Serie: Whisky, Wasser des Lebens (5):Duell zwischen Brüdern

Der 16 Jahre alte Lagavulin und der "junge Wilde" Laphroaig: Ein sanfter Gigant und ein heftiger Geselle treten gegeneinander an.

Andreas Schätzl

Die Hebrideninsel Islay vor der schottischen Westküste gilt mittlerweile nicht mehr nur unter Insidern als Stätte herrlicher Whisky-Brennkunst. Ardbeg, Bowmore, Bruichladdich, das sind Namen, die trotz einer gewissen phonetischen Sperrigkeit Kennern flauschig über die Zungen gleiten - am besten natürlich gleich zusammen mit dem flüssigen Stoff.

Whisky Lagavulin

Brachiale Eleganz: Lagavulin 16 Jahre alt.

(Foto: Diageo)

Zwei weitere sehr berühmte Whiskyhersteller auf dem für schottische Verhältnisse landschaftlich ungewöhnlich abwechslungsreichen Eiland sind Lagavulin und Laphroaig. Beide Destillen sind nicht nur Nachbarn, sondern produzieren auch Getränke, die sich erst einmal von Aroma und Geschmack her ähneln: torfig-rauchig, heftig, schon ziemlich kompromisslos.

Aber sie unterscheiden sich bei näherer Verkostung auch ganz deutlich. Es sind diese sinnlich erfahrbaren Nuancen (oft auch zwischen den einzelnen unterschiedlichen Abfüllungen eines einzigen Herstellers), die den Whisky-Freund in Begeisterung versetzen - und ihn oft zum Sammler mutieren lassen.

Brecher gegen Brecher

Lagavulin und Laphroaig also. Warum nicht deren Nuancen in ihren Differenzen erkennen - und genießen? Bei den jeweiligen Standardabfüllungen - dem 16-jährigen "Classic Malt"-Lagavulin mit 43 Prozent und dem zehn Jahre alten Laphroaig zu 40 Prozent - wird man da schon fündig, aber die waren uns zu "normal". Und da es von beiden Destillen ein weiteres Produkt gibt, das aufs jeweils andere abzielt, und das wesentlich wilder daherkommt, haben wir diese beiden jungen Wilden gegeneinander antreten lassen.

Man weiß ja, dass Whisky in der Regel umso milder wird, je länger er im Fass liegen durfte. Im Umkehrschluss gilt deshalb meist: jünger = wilder, schärfer, ungebärdiger, rauer. Und in der Tat: Der 16er-Lagavulin ist trotz seiner kompromisslosen Torfigkeit so etwas wie ein sanfer Gigant, sein vier Jahre jüngerer Bruder hingegen ein heftiger Gesell.

Das liegt natürlich auch an dem wesentlich höheren Alkoholgehalt des jungen: Die aktuelle 2009er-Abfüllung bringt satte 57,9 Prozent Alkoholstärke ins Glas. Das haut entsprechend rein, und trotzdem empfehlen wir, den Schnaps pur nicht nur fürs erste zu riechen, sondern auch zu schmecken! Es spricht nichts dagegen, das Ganze mit Wasser hinabzuspülen - aber ein wenig kreisen lassen in der Mundhöhle sollte man das unverdünnte Destillat schon einmal.

Der wilde Aristokrat

Weder beim Riechen noch beim Schmecken kann und will der der zwölfjährige Lagavulin seinen "Stall" verleugnen: Hinter dem Torfrauch kommen jene Noten von stark geräuchertem (Schwarzwälder) Schinken und auch Kohlerauch zum Vorschein, die sowohl in die Nase kriechen, als auch die Geschmacksnerven beschäftigen. Mehr aber als beim 16-jährigen setzt sich noch eine andere Note durch: die von Frucht - irgendetwas duftet und schmeckt nach frischen Äpfeln.

Nun ist bekannt, dass Alkohol ein Aromen- und Geschmackstransporteur ist, und je höher der Alkoholgehalt, desto stärker normalerweise auch dieser Effekt. Aber warum merkt man von diesen frisch-fruchtigen Einflüssen so wenig beim älteren Lagavulin?

Möglicherweise hat das auch etwas mit der Fassauswahl zu tun. Während im "Standard"-Lagavulin wohl auch so manches im ehemaligen Sherry-Fass (nach-)gereifte Destillat in die endgültige Flaschenabfüllung mitgelangt, sind es beim Zwölfer ausschließlich "Barrels", in denen amerikanischer Bourbon-Whiskey gereift wurde, bevor sie Lagavulin aufnehmen durften. Der Einfluss des früheren Fassinhalts auf den Malt Whisky ist im Falle von Bourbon meist zurückhaltender als etwa der des spanischen (Süß-)Weins Sherry. Und lässt deshalb mehr Eigenduft und -geschmack des Malts aufkommen. Das wiederum sind beim Lagavulin eben auch die spürbaren süßen Fruchtnoten.

