Schwedens Königshaus:Der Prinz aus Ockelbo

Seit Jahren sind Kronprinzessin Victoria und ein Fitnesstrainer ein Paar, nun wartet Schweden darauf, dass endlich geheiratet wird.

Gunnar Herrmann

Ockelbo, im Mai - "Daniel, Victoria, kommt her!" Lars Arkesjö spitzt die Lippen und stößt einen Laut aus, der so klingt, als würde man eine Ente würgen. Aufmerksam späht er zwischen die Bäume.

Daniel Westling, Kronprinzessin Victoria

Daniel Westling aus Ockelbo ist glücklich mit seiner Märchenprinzessin.

(Foto: Foto: dpa)

"Da sind sie!" Arkesjö wiederholt seinen Lockruf und erläutert: "Sie haben mich als Leittier akzeptiert, deshalb folgen sie mir." Dann tritt Daniel, der König des Waldes, zwischen den Fichten hervor, die schüchterne Victoria hält sich im Hintergrund, stakst schließlich wieder ins Gehölz.

Während er den Elchbullen mit einer Banane füttert, schwärmt Lars Arkesjö von Victorias grazilen Bewegungen: "Sehen Sie nur, wie sie zwischen den Bäumen verschwindet. Als würde sie von der Natur aufgesaugt."

Daniel und Victoria sind die neuesten Attraktionen im Elchpark von Ockelbo, gut 200 Kilometer nördlich von Stockholm. Und sie haben sich bereits bezahlt gemacht. Dank ihrer Namen sind die Tiere im ganzen Land bekannt. Lars Arkesjö und sein Kompagnon Hag-Hans Engstedt haben sie nach Schwedens Thronfolgerin und ihrem Lebensgefährten benannt.

Wie die meisten ihrer Landsleute warten die Elchfarmer nun gespannt darauf, dass Kronprinzessin Victoria und ihr Daniel endlich Hochzeit feiern. Seit mehr als sechs Jahren sind die beiden ein Paar.

Ihre Trauung wäre ein mediales Großereignis. Und es gibt gute Chancen, dass dann auch auf Ockelbo und Arkesjös Wildgehege ein bisschen Rampenlicht fällt. Denn Ockelbo, eine malerische Kleinstadt zwischen Seen und Wäldern, ist die Heimat von Daniel Westling. Von hier zog der heute 34-Jährige in die Welt, um erst Fitnesstrainer und nun vielleicht Prinz oder Prinzgemahl zu werden.

Die normale Königsfamilie

Aufgewachsen ist der Mann, den viele bereits als Vater eines künftigen Thronfolgers sehen, im Smältvägen. Die kleine Straße am Rand von Ockelbo wird gesäumt von hölzernen Einfamilienhäusern in Schwedenrot. Ab und an rollen schwarze Limousinen des Geheimdienstes durch das Bullerbü-Idyll, wenn Victoria ihre Schwiegereltern in spe besucht.

Als im Mai 2002 bekannt wurde, dass die Kronprinzessin sich in einen Jüngling aus der Provinz verliebt hat, sorgte das in der Boulevardpresse natürlich für Wirbel. Mittlerweile aber haben sich die Schweden mit dem Gedanken angefreundet.

Ockelbo ist eigentlich gar nicht so weit entfernt vom Leben in den Schlössern Stockholms, denn das Markenzeichen der Königsfamilie ist seit langem ihre Normalität. Die Bernadottes führen kein ausschweifendes Jet-Set-Leben, es gibt keine Affären, keine Scheidungen, keine extravaganten Hobbys. König Carl XVI. Gustav mag, was Durchschnitts-Schweden mögen: Elchjagd, Angeln, seinen Volvo.

Und Kronprinzessin Victoria mag eben Daniel, der aus einem Ort kommt, wo die Menschen Elche jagen, angeln und Volvo fahren. Die Royals - eine Familie wie die Svenssons von nebenan. Und ein Prinz aus dem Smältvägen passt nahezu perfekt in dieses Bild.

Die königliche Form der Bescheidenheit, nicht aufzufallen und sich einzufügen in die Gruppe, das sind schon typisch schwedische Verhaltensweisen. Und in Ockelbo regelrecht zelebriert. Der Ort macht sogar Werbung mit seiner Durchschnittlichkeit.

Auf der nächsten Seite: weshalb Ockelbos Schülerzeitung belagert wurde...

Der Prinz aus Ockelbo

Im Internet verspricht die Gemeinde, ihre Landschaft sei "nicht so dramatisch wie die Alpen, aber ausreichend dramatisch". Das Wasser im See sei "nicht so warm wie auf den Malediven, aber ausreichend warm", und die Bären wären "nicht so groß wie in Alaska, aber ausreichend groß". Die Schweden aber verkünden so etwas durchaus mit Stolz, denn durchschnittlich ist immer am besten. Das gilt nicht nur für den König, sondern auch für Ockelbo.

