Musik machen:Ein bisschen Rockstar

Lucy liebt Musik und spielt richtig gut Schlagzeug. Wenn sie keine Schlagzeug-Sticks zur Hand hat, dreht sie Stifte mit den Fingern. Angefangen hat sie mit Kochtöpfen und Löffeln.

Von Ursel Böhm

Es beginnt, als Lucy neun Jahre alt ist. Beim Musikhören - das hat sie schon länger gemerkt - mag sie das Schlagzeug irgendwie besonders. Ein großes, kraftvolles Instrument, findet Lucy. Es gibt den Ton an und ist die perfekte Abwechslung zum Flötenunterricht. Beim älteren Nachbarn durfte sie es schon mal ausprobieren. "Ich wusste sofort, dass ich das auch machen will. Endlich mal ein wildes Instrument."

Lucys Mutter findet die Idee "okay". Aber: Willst du das wirklich? Lucy trommelt mit zwei Kochlöffeln auf Kochtöpfen, baut sich ihr eigenes Drumset. Außerdem: Ein richtiges Schlagzeug kostet eine Menge Geld, und überhaupt: "Ist das nicht viel zu laut für die Nachbarn?"

Jetzt, vier Jahre später, Lucy ist 13, steht ihr eigenes Schlagzeug mitten in der Wohnung. In einem gemütlichen Zimmer mit Sofa und Klavier. Ungefähr 20 Minuten übt Lucy hier täglich. Und zwar ganz leise.

"Wenn das dann so groovt, dann ist das voll das schöne Gefühl."

Denn Lucy hat zu Hause kein normales Schlagzeug sondern ein elektronisches. Statt der Trommeln hängen da Gummimatten. Wenn Lucy darauf spielt, hört sich das so an, als ob jemand mit den Fingern auf die Tischplatte klopft. Den richtigen Schlagzeugsound hört nur Lucy selbst über Kopfhörer.

Heute aber ist Montag und montags wird es richtig laut, schlagzeuglaut. Es gibt zwei Dinge, ohne die Lucy momentan das Haus nur ungern verlässt: Erstens ihre schwarze Lederjacke und zweitens ihre Kopfhörer zum Musikhören. Wie jeden Montagnachmittag saust sie auf ihrem Fahrrad durch die Straßen Münchens zum Unterricht. Lucy liebt Fahrradfahren.

Kurz darauf sitzt sie in einem kleinen Spiegelsaal. Saal ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber die Wände sind verspiegelt, damit man während des Schlagzeugspielens sich selbst kontrollieren kann: Dass man die Trommelstöcke - Schlagzeuger sagen "Sticks" dazu - richtig hält und dass die Haltung stimmt: locker und entspannt. Lucy grinst, während sie spielt. Da ist die große Bass-Drum, die wohlig wummert, die knarrende Snare-Trommel in der Mitte direkt vor Lucy und die zischende Hi-Hat mit den zwei Becken links von ihr. "Wenn das dann so groovt, wenn also alles in den Takt passt und trotzdem so unterschiedlich ist, dann ist das voll das schöne Gefühl."

Das sagt Lucy nach drei Jahren Schlagzeugunterricht. Sie kann sich auch noch an andere Zeiten erinnern: "Am Anfang war's schwierig mit Händen und Füßen gleichzeitig und dann wieder versetzt zu spielen. Einfach nur die Sticks locker zu bewegen, das war total verkrampft - und irgendwie echt kompliziert." Inzwischen übt sie sogar in der Schule, dreht Bleistifte in der Hand als ob sie Sticks wären (siehe Kasten).

Besonders gern spielt Lucy zu Musik anderer Bands. Unter Schlagzeugern ist das ein beliebtes Training. Sie trommelt zum Beispiel zu ihren Lieblingssongs von "Twenty One Pilots" oder den "Arctic Monkeys". "Und wenn man das Stück kann, dann fühlt man sich schon so ein bisschen wie ein Rockstar!" Ob es einen Moment gab, in dem ihr das eigene Talent aufgefallen ist? "Das hab ich nicht gemerkt, nee. Ich hatte einfach Mega-Lust drauf!" Manchmal ist das auch komisch. Von Mädchen werde oft erwartet, dass sie Klavier oder Flöte spielen.

Lucy spielt ja auch Flöte, aber wenn sie jemandem erzählt, dass sie Schlagzeug spielt, dann kommen manchmal blöde Kommentare: "Das kannst du ja wahrscheinlich gar nicht richtig, sagen die dann. Genauso wie bei meinem kleinen Bruder, der tanzt Ballett, und da sagen die auch manchmal: Äh, du tanzt Ballett, aber du bist doch ein Junge!"

Das nervt Lucy. "Ja, ich kenn jetzt auch keine Frau, die in einer erfolgreichen Band Schlagzeug spielt." Lucy lacht. "Aber das kann man ja auch ändern!"

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