Streetwearlabel "Fred Perry":Fänger im Lorbeer

Vom Tischtennis zum Tennis, vom Tennis in die Modewelt. Eher zufällig gründete Fred Perry die gleichnamige Marke, die heute in der Jugendkultur und der Musikbranche sehr beliebt ist.

Alex Bohn

Aus heutiger Sicht scheint die Marke zunächst eine unter vielen zu sein. Vielleicht noch eine mit einem etwas höheren Wiedererkennungswert; schließlich fallen einem bei Fred Perry genau zwei Dinge auf: Poloshirt und Lorbeerkranz-Logo. Aber dieser Lorbeerkranz ist lange nicht so bekannt wie die Adidas-Streifen oder der Nike-Swoosh.

Streetwearlabel "Fred Perry": Die Jugend liebt das Modelabel Fred Perry - vor allem deshalb, weil Musiker wie Jay-Z, Kanye West und Mike Skinner es lieben.

Die Jugend liebt das Modelabel Fred Perry - vor allem deshalb, weil Musiker wie Jay-Z, Kanye West und Mike Skinner es lieben.

(Foto: Foto: oh)

Und doch ist die Marke ungewöhnlicher als viele andere; was insbesondere am Geschichtsbewusstsein derer liegt, die das Unternehmen heute führen. Einen ausgeprägten Sinn für Traditionen hatte schon der Gründer der Marke. Frederick John Perry war nicht einfach nur ein Typ, der Polohemden produzierte.

Fred Perry war ein Held der Arbeiterklasse: Der 1909 geborene Sohn eines einfachen Baumwollspinners spielte als Junge gerne Tischtennis. Mit achtzehn erst spezialisierte er sich auf Tennis. Eine gute Entscheidung: Der dunkelhaarige, hochgewachsene Perry gewann das Grand-Slam-Turnier im englischen Wimbledon gleich drei Mal in Folge. Die britische Tenniselite, insbesondere die Mitglieder des All England Tennis Clubs, waren not amused: "Du bist keiner von uns", sagte ihm der Vorsitzende der Lawn Tennis Association höchstpersönlich ins Gesicht.

Sportler, Entertainer und Figur des öffentlichen Lebens

Perry störte sich daran nicht. Er hatte seine eigenen Ziele und sein eigenes Verständnis von der Tenniswelt: "Solange mir niemand vorschreibt, was ich tun oder lassen soll, ist es mir egal. Nur wenn mir jemand etwas verbieten will, finde ich immer einen Weg, es doch zu tun."

Die sportliche Extra-Einlage, die er immer dann auf dem Platz gab, wenn er ein Match gewonnen hatte, war wohl so ein Fall: Statt seinem Gegner sittsam die Hand zu schütteln, vollführte er einen Sprung über das Netz auf die gegnerische Seite. Für Fred Perry war Sport nicht nur ein Wettkampf, sondern Unterhaltung für das Publikum. Ein Freuden-Salto von einem Fußballer wie Miro Klose wird heute beifällig entgegengenommen - damals aber galten solche Kunststückchen als unerhört.

Das Publikum aber liebte Perry und schätzte ihn als Sportler, Entertainer und Figur des öffentlichen Lebens. Als er wegen einer Verletzung aus dem aktiven Sport aussteigen musste, verfolgten die Illustrierten sein Leben weiter: sein Tennisunterricht für Hollywood-Größen wie Errol Flynn und Charlie Chaplin, seine zahlreichen Affären mit Schauspielerinnen.

Eher zufällig entstand dann die Textilmarke Fred Perry. Aus ästhetischen Gründen, wenn man der Legende glauben darf: Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erschien die britische Mannschaft zum Wimbledon-Turnier in grünen Armeehemden. Daraufhin ließ Perry weiße Polohemden schneidern und schenkte sie den Spielern. Als Zeichen ihrer Dankbarkeit wollten die ihre Polohemden mit einem Emblem ausstatten, das an ihren Stifter erinnerte. Perry wählte den Lorbeerkranz, den er bei seinem Wimbledonsieg 1943 verliehen bekommen hatte.