Das Büro des Bürgermeisters Magnus Jonsson zieren ein Eishockey-Schläger, ein Basketball sowie ein paar Pokale. Hier sitzt jemand, der gerne spielt und gewinnt. Und auch das ist typisch, wenn auch widersprüchlich: Egal ob es um die Fußball-EM, den Schlager-Grand-Prix oder die Herausforderungen der Globalisierung geht: Die durchschnittsbegeisterten Schweden sind zugleich begeisterte Wettbewerbsmenschen.

Ockelbo steht im Wettbewerb mit anderen Gemeinden ganz gut da, findet Bürgermeister Jonsson. Die Stadt hat eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten des Landes, der jährliche Ockelbo-Markt ist einer der größten seiner Art, und "Wij-Trägårder", der neue Park am Stadtrand, gewann im vergangenen Jahr den Preis für Schwedens beste Touristenattraktion. "Als das bekannt wurde, habe ich die Kirchenglocken läuten lassen", sagt Jonsson stolz.

Grund für die Erfolge sind laut Bürgermeister die Menschen Ockelbos, die "unglaublich kreativ" sind. Das Beispiel von Daniel Westling, der als Unternehmer in der Hauptstadt eine Kette von Fitness-Studios betreibt, sei da nur eines von vielen.

Ockelbos Schülerzeitung und der werdende Prinzgemahl

Jonsson spricht eigentlich nicht so gern über Daniel Westling, obwohl er fast gleich alt ist und ihn noch aus der Schule kennt. Der Bürgermeister will einerseits jeden Anschein vermeiden, dass seine Gemeinde Profit aus einer Liebesbeziehung schlägt.

Andererseits ist Ockelbo ein Ort, der gerade versucht, im Fremdenverkehr Fuß zu fassen. Und eine direkte Verbindung zur Krone ist da natürlich Gold wert. Jonsson kann auch nicht ganz ignorieren, dass schon zwei Elche in seiner Gemeinde nach dem königlichen Paar benannt wurden. "Unseren Touristen-Attraktionen nutzt das natürlich schon", sagt er schließlich.

Welche Anziehungskraft ein werdender Prinzgemahl ausübt, das konnte die Perslunda-Schule in Ockelbos Ortsmitte bereits im Frühjahr 2004 erleben. Damals belagerte ein Heer von Reportern die Redaktion der Schülerzeitung. Der Lehrer Ulf Gräsberg, der die Zeitung betreut, lächelt noch heute sehr zufrieden, wenn er daran zurückdenkt. "Wir mussten die Redaktionsräume mit einer Alarmanlage sichern."

Auch Ulf Gräsberg liebt Wettbewerbe. Besonders brennt sein Herz für den "Kleinen Journalistenpreis", um den jedes Jahr Schülerzeitungen aus ganz Schweden konkurrieren. In den Räumen der Zeitung En Spänn hängen gleich mehrere der begehrten Auszeichnungen. Als das Blatt in einem Jahr mal nur den dritten Preis gewann, da hat Gräsberg die Urkunde noch am Stockholmer Bahnhof in den Müll geworfen, so ehrgeizig ist er.

Für die erste Ausgabe des Jahres 2004 hatten er und seine Schüler also eine echte Sensation vorbereitet: Ein Interview mit Daniel Westling. Das hatte zu dem Zeitpunkt noch niemand bekommen. Dafür kursierten in der Presse viele Gerüchte über den neuen Freund der Kronprinzessin.

Die Weltpresse zu Besuch in Ockelbo

"Er hat ja nie was gesagt, da haben sie eben einfach Dinge erfunden", erinnert sich Gräsberg und fasst den Tenor der Artikel so zusammen: "Seine Eltern sind doch so gewöhnlich, er hat ja kein adeliges Blut in sich. Und so einer wird dann Vater unseres künftigen Königs - Hallelujah!"

Vielleicht war es Daniel Westlings Rache an den Klatschreporten, dass er das erste Interview der Schülerzeitung seiner ehemaligen Schule gab. Jedenfalls mussten alle Journalisten, von der internationalen Nachrichtenagentur bis zur Boulevardpresse, die Zeitung mit der Exklusiv-Geschichte schließlich für den Preis von "mindestens zehn Kronen" dort kaufen, wo sie immer zu haben ist: in den beiden Supermärkten von Ockelbo.

Auf diese Weise war die Weltpresse auch gezwungen, sich das Städtchen einmal genau anzusehen, über das bereits viel und nicht immer freundlich berichtet worden war.

"Ockelbo wird oft als Bauerndorf beschrieben", sagt Gräsberg und fügt gekränkt hinzu: "Dabei gibt es hier gar keine Bauern." Was man aber in Ockelbo entdecken könne, das sei innere Ruhe. "Hier kann man unter einer Eiche sitzen und über den Dorfteich gucken", schwärmt Gräsberg.

Er hofft nun, dass Kronprinzessin Victoria und ihr Daniel nach der Hochzeit ihr erstes gemeinsames Interview in En Spänn geben. Damit, sagt er, würde man bestimmt wieder den kleinen Journalistenpreis gewinnen.

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