Schweden:Königin Silvia und ihr Nazi-Vater

Neuer Imageschaden für das schwedische Königshaus: Jüngste Enthüllungen über die Nazi-Vergangenheit ihres Vaters stellen Schwedens Königin Silvia bloß.

Gunnar Herrmann, Stockholm

Walther Sommerlath, der Vater der schwedischen Königin Silvia, ist immer sehr verschwiegen gewesen, wenn es um seine Vergangenheit ging. Mindestens einmal hat er sogar gelogen: Er sei nie Mitglied der NSDAP gewesen, sagte er im Interview mit einer schwedischen Boulevardzeitung. Das war kurz vor der Hochzeit seiner Tochter mit Carl XVI. Gustaf, und es dauerte fast dreißig Jahre, bis herauskam, dass er eben doch ein Nationalsozialist war.

Schwedisches Koenigspaar in Hamburg

Geballte PR-Pleite: Kurz nachdem König Carl XVI. Gustav wegen angeblicher Kontakte zum Rotlichtmilieu in die Schlagzeilen geraten war, macht sich seine Frau Silvia mit ihrer Einstellung zur Nazivergangenheit ihres Vaters unbeliebt. 

(Foto: ddp)

In Schweden verursachte das damals einen Skandal. Und am Sonntagabend gewann diese alte Geschichte nun erneut an Fahrt. Als der Fernsehsender TV4 berichtete, dass Sommerlath 1938 in Berlin eine Fabrik übernahm, die man im Zuge der "Arisierung" zuvor ihren jüdischen Eigentümern weggenommen hatte. Für Königin Silvia ist diese Entdeckung besonders peinlich, hatte sie doch erst vor einigen Monaten die Vergangenheit des Vaters in einem Interview nach Kräften heruntergespielt.

Hinter den Enthüllungen steht erneut der Historiker Mats Deland, der bereits vor acht Jahren im Archiv Sommerlaths Karte aus der NSDAP-Mitgliederkartei ausgegraben hatte. Sommerlath war am 1. Dezember 1934 der Partei beigetreten, genauer gesagt der Auslandsorganisation in Brasilien, wo die Familie bis zum Umzug nach Berlin 1938 gewohnt hatte.

Als die Nazivergangenheit ihres Vater 2002 bekannt wurde, tat Silvia zunächst das, was der schwedische Hof in heiklen Fragen immer zu tun pflegt: sie schwieg. Erst im vergangenen Frühjahr, einige Monate vor der Hochzeit ihrer Tochter Victoria, rang sie sich schließlich dazu durch, in einem Interview über Walther Sommerlaths NS-Verbindungen zu sprechen.

Das wäre, nach achtjähriger Vorbereitung, eigentlich eine gute Gelegenheit gewesen, etwas Durchdachtes zur deutschen Geschichte zu sagen und sich mit ein paar klaren Worten von den politischen Verirrungen des Vaters zu distanzieren. Dann wäre die Sache wohl erledigt gewesen, schließlich ist Walther Sommerlath seit 20 Jahren tot, und die 1943 geborene Silvia trifft eh keine Schuld an seinen Taten.

Silvia denkt sich "psychologisch hinein"

Doch leider ging das Interview ziemlich daneben. Denn die Königin begann dort, den NSDAP-Eintritt ihres Vaters wortreich zu rechtfertigen. Er sei ja damals erst 22 oder 23 Jahre alt gewesen, meinte sie - tatsächlich war er 33 - und fuhr fort: "Man muss sich psychologisch hineindenken, wie das damals war. Deutschland erhob sich aus der Asche. Diese Freude, dass das Vaterland plötzlich wieder da ist, die machte, dass mein Vater Deutschland unterstützte und da trat er in die Partei ein. Aber er war nie politisch aktiv." Den letzten Satz wiederholte Silvia immer wieder. Und um die Harmlosigkeit des Vater zu unterstreichen fügte sie mehrfach hinzu: "Er war nie Soldat."

In der Fabrik, die ihr Vater nach 1938 in Berlin besaß, erklärte die Königin weiter, seien entgegen anderslautender Presseberichte außerdem niemals Waffen hergestellt worden, sondern bloß Gasmasken-Membrane "für den Zivilschutz".

Silvias Vater kam dank "Arisierung" an Unternehmen

Immerhin war der Auftritt zeitlich geschickt platziert. Die Empörung, die nach dem Interview in einigen Medien kurz aufkam, wurde bald vom allgemeinen Hochzeitsrauschen übertönt - die schwedische Monarchie hatte in diesem Sommer einfach andere Themen als die Sünden verstorbener Ahnen. Bei TV4 aber wollte man die Behauptungen der Königin nachprüfen und warb Mats Deland an, der schon Erfahrung mit dem Thema hatte. In Archiven in Brasilien und Deutschland suchte er nach Dokumenten - und wurde gleich mehrfach fündig.

Aus einer Registerkarte der Reichsbetriebskartei konnte er zum Beispiel ersehen, dass die Metallwaren- und Apparate-Fabrik Walther Sommerlath in der Kreuzberger Wassertorstraße 14 neben Membranen für Gasmasken auch Teile für Panzer und Luftabwehrkanonen herstellte. Und aus einem Schreiben der Industrie und Handelskammer vom Mai 1939 geht eindeutig hervor, dass Sommerlath den Betrieb, der bis 1938 "Wechsler & Hennig" hieß, nicht auf herkömmlichem Wege erworben hatte. "Es handelt sich um die mit polizeilicher Genehmigung erfolgte Arisierung des bisherigen vollkaufmännischen Betriebes", teilte die IHK mit. Gegen den neuen Firmennamen bestünden keine Bedenken.

Dass Silvia von diesen Verstrickungen ihres Vaters in die NS-Verbrechen gewusst hat, ist unwahrscheinlich. Sie selbst weigerte sich bisher, die neuen Enthüllungen zu kommentieren. Aber ihr 14 Jahre älterer Bruder Ralf Sommerlath erklärte in der Sendung, er habe seinen Vater nach dem Krieg einmal gefragt, ob die Berliner Fabrik damals einem Juden gehört habe. "Und er sagte: nein."

Jüdischer Fabrikbesitzer floh nach Brasilien

Offenbar war auch das eine Lüge. Wie Deland herausgefunden hat, gehörte das Werk in der Wassertorstraße einem Mann namens Efim Wechsler. Er floh Anfang 1939 vor dem Nazi-Terror nach Brasilien. Deland sagt, die Entdeckung dieser Umstände sei für ihn ein Wendepunkt in der Geschichte gewesen. "Da ist mir klar geworden: Hier geht es nicht nur um die politischen Einstellungen einer einzelnen Person, sondern um etwas, dass Konsequenzen auch für andere Menschen gehabt hat."

Efim Wechslers Schicksal ist Thema eines zweiten Teils der TV4-Doku "Die Wahrheit über Walther Sommerlath". Der wird aber erst am kommenden Sonntag ausgestrahlt - der Königin dürfte eine recht unangenehme Woche bevorstehen.

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