Schmaler geschnitten und um Welten besser

Hier beginnt die Erfolgsgeschichte der Marke Fred Perry, die von Anfang an einen entscheidenden optischen Vorteil gegenüber anderen Textilien hatte: das Fred-Perry-Polohemd aus Baumwoll-Piqué war schmaler geschnitten als die anderen Oberhemden dieser Zeit - und sah um Welten besser aus. Außerdem beherrschte der Unternehmer Fred Perry die Regeln des Product-Placement perfekt: Er sorgte dafür, dass beim Wimbledon-Turnier Schweißbänder - eine Innovation in den 1950er Jahren - mit dem Fred-Perry-Logo verteilt wurden.

Die Spieler trugen sie bereitwillig, denn sie waren nützlich und sahen gut aus. Gleichzeitig machten sie die Marke Fred Perry sichtbar. Dass erfolgreiche Wimbledon-Spieler wie Hoad und Rosewell Perry-Hemden trugen, weckte schon damals im Publikum Begehrlichkeiten. Selbst Präsident John F. Kennedy fragte an und bat um Perrys Polohemden.

Die Zeit arbeitete für Perry. 1952 war nicht nur das Jahr, in dem er mit seinen Polohemden in Produktion ging, es war auch der Zeitpunkt, der den Beginn der Popkultur markierte. In London gab es die ersten Mods. Sie favorisierten Reggae-Musik und einen Kleidungsstil nach dem Vorbild Jean-Paul Belmondos, der italienische Lederschuhe und Anzüge mit knöchellangen Hosen zu Sporthemden kombinierte.

Richard Martin, der Marketing-Chef von Fred Perry International, erzählt gern die Geschichte dieser frühen Mods: "Auf der Suche nach dem richtigen Outfit gingen sie zu kleinen Herrenschneidern in den Vororten Londons. Und zeigten dort die Bilder von US- Jazzmusikern vor, die sie aus Magazinen ausgerissen hatten. Weil jeder Herrenausstatter stets eine kleine Auswahl an Sportbekleidung hatte, stießen sie dort auch auf Fred Perrys Poloshirts. Und die waren die perfekte Ergänzung zu einem italienischen Anzug."

Auf der nächsten Seite: Fred Perry bleibt seinem Tennisappeal treu...

Fänger im Lorbeer

Als eine der ersten Marken wurde Fred Perry so zum subkulturellen Gut. Das lag nicht zuletzt daran, dass sich viele Jugendliche mit dem Markengründer identifizieren konnten: Die Mods etwas gehörten genauso zur Arbeiterklasse wie Perry selbst. Es dauerte nicht lange, bis Bands wie The Kings, The Who, The Jam und The Small Faces Fred Perry für sich entdeckten.

Tennisspieler Fred Perry

Fred Perry: 1933 auf dem Tennisplatz in Wimbledon erfolgreich, zehn Jahre später wechselte er in die Modebranche - und machte den Wimbledon-Lorbeerkranz zu seinem Markenzeichen.

(Foto: Foto: Getty)

Es wäre gelogen, zu behaupten, dass für die Marke immer alles glatt gelaufen sei. Als Nike in den siebziger Jahren mit John McEnroe auf den Tennismarkt drängte, spielte das Label Fred Perry im Sport keine überragende Rolle mehr. Aber in der Firma behielt man die Ruhe - auch Jahre später, als Fred Perry in die Schlagzeilen geriet, weil die falschen Kunden mit dem Lorbeerkranz auf der Brust durch die Straßen marschierten. Wenn sich also rechtsgerichtete Skinheads für eine Marke entschieden, gab es nicht viel, was man dagegen tun konnte - außer: es durchzustehen. Also vermied die Londoner Zentrale mediale Aufregung.

"Die Leute kommen von allein zu uns"

Dass Fred Perry heute ein so großes Renommee bei der Jugend hat, ist sicher auch der Musikbranche zu verdanken: So trägt Mike Skinner von den Streets seit je Fred Perry, die Hip-Hopper Jay-Z und Kanye West schätzen die Shirts ebenso wie Brit-Popper Damon Albarn von Blur und die derzeit angesagte New-Rave-Band Klaxons. Wer jetzt meint, dass solch prominente Menschen "freundlicherweise" mit freebies - kostenloser Kleidung - ausgestattet werden, der irrt sich. Richard Martin erklärt: "Das mag arrogant klingen, aber diese Form von Celebrity-Ausstattung haben wir nicht nötig. Die Leute kommen von allein zu uns."

