Stadtplanung in Berlin:Zorn um den Ahorn

Der Gendarmenmarkt gilt als Salon Berlins. Nun sollen dort 140 Bäume gefällt werden. Viele Berliner sind empört und protestieren gegen die Pläne der Stadtentwickler.

Dominik Stawski

Die Stadtentwickler hätten sich das denken können. Den Gendarmenmarkt umgestalten? Ausgerechnet dieser von vielen geliebte Ort, entstanden im 17. Jahrhundert, ein Platz, den Touristen aus der ganzen Welt besuchen. Ausgerechnet hier Bäume fällen? Diese 140 Ahornbäume, die seit Mitte der achtziger Jahre einen Teil des Platzes umranden und die gerade in diesem heißen Sommer so angenehm Schatten spenden. Wem auch immer diese Idee kam, er musste damit rechnen, dass sie Gegner hat.

140 Ahornbäume bedroht

"Notfalls ketten wir uns an die Bäume": 5000 Unterschriften haben die Gegner der Umbaupläne bereits gesammelt.

(Foto: dpa)

Ada Withake-Scholz steht mitten auf dem Gendarmenmarkt und hebt den Zeigefinger. Die Geschäftsführerin des "Refugium", eines Restaurants auf dem Gendarmenmarkt, ist auch Vorsitzende des Vereins Freunde und Förderer des Gendarmenmarktes. Sie steht an der Spitze der Gegner. Hinter ihr erhebt sich der Französische Dom, rechts das Konzerthaus, vor ihr der Deutsche Dom. Viele sagen, der Gendarmenmarkt sei der schönste Platz Europas. Sie nennen ihn den "Berliner Salon", in Anspielung auf den als Salon Europas berühmt gewordenen Markusplatz in Venedig. Die Sonne strahlt an diesem Tag, die Leute sitzen unter den Schirmen und unter den Ahornbäumen. Eine Saxophonistin spielt. "Ich kapiere das einfach nicht. Warum? Der Platz funktioniert doch", sagt Withake-Scholz. Für sie hat jetzt ein Kampf begonnen. "Notfalls ketten wir uns auch noch nachts an die Bäume", sagt sie.

Ihr Gegenspieler ist Ephraim Gothe, SPD-Baustadtrat im Bezirk Mitte. Gothe und die Kollegen in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wollen etwa sechs Millionen Euro investieren, davon ungefähr 90 Prozent EU-Fördergeld für die Aufwertung touristischer Plätze. Der Gendarmenmarkt soll freier werden, die Stufen am Rand sollen verschwinden, das Pflaster erneuert werden. Und: Die Ahornbäume sollen nach Meinung der Stadtentwickler weg, weil sie die Sicht auf den Französischen Dom versperren würden. Sie sind nicht etwa abgestorben oder kaputt, dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zufolge sind bis auf einen Baum alle "vital und standsicher". In einem Strategiepapier aus dem März dieses Jahres heißt es zu der geplanten Umgestaltung: "Dieser Ansatz hat im bisherigen Planungsprozess breite Zustimmung gefunden."

Jetzt ist August, die Lage hat sich verändert. Man könnte auch sagen: Es gibt einen Sturm der Entrüstung. Ada Withake-Scholz und ihre Mitstreiter haben eine Unterschriftenaktion gestartet. Innerhalb einer Woche sammelten sie 5000. Die Berliner kommen aus den Außenbezirken zum Gendarmenmarkt, wo die Baumbeschützer mit der Liste stehen, sie setzen ihren Namen darauf, nehmen ein paar Blanko-Formulare mit und liefern ein paar Tage später weitere Unterschriften ab, nicht selten bis zu 30 Stück.

Es sind Menschen wie Ruth Kraus aus Charlottenburg, 85 Jahre alt, seit 1934 lebt sie in Berlin. Als sie nach dem Fall der Mauer das erste Mal seit Jahrzehnten wieder den Platz sah, hielt sie den Atem an. "Ich liebe diesen wunderbaren Platz", sagt sie. Ruth Kraus hörte von den Umbauplänen im Fernsehen, seitdem ist sie fast jeden Tag auf dem Gendarmenmarkt, stellt sich neben die Staffelei, auf der steht "Reparieren statt Liquidieren" und hält den Fußgängern die Listen hin. Sie und die anderen Gegner kennen die Mängel des Platzes, das herausgesprungene Pflaster, die ungeschnittenen Bäume, die notdürftig verlegten Kabel, aber das alles, sagen sie, lasse sich doch leicht und für ein Bruchteil des Geldes ausbessern. Eigentlich, sagt sie, sei es doch "ein Kampf gegen die Profilneurose der Politiker, die sich mit einer Umgestaltung verewigen wollen".

Der Vorwurf richtet sich auch gegen Ephraim Gothe. "Ich bin total überrascht von dem Protest", sagt er. "Wir haben keinen Plan im stillen Kämmerlein ausgebrütet." Er spricht von Bürgerbeteiligung, von den Foren, die stattgefunden haben. Aber all das hilft ihm jetzt nicht mehr. Er wisse schon, Bäume absägen sei immer schwierig, "aber dass die Kritik so scharf ausfällt?".

Der Protest hat die Stadtentwickler überrollt. Die Menschen schicken E-Mails, in denen sie sich empören. In einem Brief an die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer, heißt es: "In vielen Berliner Schulen läuft der Regen den Kindern in die Klasse, sind die Toiletten in einem unwürdigen Zustand und Sie wollen Millionen einsetzen, um unseren Gendarmenmarkt in eine hoffnungslose Steinwüste zu verwandeln?" Ephraim Gothe weiß, dass es so nicht weitergehen kann. Es gebe ja noch keine konkrete Planung, sagt er. Die Bäume abzusägen, sei kein Ziel, "das man unbedingt durchsetzen muss". Er klingt jetzt diplomatischer. "Ich will nicht als Betonkopf in die Geschichte eingehen."

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