Statistik:Bei Kita-Betreuung große Unterschiede zwischen Ost und West

  • Das Statistische Bundesamt hat Zahlen zur Kinderbetreuung veröffentlicht.
  • Sie zeigen: Ansichten zur Kleinkinderbetreuung unterscheiden sich in Ost- und Westdeutschland noch immer stark.

Von Ulrike Heidenreich

63,1 Prozent in Börde, 13 Prozent im Berchtesgardener Land

Der Landkreis Börde und der Landkreis Berchtesgadener Land haben wenig gemeinsam. Die höchste Erhebung oben in Sachsen-Anhalt beträgt 211 Meter, unten in Bayern protzen sie mit dem Watzmann (2713 Meter). Zwar gehören beide amtierenden Landräte konservativen Parteien an (CDU und CSU), die Lebens- und Arbeitswelt der Menschen scheint sich jedoch diametral zu unterscheiden. Deutlich zeigen das die Zahlen zur Kinderbetreuung, die das Statistische Bundesamt veröffentlicht hat. Die bundesweit höchste Betreuungsquote für Kinder unter drei Jahren weist der Landkreis Börde auf: 63,1 Prozent. Im Berchtesgadener Land besuchen die wenigsten Kleinkinder bundesweit eine Krippe, es sind nur 13 Prozent.

Die Ansichten, ab wann, wo und wie ein Kleinkind betreut werden sollte, gehen im Osten und Westen Deutschlands immer noch sehr weit auseinander. Mehr als die Hälfte aller Kinder unter drei Jahren besuchte in den neuen Bundesländern eine Kindertagesstätte. Im Westen waren es zum Stichtag 1. März 2015 nur 28 Prozent.

Auch bei der Betreuung der ganz Kleinen, der Einjährigen, gibt es große Unterschiede. Nur in einem von 77 ostdeutschen Kreisen lag die Quote unter 50 Prozent, bei allen anderen wurden mehr als die Hälfte aller Einjährigen morgens von ihren Eltern zu einer Krippe oder einer Tagesmutter gebracht. Im Westen kamen nur fünf von 325 Landkreisen auf ähnliche Zahlen. In der Statistik des Bundesamtes ganz oben steht die Stadt Frankfurt/Oder. Hier besuchten knapp 84 Prozent der Einjährigen regelmäßig eine Kindertagesstätte.

Die Zahlen der Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kleinkindern hat sich in den vergangenen Jahren in Ost- und Westdeutschland zwar angenähert. Die Lebensmodelle vor der Wende wirken jedoch weiter stark nach. In der DDR war die rasche Rückkehr von Müttern in den Beruf durch weitreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten gefördert worden, praktisch jedes Kind ging in einen Kindergarten. Im Westen hingegen existierten bis dahin kaum Tagesstätten für Kinder unter drei Jahren.

Profitieren von Strukturen aus DDR-Zeiten

Im Landkreis Börde profitieren berufstätige Eltern von den Strukturen noch aus DDR-Zeiten. 180 Betreuungseinrichtungen für Kinder gibt es dort, der Bedarf ist gedeckt. Im Berchtesgadener Land, dem Schlusslicht in der Statistik des Bundesamtes, rüstet man zwar, wie in allen alten Bundesländern, kräftig nach, allerdings scheint die Nachfrage nicht sehr hoch zu sein. "Im ländlichen Raum in Bayern, vor allem in Oberbayern findet man häufig traditionelle Wertvorstellungen vor.

Dazu gehört auch eine Versorgung der Kinder in der eigenen Familie", sagte eine Sprecherin des Landratsamtes in Bad Reichenhall der dpa. In Bayern ist die Situation auch anderweitig speziell: Die Zahlen liegen insgesamt unter den meisten anderen Bundesländern, lediglich 27,5 Prozent der unter Dreijährigen besuchen eine Kindertagesstätte. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) wies am Dienstag dennoch darauf hin, dass sich die Zahl der Plätze im Vergleich zu 2008 mehr als verdoppelt habe - von 44 000 auf 110 000.

Im Osten mangelt es an Erzieherinnen, im Westen an Krippenplätzen

Die andere Seite der Statistik: Während im Westen weiterhin Krippenplätze fehlen und die Zahlen eben auch daher rühren, dass viele Eltern einfach keinen guten Betreuungsplatz für ihr Kind finden, mangelt es im Osten an Erzieherinnen. Die Bertelsmann-Studie "Frühkindliche Bildungssysteme" zählte vor zwei Jahren penibel nach: Demnach muss in den ostdeutschen Krippen eine Vollzeitkraft im Schnitt sechs Kinder betreuen, das ist mehr als von Pädagogen empfohlen. Im Westen war eine Krippenerzieherin statistisch für 3,7 Ganztagskinder verantwortlich. Die Macher der Studie warnten vor Nachteilen bei der sprachlich-kognitiven und sozialen Entwicklung, die durch die schlechten Personalschlüssel im Osten entstehen könnten.

In einem sind sich Eltern in Ost und West übrigens einig: Dass Babys am besten zu Hause bleiben. Die Betreuungsquote für Kinder bis zu zwölf Monaten war überall gering. Im Osten waren es 4,1 Prozent, im Westen nur 2,3 Prozent der Kleinkinder.

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