Schön Doof:Platz da

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In Mailand gibt es jetzt Anstecker für schwangere Frauen, damit man im Bus für sie aufsteht. Unser Autor würde das auch hierzulande gern einführen.

Von Christian Mayer 

In Mailand gibt es jetzt Anstecker für schwangere Frauen, damit man im Bus für sie aufsteht. Christian Mayer würde das auch hierzulande gern einführen.

Italienische Männer standen mal im etwas zwielichtigen Ruf, Kavaliere zu sein, zumindest in Anwesenheit von Damen. Inzwischen zählt der Cavaliere, ähnlich wie der Casanova, zu den ausgestorbenen Männerarten; er passt ungefähr so gut zur Gegenwart wie Silvio Berlusconi zu Angela Merkel. Gibt es überhaupt noch Männer, die Frauen die Tür aufhalten oder in den Mantel helfen? Offenbar nicht, denn in Mailand haben sie jetzt sogar einen Button für Schwangere eingeführt, die in überfüllten Bussen und Straßenbahnen bisher stehen mussten. Selbst die wuchtigsten Achtmonatsbäuche zeigten hier keine Wirkung mehr. Erfinderin des Ansteckers mit der Aufforderung "Darf ich mich setzen?" ist die Fernsehmoderatorin Francesca Barra, die gerade ihr drittes Kind erwartet.

Für ihre Aktion möchte man Frau Barra am liebsten umarmen, wäre sie nicht so schwanger. Der Steh-auf-Button ist eine grandiose Idee, schließlich kann man es als Mann im mittleren Alter sonst gar niemand mehr recht machen. Springt man zu früh auf, wenn sich eine Frau in der Öffentlichkeit nähert, steht man doch sofort im Verdacht, ein schmieriger Berlusconi-Verschnitt zu sein. Steht man gar nicht auf, könnte sich die Frau wiederum in der Auffassung bestärkt sehen, dass die Männer jegliche Anstandsregeln verlernt haben oder nur noch auf ihr Handy starren. Also: her mit dem Button.

Komplizierter ist die Sache mit dem Aufstehen bei den Senioren. Nicht nur, weil man heute gar nicht mehr weiß, wer eine graue Eminenz ist und wer ein Golden Ager, der in seiner Freizeit Marathon läuft und definitiv keinen Sitzplatz benötigt. Wo zieht man also die Grenze, bei potenziell Achtzigjährigen? Äußerst gefährlich, echte Achtzigjährige findet man heute nur noch auf Tennisplätzen, im Yogastudio oder im Karwendelgebirge, die fahren eher E-Bike statt U-Bahn. Die turbodynamischen Achtzigjährigen von heute bieten den Mittvierzigern auch gerne mal ihren Platz an, sie sehen ja sofort, wie niedergeschlagen und müde die Jüngeren sind, eigentlich bräuchten sie auch ganz dringend mal einen Anstecker.

In öffentlichen Transportmitteln der sehr höflichen Stadt Wien erklang früher diese penetrante Stimme im Lautsprecher, für "ältere und gebrechliche" Personen umgehend die Sitzbänke frei zu räumen; diese Stimme besaß die nötige Autorität, weil man vor Schreck sofort auffuhr. Das war nicht gerade eine galante Methode, aber ziemlich effektiv.

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