Sexualität im Alter:Langes Liebesleben

Viele ältere Menschen sind im Bett oftmals aktiver, als es ihre Enkel vielleicht vermuten würden.

Wiebke Rögener

Die sexuelle Aktivität nimmt im Rentenalter zwar ab, für viele Menschen ist sie aber auch jenseits der 80 noch wichtig. Zu diesem Ergebnis kommen die Altersforscherin Stacy Lindau und ihr Team von der Universität Chicago. Sie befragten je 1.500 Männer und Frauen zwischen 57 und 85 Jahren danach, welche sexuellen und gesundheitlichen Probleme sie plagen und wie groß Ihr Interesse am Sex ist.

Sex im Alter

Senioren sind im Bett oftmals aktiver, als es ihre Enkel vermuten.

(Foto: Foto: iStockphotos)

Demnach sind etwa drei von vier 57- bis 64-Jährigen sexuell aktiv, mehr als die Hälfte der Altersgruppe zwischen 65 und 74 Jahren und jeder Vierte nach dem 75. Geburtstag. In allen Altersgruppen sind Männer reger. So gaben bei den 75 bis 85-Jährigen 38 Prozent an, sie hätten in den vergangenen zwölf Monaten Sex mit einer Partnerin gehabt; bei den Frauen dieser Altersgruppe hatten nicht einmal halb so viele Sex.

Das liegt nicht immer am geringeren Interesse der Frauen, oft fehle der Partner: Etwa die Hälfte dieser Frauen ist verwitwet, während siebzig Prozent der Männer in diesem Alter verheiratet sind. Frauen haben nicht nur die höhere Lebenserwartung, sondern oft ältere Männer, sodass sie häufiger ihren Lebensabend allein verbringen. Sex außerhalb der Ehe ist für viele in dieser Altersgruppe noch tabu.

Auch körperliche Probleme können das Liebesleben einschränken. Nur etwa jeder vierte Mann jenseits der 75 gibt an, er hätte kein Interesse am Sex, aber mehr als 40 Prozent berichten über Erektionsprobleme und 30 Prozent machen sich Sorgen um ihre Leistungsfähigkeit im Bett. Jeder siebte Mann zwischen 57 und 85 hilft der Potenz mit Pillen nach.

Frauen dagegen erklären häufiger, sie hätten an Sex kein Interesse: bei den 57- bis 64-Jährigen sind es 44 Prozent, in der ältesten Gruppe fast die Hälfte der Befragten. Eine trockene Scheide und fehlender Orgasmus beeinträchtigen bei älteren Frauen am häufigsten das Vergnügen am Sex. Wer krank ist, ist auch sexuell weniger aktiv. So haben Frauen mit Diabetes seltener Sex und zuckerkranke Männer häufiger Potenzprobleme. Insgesamt gibt die Hälfte aller sexuell aktiven älteren Männer und Frauen an, ein sexuelles Problem zu haben - nur die Minderheit hat mit einem Arzt darüber gesprochen.

Wer noch rüstig ist und in Partnerschaft lebt, hat oft bis ins hohe Alter ein lebhaftes Liebesleben. In der ältesten Gruppe gab mehr als die Hälfte der sexuell aktiven Personen an, zwei bis dreimal pro Monat Sex zu haben, 23 Prozent sogar mindestens einmal pro Woche.

In Deutschland zeigte eine Studie der Universität Leipzig, dass ältere Menschen im Bett aktiver sind, als es ihre Enkel wohl vermuten. Demnach haben Menschen um die 60 häufiger Geschlechtsverkehr als junge Leute unter 25, die oft noch nicht eine feste Partnerschaft haben (SZ, 15.2.2006). Etwa 60 Prozent der Männer und Frauen über 75 erklärten, Sexualität sei ihnen wichtig. Auch hier gab nur jeder vierte Mann über 75 an, Sex sei ihm gleichgültig.

Im Gegensatz zu ihren Geschlechtsgenossinnen in den USA sagten deutsche Frauen dieser Altersgruppe mit knapp 27 Prozent nur selten, sie hätten kein Interesse an körperlicher Liebe. Allerdings klaffte eine Lücke zwischen Verlangen und Erfüllung, und auch hierzulande zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Bei den über 70-Jährigen war die Hälfte der Männer sexuell aktiv, aber nur ein knappes Drittel der Frauen.

Vor allem bei Männern hat die sexuelle Aktivität im Alter zugenommen, wenn man den Selbstauskünften trauen darf. Vielleicht spiegelt sich hier aber auch der Wunsch wieder, gestiegenen Erwartungen zu entsprechen.

Vor kurzem hätten Ältere kaum über ihre Sexualität geredet, da junge Menschen angenommen hätten, dass es so etwas nicht gäbe, vermutet John Bancroft vom Kinsey Institute der Indiana University in Bloomington. Jetzt schwinge das Pendel in die andere Richtung: Das Interesse an dem Thema nehme zu, nicht zuletzt, weil es inzwischen Medikamente gegen nachlassende Leistungsfähigkeit im Bett gibt. Die Autoren der Studie aus Chicago stellten ebenfalls fest, dass die Forschung auch durch den noch immer wachsenden Markt für Potenzmittel angetrieben werde.

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