Auch auf das Mundgefühl, also den Körper des Getränks, wirkt sich die Fasslagerung aus: Ex-Sherry-Fässer sorgen für mehr Fülle, einen "dickeren" Whisky als die neutraleren ehemaligen US-Casks. (Deshalb fließen manche Whiskys, die zwanzig Jahre und länger etwa in früheren Oloroso-Sherry-Fässern reiften, fast schon wie Sirup aus der Flasche!). Der Zwölfer-Lagavulin ist jedenfalls spürbar "schlanker" als der 16er.

Der Extremist

Gibt man nun doch noch etwas Wasser zum Zwölfjährigen ins Glas, dann wird die Sache natürlich etwas milder, aber es tun sich auch neue Nuancen auf. In der Nase etwa sind das Ruß (!), Zigarrenasche und - Fruchtsaft (guter natürlich). Geschmacklich kommen noch mehr und noch süßere Frucht hinzu, aber auch grüner Tee, und natürlich wieder jede Menge Torfrauch. Das Mundgefühl wird etwas voller, das Ganze erscheint ungemein mächtig und groß, hat aber bei aller Wildheit stets auch etwas Elegantes an sich! Wasser schadet also nicht, sondern verändert das Getränk bzw. erweitert die Aromen- und Geschmackspalette sogar. Aber nicht vergessen: Versuchen Sie, auch diesen Whisky zunächst pur zu genießen.

Serie: Whisky, Wasser des Lebens (5): Brachiale Eleganz: Lagavulin zwölf Jahre alt; 2009 (Foto: Diageo)

Brachiale Eleganz: Lagavulin zwölf Jahre alt; 2009 (Foto: Diageo)

Das gilt ebenfalls für den Laphroaig: zehn Jahre alt in "Cask Strength" (= Fassstärke) "Batch 1" mit 57,8 Prozent, abgefüllt ebenfalls 2009. Der Unterschied zur hausinternen Standardabfüllung fällt zumindest auf dem Papier weniger drastisch aus, als bei Lagavulin - hat sie doch auch zehn Jahre auf dem Buckel. Zudem sind beide Versionen dem Hersteller zufolge ausschließlich in Ex-Bourbon-Fässern gereift.

Und dennoch: Der Unterschied ist wie der zwischen Tag und Nacht! Wo die "Normalversion" durchaus beeindruckend und charakteristisch daherkommt, ist im Cask Strength noch etwas von dem zu riechen und vor allem zu schmecken, was die Laphroaigs früher neben dem Torfrauch auszeichnete: eine gewisse tangige, algige Öligkeit, welche zugleich eine bestimmte Süße mitbringt, die aber im Gegensatz zu der im Lagavulin weniger fruchtig ausfällt - während dort durchaus Äpfel und Zitronen entdeckt werden, erahnt man beim Laphraoig allenfalls ein wenig frische Birne.

Aber jetzt bitte keine falschen Annahmen: Rauch in allen möglichen Ausprägungen (und teilweise auch unmöglichen: viele erloschene Zigarren im Aschenbecher!) gibt es mehr als genug in dem hochprozentigen Laphroaig, der in diesem Jahr schon bald von einem Nachfolger ähnlichen Kalibers abgelöst werden wird.

Nach Wasserzugabe mildert sich auch dieser Stoff - die oben erwähnten "alten Ahnungen aus dem Meer" (beide Destillen liegen übrigens direkt an der oft sehr rauen Atlantikküste) nehmen mehr Gestalt an, an die Stelle der Schärfe treten Öligkeit und etwas elementar Erdhaftes. Die Wildheit bleibt indes erhalten.

And the winner is ...

War ja eigentlich auch zu erwarten: Keiner der beiden Whiskys, der zwölfjährige Lagavulin nicht und auch nicht der zehn Jahre alte Cask-Strength-Laphroaig, sind Sieger oder Verlierer. Beide haben ihren ganz eigenen Charakter, der sich bei beiden nach Verabreichung von Wasser verändert, und beide sind sie starke und sehr selbstbewusste Drinks - trotz ihrer relativen Jugend.

Der Lagavulin bewahrt sich bei aller Kompromisslosigkeit eine bestimmte Eleganz und ist insofern ein bisschen wie ein Aston Martin DBS, während dieser Laphroaig in seiner Wildheit mit einem Lamborghini Gallardo vergleichbar wäre. Mit Wasser jeweils im Komfort-Mode. Prost!

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