt. Menschen zelten auf dem Bürgersteig und in Parks, weil sie kein Zuhause mehr haben. Cafés und Märkte sind geschlossen, und die Kinder spielen nicht. "Viele stehen in langen Schlangen an Brunnen an, um Wasser für ihre Familien holen", erzählt Mariam, "denn aus den Leitungen kommt nichts mehr".

Das ist Aleppo. Die Stadt, in der seit fünf Jahren Krieg herrscht. Die immer wieder in den Fernsehnachrichten auftaucht - eine Art Gefängnis für die eigenen Bewohner. Die Welt kann nur schwer helfen.

Aber Mariam, die aus Sicherheitsgründen ihren Namen (und auch wie sie aussieht) geheim halten muss, gibt die Hoffnung nicht auf. Nie. Sie ist Ärztin und arbeitet für die Vereinten Nationen - eine internationale Organisation, die unter anderem versucht, Menschen in Krisengebieten zu helfen. "Die Hälfte des Tages versuche ich, Helfer und Hilfslieferungen an die richtigen Stellen zu lotsen", erzählt Mariam. "Die andere Zeit untersuche ich die Kinder in der Stadt."

Seit fünf Jahren bekämpfen sich syrische Regierungstruppen und bewaffnete Oppositionsgruppen unerbittlich. Jedes Jahr ist der Konflikt schlimmer geworden, Krankenhäuser und Schulen wurden zerstört, und immer mehr Kinder mussten mit ihren Familien aus ihren Häusern fliehen, um anderswo Schutz zu suchen.

Aleppo ist heute zwischen den beiden kämpfenden Parteien aufgeteilt, beide beschießen sich gegenseitig, inzwischen funktioniert nicht einmal mehr die Wasser- und Stromversorgung. Und die fast zwei Millionen Einwohner können den Kämpfen nicht ausweichen. "Darunter leiden vor allem die Kinder", erzählt Mariam. "Sie können nirgends spielen, manche müssen arbeiten oder betteln, weil die Familien nichts haben." Doch selbst wenn die Menschen Geld haben, bekommen sie nicht alles, was sie brauchen: Wegen des Krieges fehlt es neben vielem anderen an Essen und an Medikamenten. "Unter solchen Umständen werden Kinder besonders schnell krank, weil ihre Körper noch nicht so stark sind", sagt Mariam.

Weil sie sich mit Ernährung besonders gut auskennt, guckt Mariam, ob die Kinder auch wirklich genug zu Essen und alle nötigen Nährstoffe bekommen. Wenn das nicht der Fall ist, gibt sie ihnen zum Beispiel spezielle Kekse, die helfen, die Kinder stark genug für ein Leben in einer kaputten Stadt zu machen.

Mariam will nicht fliehen, so wie es viele der einst 3,5 Millionen Bewohner Aleppos getan haben. "Ich muss einfach hierbleiben, die Kinder brauchen mich. Ich will Aleppo nicht verlassen, bevor es hier nicht wenigstens ein bisschen wieder so lebenslustig ist wie früher."

© SZ vom 20.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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