Sexualität:Sprühen für die Liebe

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Fragwürdige Potenzmittel versprechen ein verlängertes Liebesspiel. Hilft ein Betäubungsspray gegen vorzeitigen Samenerguss?

Werner Bartens

Wenn im Internet Ankündigungen mit "sechsmal länger" beginnen, kann man sie zumeist getrost wegklicken. Es handelt sich in der Regel um Werbung für fragwürdige Potenzmittel oder Penisverlängerungen. In einem aktuellen Fall hat die Meldung jedoch wissenschaftlichen Hintergrund.

Bei den Probanden mit betäubtem Penis verlängerte sich die Dauer des Geschlechtsverkehrs von 0,6 auf 3,8 Minuten (Foto: Foto: iStockphotos)

Im British Journal of Urology International (Bd.103, S.940, 2009) zeigen Wallace Dinsmore vom Royal Victoria Hospital in Belfast und sein Ko-Autor Michael Wyllie, dass Probanden mit Neigung zu vorzeitigem Samenerguss ihre Ejakulation mit Hilfe eines Sprays deutlich hinauszögern konnten.

200 der 300 Teilnehmer im Alter von durchschnittlich 35 Jahren sprühten sich hierzu ein Gemisch aus den Betäubungsmitteln Lidocain und Prilocain auf den Penis. Die 100 anderen Probanden benutzten ein Scheinpräparat. Unter denen, die ihren Penis betäubten, verlängerte sich die Dauer des Geschlechtsverkehrs von durchschnittlich 0,6 auf 3,8 Minuten.

Auch in der Plazebogruppe dauerte der Sex mit 1,1 Minuten etwas länger. In der Gruppe, die das Betäubungsmittel nahm, waren 62 Prozent der Männer mit ihrem Orgasmus zufrieden, vor Studienbeginn und in der Plazebogruppe war es nur jeder Fünfte.

"Das Mittel wurde von Probanden wie Partnerinnen gut vertragen, es gab wenig lokale Nebenwirkungen, und die Mehrzahl der Teilnehmer war zufrieden", sagt Wallace Dinsmore. Er hat die Studie gemeinsam mit der Herstellerfirma des Sprays unternommen und von dieser auch Beraterhonorare kassiert, was seine Unabhängigkeit zu diesem Thema in Frage stellt.

Die möglichen Nachteile des Verfahrens werden in dem Artikel denn auch längst nicht so betont wie die angebliche Zufriedenheit der Testpersonen. Die Empfindsamkeit der Eichel wird durch das Narkosemittel herabgesetzt. Die Substanz kann auch auf die Partnerin übergehen, weshalb manche Hersteller die Mittel an der Innenseite von Kondomen anbringen. Zudem muss das Mittel fünf Minuten vor dem Geschlechtsverkehr aufgetragen werden - mit fragwürdigen Konsequenzen für das Liebesspiel.

Dennoch: Vorzeitiger Samenerguss ist ein häufiges Problem. "Viele Männer stresst die schnelle Ejakulation und lässt sie Intimitäten vermeiden", sagt Dinsmore. Die Definition des Leidens ist so schwierig wie eine genaue Angabe der Häufigkeit. Es ist abhängig von Stimmung und Erwartung der Partner, wann eine Ejakulation als zu früh empfunden wird. Typisch ist, dass sich der Zeitpunkt des Samenergusses nicht steuern lässt. Da sich viele Männer scheuen, über das intime Problem zu sprechen, schwanken Literaturangaben über Betroffenenzahlen zwischen 15 und 40 Prozent.

Neben lokalen Betäubungsmitteln wie in der aktuellen Studie werden Männern auch Antidepressiva und Betablocker gegeben, um den Samenerguss hinauszuzögern. Es soll auch helfen, das Glied an der Peniswurzel abzudrücken, um auf diese Weise den Erguss zu verzögern.

Die meisten Experten sind sich allerdings einig, dass die häufigste Ursache für die vorzeitige Ejakulation psychischer Natur ist und eine ängstliche Anspannung oder Übererregung dem Geschlechtsverkehr vorausgeht.

"Das Problem ist meist ein sich selbst verstärkender Zirkel aus Erwartungsängsten", sagt Peter Henningsen, Chefarzt der Psychosomatik an der Technischen Universität München. "Wenn es denn hilft, spricht wenig dagegen, ein Spray einzusetzen - das kann vielleicht Sicherheit vermitteln und den Teufelskreis durchbrechen."

Bei chronischen Beschwerden sei es aber wichtiger, genauer hinzuschauen, eventuell eine Verhaltenstherapie anzustreben - und die Paardynamik zu klären.

© SZ vom 09.04.2009/mmk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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