Schön doof:Total ausgeliefert

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Illustration: Bene Rohlmann (Foto: Bene Rohlmann)

Der nächste Baumarkt ist weit, deswegen setzte der versierte Heimwerker Max Scharnigg beim Renovieren mal nur auf Onlinehandel. Das Ergebnis war ernüchternd.

Der nächste Baumarkt ist weit, deswegen setzte Max Scharnigg beim Renovieren mal nur auf Onlinehandel. Das Ergebnis war ernüchternd.

Arbeitseinsatz im alten Landhäuschen, tief im niederbayerischen Hügelland. Es soll winterfest gemacht, entrümpelt und repariert werden - was einem der Herbst eben so zuflüstert. Im Amazon-Warenkorb liegen dafür: Ersatz-Dachrinnenhalter, Bits für den Akkuschrauber, Dübel für morsche Wände, ein kleines Küchenregal, Spezialmüllsäcke, ein Schlüsselsafe, eine Anti-Schimmel-Dichtung, fünf Meter Textilkabel und für den Abend "The Girls" als Hörbuch. Toll. Nicht nur weil der nächste Baumarkt 75 Kilometer Landstraße bedeuten würde, sondern auch weil man bei diesem Baumarkt schon oft genug in einen tranceähnlichen Wahnzustand geraten ist und nichts gefunden hat, am wenigsten jemanden, der eine verständliche Sprache spricht.

Also, man lässt diesmal liefern, spart sich Fahrt-, Einkaufs- und Verzweiflungszeit und bekommt, was man sich vorgestellt hat. Und weil man digital mitdenkt, sind alles V ersand by Amazon-Produkte und ist das Häkchen gesetzt bei: So viele Produkte wie möglich zusammenfassen. Eine Utopie, dieses Häkchen. Man sieht vor sich, wie in einem der Logistikzentren emsig die Sachen in das bunte Renovierpaket vom Herrn Scharnigg gesammelt werden. Romantischer Blödsinn, natürlich.

Der erste Paketwagen quält sich am nächsten Tag gegen halb zehn den Kiesweg hoch, er ist von DHL und lässt drei Pakete da. Es folgen UPS (ein Paket), DPD (ein Paket), GLS (ein Paket) und dann gegen Nachmittag noch ein Amazon-eigener Auslieferer. Es ist Logistik-Slapstick - die zehn Produkte werden in acht Paketen geliefert, mit fünf Lieferdiensten. Nach dem dritten fragen die Nachbarn, ob man was Größeres plane, ein neues Woodstock vielleicht? Und nach dem fünften Wagen werden demonstrativ die Schlaglöcher ausgebessert, die beim Rangieren der LKW-Flotte entstanden sind. Geschieht uns recht - die Ökobilanz dieser Idee ist verheerend, aus der vernünftigen Absicht ein lächerliches Unterfangen geworden.

Gerade für solche Gebiete wäre die neue Versandwelt ein Segen. Aber wenn die werbewirksam schnelle Abwicklung und das computergesteuerte Chaos in den Lagern einen derart absurden Effekt haben, fühlt es sich kein bisschen fortschrittlich an. Dann lieber wieder Baumarkt-Verzweiflung, denn so ist Amazon nur unfreundlich: Zur Umwelt, zu den Nachbarn und zum Kunden selbst. Der muss nämlich jetzt doch 45 Kilometer Landstraße fahren. Zum Wertstoffhof, um ein paar Kubikmeter Karton zu entsorgen.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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