Schön doof:Mitgegrillt

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Illustration: Bene Rohlmann (Foto: N/A)

Die Grillsaison hat begonnen, und wer einen Grill kaufen möchte, kommt an den Geräten einer US-Firma nicht vorbei. Warum bloß, fragte sich Michael Neudecker.

Von Michael Neudecker

Ein Kollege berichtete neulich Folgendes: Er habe einmal in einem Internet-Blog kritisch über Weber-Grills geschrieben, anschließend sei er wochenlang von Weber-Grill-Fans beleidigt worden; eine unangenehme Erfahrung sei das gewesen. Daher ist nun ausdrücklich festzuhalten: Dieser Text richtet sich nicht gegen Weber-Grills. Weber-Grills sind toll, wirklich.

Es gibt auch gar keinen Grund, eine unnötige Schärfe in dieses Thema reinzubringen, es geht hier bloß um ein Ding, das im Baumarkt rumsteht. Und zwar in jedem Baumarkt, auch in jedem Kaufhaus, und wenn sie bei H&M Grills verkaufen würden, dann stünde der Weber-Grill auch da, so arrogant und selbstgefällig auf einem Podest stünde er wie überall im ganzen Land, mit einem Was-kostet-die-Welt-Preisschild, umringt von Weber-Devotionalien, Handschuhe, Holzkohlezange, Holzkohleschieber, Schutzhülle premium, Grillbürste Standard, Grillbürste Style, Dreiseitige Grillbürste, Anzündkamin, Pizzastein, Wokeinsatz undsoweiter. Und daneben läge das Buch, das allen Ernstes "Grill-Bibel" heißt. Die Grill-Bibel steht bei Amazon auf Verkaufsrang vier - aller Bücher.

Aber bitte, das ist in Ordnung. Ebenso ist nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand bereit ist, für ein rundes, zusammengeschweißtes Teil 299 Euro (im Angebot) auszugeben. Muss jeder selber wissen, was ihm seine Grillwurscht wert ist.

Nur eine Sache muss man schon mal sagen dürfen, und das ist jetzt nicht böse gemeint, liebe Weber-Grill-Fans, im Grunde ist auch das ja bloß Ausdruck der Bewunderung für die verdammt gerissene Weber-Grill-Marketing-Abteilung. Es ist ein klitzekleines bisschen blöd, dass man, wenn man als normaler Durchschnittsmensch einen normalen Durchschnittsgrill kaufen möchte, in seiner Wahlfreiheit ein klitzekleines bisschen eingeschränkt wird. Dass man sich in der Grillabteilung fühlt wie jemand, der einen VW-Bus möchte, aber dann stehen in allen Autohäusern nur Porsche Cayennes.

Wenn Grillen eine Religion ist (und das ist es ohne Zweifel), dann ist der Weber-Grill offensichtlich nicht nur das Teil, auf dem Gott höchstpersönlich seine Grillwurscht grillt. Er ist die Hostie selbst, das Ding, das jeder haben muss, damit er wirklich dazugehört. Das Kotelett Christi.

Schon klar, hin und wieder lugt das ein oder andere Grillchen schüchtern neben dem Weber-Altar zu einem rüber, und ja, irgendwas im Internet bestellen geht immer. Aber es wäre schön, wenn man einfach so die Chance bekäme, das Vorstadtgartenbild Sandkasten/Trampolin/Weber-Grill zumindest in einem Punkt zu durchkreuzen (und Sandkasten oder Trampolin weglassen, vergiss es, da machen die Kinder nicht mit). Ein wenig Freiheit, das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?

Ich habe mehr als ein Jahr lang gesucht, ich habe geflucht, geschimpft, war verzweifelt. Jetzt habe ich endlich einen Grill, und was soll ich sagen: Der Weber Bar-B-Kettle war im Angebot, und dazu gab's einen Kasten Weißbier gratis.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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