Fred Perry gilt vermutlich besonders deshalb als glaubwürdig, weil man das Erbe und die Tradition der Marke immer beibehalten hat. Das Logo ist bis heute unverändert, und nach wie vor haben Teile der Kollektion besonderen Tennisappeal. Das klassische Poloshirt in Weiß oder Braun gibt es auch heute noch. Es ist sogar noch geschnitten wie früher. Parallel dazu gibt es eine überarbeitete Fassung mit einem etwas kleineren Kragen. Die Kollektion bleibt Saison für Saison urbritisch - mit Cardigans, Club-Pullovern mit V-Ausschnitt, Shorts, Faltenröcken.

Was auch zum Status der Marke beiträgt, ist die unaufgeregte Markenführung. Beispielsweise setzt Fred Perry auf das Prinzip der künstlichen Verknappung. Die Klamotten mit dem leichten Retrolook gibt es längst nicht an jeder Ecke. Neben Flagship-Stores, in denen das gesamte Sortiment zu haben ist, werden nur ausgewählte Trend-Shops in meist ebenso trendigen Metropolen mit den schicksten Teilen der Kollektion beliefert.

Die Designer dürfen machen, was sie wollen

Wenn Richard Martin Sätze sagt wie "Wir haben keinerlei Ambitionen, auf dem globalen Markt Fuß zu fassen" und "Es reicht uns völlig, wenn wir auf dem britischen Markt 14 Prozent Marktanteil haben", bedeutet das nicht Selbstüberschätzung, sondern eine ausgeklügelte Nischenstrategie. Fred Perry konzentriert sich auf England, sozusagen sein Revier, wo die Firma Begehrlichkeiten perfekt kontrollieren kann - so wie es Perry auf dem Tennisplatz getan hat.

Dafür macht die Marke in einem anderen Bereich keine Kompromisse. Sie schafft es seit Jahren, namhafte Designer für Kollaborationen zu gewinnen. Die wichtigste war bislang sicher diejenige mit der japanischen Avantgarde-Designerin Rei Kawakubo und ihrem Label Comme des Garçons, in diesem Herbst folgen weitere Größen der Modewelt, wie die Schwedin Ann-Sofie Back und der Belgier Raf Simons. Die Idee der sogenannten "Blank Canvas"-Kollektionen ist immer die gleiche: Die Designer dürfen machen, was sie wollen. Nur die beiden wichtigsten Charakteristika von Fred Perry - das Logo und die Poloform - müssen in irgendeiner Weise wiedererkennbar sein.

Inzwischen sind derartige Projekte als Marketing-Mittel natürlich weit verbreitet. Allein Nike und Adidas präsentieren im Jahr mehrere Turnschuh-Kollektionen in limitierter Auflage, die in Zusammenarbeit mit glaubwürdigen Künstlern entstanden sind. Nicolas Schindler, Strategischer Berater der Berliner Werbeagentur Scholz&Friends, sagt dazu: "So eine Form von kulturellem Engagement, bei dem sich die Marke im Hintergrund hält, ist heute nichts Neues mehr, aber trotzdem wirksam. Am richtigen Ort präsentiert, erreicht man so immer noch die richtigen Leute."

Den richtigen Ort für die richtigen Leute wählt Fred Perry aktuell wieder ganz im Sinn der Firmengeschichte. In einkommensschwachen Gegenden in London sorgt das Modelabel dafür, dass Kinder und Jugendliche dem damaligen Hobby des Firmengründers nachgehen können: Tischtennis. Das Unternehmen richtet kleine Turniere aus, stellt Tischtennisplatten auf, verteilt Schläger und Bälle an alle, die spielen wollen. Für den Herbst sind diese Veranstaltungen auch in Berlin-Mitte geplant. Dann werden die Spiele auf Tischtennisplatten gespielt, die Raf Simons gestaltet hat.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: