Speedflying:Im Sturzflug den Berg hinab

François Bon kennt keine Angst. Er fährt auf Skiern und mit Gleitschirm auch die Eigernordwand hinab - und nimmt das per Helmkameras auf. Der Film löst immer die gleiche Reaktion aus: Wahnsinn.

Silke Lode

François Bon kann sich nicht erinnern, ob an jenem schönen Junitag im Jahr 2006 Bergsteiger in der Eigernordwand kletterten. Wenn, dann haben sie einen Schreck fürs Leben bekommen. Denn an jenem Tag rauschten zwei Skifahrer in atemberaubendem Tempo durch die teils senkrechte Wand. Die Steilstufen überflogen sie mit einer Art Gleitschirm, auf den Firnfeldern hinterließen sie tiefe Skispuren.

Die beiden Franzosen François Bon und Antoine Montan sind die wenig medienscheuen Pioniere der Sportart Speedflying. Helmkameras und ein Helikopterteam filmten ihre unglaubliche Abfahrt. Der zweieinhalb Minuten lange Film löst auf einschlägigen Festivals und bei Internetbenutzern immer die gleiche Reaktion aus: Wahnsinn.

Die Aktion von zwei Lebensmüden. "Wir haben nicht aus Glück überlebt. Du musst in jedem Moment die perfekte Kontrolle haben", weist Bon die Mutmaßungen zurück, sagt aber im gleichen Atemzug: "Du bist nicht in der Realität. Alles geht so schnell, du konzentrierst dich nur auf die Plätze, wo du gleich landest."

Er hat bereits auch die Montblanc-Nordwand und den Mount Cook in Neuseeland "erstbeflogen".

Entstanden ist der neue Sport wieder einmal in Frankreich. Hier hat auch das Gleitschirmfliegen seinen Ursprung, und Speedflying ist dem seit gut 20 Jahren etablierten Flugsport ähnlich. Die Schirme sind mit zehn bis 14 Quadratmetern Fläche bei einem Gewicht von drei Kilogramm etwas kleiner, durch ein verändertes Profil sind sie allerdings weniger empfindlich gegen Turbulenzen.

Ihr Auftrieb ist schlechter als jener der Gleitschirme, doch das ist gewollt, denn die Speedflyer suchen immer wieder den Kontakt zum Boden, um Schwünge und Sprünge kombinieren zu können.

Ziehen sie während der Fahrt an den Leinen, erhöht sich der Auftrieb des Schirms, um kleine Kuppen oder turmhohe Klippen zu überfliegen.

"Das war ein bisschen extrem": Den Eiger auf Skiern hinab - ein Video für Hartgesottene...

Im Sturzflug den Berg hinab

"Theoretisch kann man bis ins Tal fliegen", sagt Christoph Kirsch, Präsident des neugegründeten Deutsch-Österreichischen Speedflying Verbandes.

Auch wenn Kirsch mit Blick auf Bon meint: "Speedflying ist nicht nur etwas für Extremsportler", wird es wohl nie ein Pistensport werden - die Verletzungsgefahr für die Abfahrtsläufer wäre zu groß. Es ist eine Aktivtät für das freie Gelände.

Und damit ist das Skifliegen mit allen Gefahren des Hochgebirges verbunden: Lawinen, Einsamkeit, Gletscherspalten. Dazu kommen besondere Anforderungen an Wind und Wetter.

Im Ursprungsland des Speedflying gibt es längst Kurse und offiziell ausgewiesene Gelände. Die Schweizer haben nach zwei tödlichen Unfällen strenge Regeln erlassen: Wer mit dem Speedflyer unterwegs ist, braucht einen Gleitschirmschein.

"In Deutschland und Österreich sind wir noch nicht so weit", sagt Kirsch. Wer fliegen kann, unterliegt potenziell dem Luftrecht - deshalb prüft das Luftfahrtbundesamt noch, wie nun mit dem neuen Sport verfahren werden soll.

Aber es gibt bereits Schnupperkurse an dafür freigegebenen Skihängen und bald schon wollen auch deutsche Ski- und Flugschulen umfangreiche Kurse anbieten.

Eine weitere Hürde dürfte der Preis sein: Das Fluggerät kostet etwa 1500 Euro. An dessen Entwicklung sind Profis wie Bon beteiligt, der sich als passionierter Gleitschirmflieger freut: "Jetzt haben wir auch eine Wintervariante für unseren Sport."

Ob seine Mutter eigentlich weiß, was er, selber Vater einer kleinen Tochter, da in den Bergen treibt? "Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber sie weiß, dass ich Pilot bin", sagt Bon lachend - und plant nach seinen öffentlichkeitswirksamen Aktionen ("war vielleicht etwas extrem") andere Filme über seine Speedflying-Ausflüge.

Sie sollen keine unglaublichen Abfahrten mehr zeigen, sondern die Schönheit des Fliegens.

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