Stilkritik Frisur:Der Kurzhaarschnitt

Es gibt drei Phasen der Frisur: Schock, Experiment und Schnitt. Wer der rebellischen Jugend entwachsen ist und nicht wie ein Freak aussehen möchte, trägt das Haupthaar heute kurz.

Eckhart Nickel

Über eine Tasse African Honeybush Tangerine Tee gebeugt, erklärte Patrick, unser schwedischer Freund, der immer mal wieder im Chateau Marmont in L.A. kellnert, neulich die Philosophie männlicher Haartracht wie folgt:

david beckham

In David Beckhams Frisuren-Genesis gab es mehr als drei Phasen. Doch auch der experimentierfreudige Fußballer landete schließlich beim Kurzhaarschnitt.

(Foto: Foto: dpa)

"Also, es gibt drei Phasen: Schock, Experiment und Schnitt. Die Jugend wählt Schock, um sich von den Eltern zu distanzieren. Das Experiment zeichnet die immer länger andauernde Phase des Erwachsenwerdens aus: mal lang, mal kurz, mal mittel, nie zufrieden. Der reife Mann schließlich, das kann zwischen 23 und 41 sein, erkennt, dass nur der Schnitt, will sagen, das ordentlich abgeschnittene, der Kopfform angepasste Kurzhaar, maskulin und angemessen ist."

Den Schluss seines Exkurses beendete Patrick, der als Sohn eines Ingmar- Bergman-Schauspielers aufwuchs, mit einer Art szenischem Nicken, das seine frisch geschnittene Tolle kurz in die Stirn wippen ließ.

Und er hat Recht: Wer nicht gerade die wie scheue Musiknoten sich im Nacken kräuselnden dunkelblonden Locken eines argentinischen Polospielers besitzt, sieht mit langen Haaren wahlweise aus wie ein Penner oder ein Freak oder wie beides zugleich.

Plus: Auch die Männermode scheint diesen Herbst in ihre reife Phase überzugehen, was die Stilbeilage der New York Times zeigt: vom Titelhelden Joseph Gordon-Levitt über Stefano Pilati und Marc Jacobs bis zu den jungen Briten in Nan Goldins Fotostrecke tragen alle Herren kurz. Weil man damit im besten Fall, so nochmals Patrick, aussieht wie Ralph Fiennes als Wüstenbaron im Film "Der englische Patient": Kurz genug, um sie tagsüber abstehen zu lassen, aber doch so lang, dass man sie abends zum Dinner mit Scheitel pomadisieren kann.

James, so heißt Patricks Friseur bei Toni & Guy, begrüßt seine Kunden vor dem Haarschnitt übrigens mit einem selbstbezüglichen Gruß, den Amerikaner sonst nur zur Verabschiedung benutzen: Have a good one!

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