Spreebogen:Bin im Bilde

Spreebogen: Nico Fried wurde 1966 in Ulm geboren. Er leitet seit 2008 das Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin und trägt auch im Sommer meistens feste Halbschuhe.

Nico Fried wurde 1966 in Ulm geboren. Er leitet seit 2008 das Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin und trägt auch im Sommer meistens feste Halbschuhe.

Journalisten tauchen des öfteren auch aus Versehen in der eigenen Zeitung auf: Wenn sie in den Hintergrund eines Fotos geraten - und damit in Erklärungsnot.

Von Nico Fried

Neulich war ich in der "Tagesschau". In einem Bericht über den Besuch von Sigmar Gabriel in Heidenau stand ich während seines Statements im Pulk hinter dem Vizekanzler. Das Gesicht war nicht zu sehen, aber für Familie, Freunde und Kollegen war ich leicht zu erkennen, weil mein Kopf sehr groß ist und wie immer nachlässig frisiert war: Das hintere Haar erschien noch einigermaßen dicht, die Fransen vorne aber hingen wie in Butter gewendete Spaghetti die hohe Stirn hinunter. Meine Defizite fielen besonders auf, weil schräg vor mir der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig stand, der definitiv zu den bestaussehenden Politikern Deutschlands zählt, obwohl er in der SPD ist.

In der SZ war ich am nächsten Tag auch auf einem Foto vom selben Ereignis zu sehen, versteckt zwischen Dutzenden anderer Menschen. Interessanterweise hat mich meine Tochter als Erstes entdeckt - später Lohn für viele Stunden, die man mit den Kindern über Wimmelbildern gesessen hat, auf denen die Kleinen in unübersichtlichen Szenen Details suchen müssen. Meine Schwiegermutter wiederum, die gerade zu Besuch war, hat mich auf dem Foto lange Zeit nicht entdeckt. Womöglich beging sie den Fehler, nach dem attraktiven Mann zu suchen, dem sie einst ihre Tochter anvertraute.

Früher gab es Redaktionen, da mussten Reporter eine Strafe in die Kaffeekasse zahlen, wenn sie auf einem Foto in der eigenen Zeitung zu sehen waren. Heute gilt es manchen Medien als Ausweis besonderer Authentizität der Berichterstattung, wenn der Autor neben dem Text auch ein Bild von sich und dem Berichtsgegenstand mitliefert. Ich und der Gletscher; ich und Merkel; ich im Oval Office.

In der SZ muss man keine Strafe zahlen, wenn man auf einem Foto landet. Mein ehemaliger Büroleiter, der heute mein Chefredakteur ist, erwartet aber auch nicht, dass man sich auf ein Bild drängt. Wie ich ihn kenne, würde er das unter anderem ganz unumwunden mit Argumenten aus dem Bereich der Ästhetik begründen. Bei mir jedenfalls. Bei Hickmann oder Braun, den Martin Duligs der SZ-Parlamentsredaktion, sähe das vielleicht schon wieder anders aus.

Meistens merkt man es als Reporter ja auch gar nicht, wenn man fotografiert oder sogar gefilmt wird. Vor ein paar Jahren machte mich der Regierungssprecher nach einer Pressekonferenz der Bundeskanzlerin freundlicherweise darauf aufmerksam, dass ich vergessen hatte, den festgetackerten Kontrollzettel der Reinigung aus meinem Kragen zu entfernen. Während ich mit verrenktem Arm in meinem Genick herumfummelte, ging die Kanzlerin mit einem fragenden Lächeln vorbei, verfolgt von mehreren Fernsehkameras. Wenige Stunden später war die Szene in den "Tagesthemen" zu sehen. Danach habe ich gelernt, dass schon der Versuch aussichtslos ist, den Zusammenhang solcher Bilder zu erläutern.

Andere sind selbsterklärend. Der Spiegel hat mal ein Bild von Gerhard Schröders letztem Besuch bei George W. Bush in Washington abgedruckt. Man sah die Politiker, drumherum Journalisten und dahinter meinen großen runden Kopf.

Es sah aus, als ginge im Oval Office der Vollmond auf.

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