Schön doof zum Entschuldigungszwang:Lasst mal gut sein!

Schön doof zum Entschuldigungszwang: Große Aufregung um Pin-up-Figuren: Astrophysiker Matt Taylor entschuldigte sich für sein Hemd.

Große Aufregung um Pin-up-Figuren: Astrophysiker Matt Taylor entschuldigte sich für sein Hemd.

(Foto: AP)

Darf ein genialer Wissenschaftler in der Öffentlichkeit ein peinliches Hemd tragen? Die künstliche Aufregung über den Kleiderschrank des Astrophysikers Matt Taylor zeigt, wie asozial die sozialen Netze sein können.

Von Marc Felix Serrao

November 2014, ein Raumschiff nähert sich der Erde. Es kreist - dank überlegener Technik unbemerkt - um den Planeten. Die Crew will herausfinden, wer hinter Philae steckt. Das dreibeinige Objekt ist kurz zuvor auf dem Kometen "67P/Tschurjumov-Gerasimenko" gelandet und hat in extraterrestrischen Kreisen für helle Aufregung gesorgt. Ist die Menschheit gar nicht so blöd wie angenommen? Ist sie vielleicht doch würdig, in den Kreis des intelligenten Lebens aufgenommen zu werden?

Immerhin ist es ein paar von ihnen gelungen, einen mit hochempfindlichen Messinstrumenten vollgestopften Kasten 500 Millionen Kilometer weit durchs All zu steuern und nach zehn Jahren Flugzeit auf einem Klumpen aus Eis und Stein abzusetzen. Irre. Doch dann werden die Wesen aus dem All Zeuge einer Diskussion, die all ihre Vorurteile gegen die Menschen bestätigt.

"Ein kleiner Schritt für einen Mann, ein großer sexistischer Beitrag für die Menschheit." So kommentierte vergangene Woche nicht eine Twitter-Nutzerin die Landung von Philae auf dem Kometen. So kommentierten Tausende. "Danke, dass du die coole Kometenlandung ruiniert hast, Arschloch." Oder: "Ich glaube, dass der Landeapparat die Harpunen nur deshalb nicht ausgefahren hat, um sie sich für den Idioten in dem geschmacklosen Hemd aufzusparen."

Große Aufregung - aber nicht um die Sonde

Der angebliche Bösewicht ist ein Brite namens Matt Taylor. Ein tätowierter Maurersohn aus Nordlondon, der den Komiker Will Ferrell und die Band Cannibal Corpse gut findet. Wenn er nicht gerade Fotos von gegrillten Sandwiches ins Netz stellt ("Das ist der Rock 'n' Roll Scheiß"), erforscht und erklärt er - Achtung - den Weltraum.

Das tat er auch während der Landung von Philae, für die sein Team der European Space Agency verantwortlich war. Während des Fernsehauftritts trug der junge Astrophysiker ein buntes Hawaiihemd, auf dem Cartoonfrauen mit tiefen Dekolletés zu sehen waren (links im Bild). Die Aufregung war gewaltig. Sie galt nicht der Sonde.

Schön doof zum Entschuldigungszwang: Illustration: Bene Rohlmann

Illustration: Bene Rohlmann

Während die Teufelskerle um Dr. Taylor die Grenzen der Wissenschaft verrückten, kannte die Inquisition auf Twitter nur ein Thema: sein Hemd. Die Vorwürfe wurden rasch so harsch und zahlreich, dass der Forscher bei einem späteren Fernsehauftritt weinte und sich für seinen "Fehler" entschuldigte. Ein verstörender Anblick. Da sitzt dieser brillante Kerl und heult. Nicht vor Glück, wie es sich gehört hätte, sondern vor Scham. Man weint fast mit.

Hemd "New Gunner Girls" ausverkauft

Das einzig Erfreuliche an dieser Tragödie ist die Nachricht, dass Taylors Hemd inzwischen ausverkauft ist. Wer das Modell "New Gunner Girls" erwerben will, muss acht Wochen warten, heißt es beim Online-Händler Alohaland. Wer bestellt so was? Der arme Dr. Taylor ganz sicher nicht mehr.

Ein paar seiner Kritikerinnen vielleicht - um das textilgewordene Böse zu verbrennen. Der Rest? Wer den Glauben an intelligentes Leben nicht aufgeben will, kann sich ja ein Raumschiff auf dem Heimflug vorstellen. Für eine Kontaktaufnahme hat es nicht gereicht. Für eine Ladung Hawaiihemden schon.

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