Schön doof:Herzschmerz

AirBerlin

Illustration: Bene Rohlmann

Nach der Air-Berlin-Pleite trauern viele den Schokoherzen der Fluglinie hinterher. Unsere Autorin mochte sie nie. Doch wieso ist sie dann sentimental?

Von Claudia Fromme

Wenn Dinge gehen, kommt die Sentimentalität. Capri-Sonne? Viel zu süß, aber in dem Moment, als sie in Capri-Sun umbenannt wurde, fühlten sich Millionen Menschen ihrer Kindheit beraubt. Schmeckte die Limo nicht herrlich nach Burgenbauen in Bensersiel? Ähnlich war das bei den Bazooka-Kaugummis, reine Chemie, aber die Comic-Strips in der Verpackung werden bis heute in einer Aludose verwahrt. Und Raider? Schmeckte erst, als es empörenderweise Twix heißen musste.

Nun also Air Berlin. Oder vielmehr: die Schokoherzen, die den Passagieren am Ende eines Fluges angeboten werden - noch jedenfalls. Wer die Kommentare zum drohenden Verlust der Süßware im Internet liest, hat den Eindruck, dass in der Bordküche über den Wolken mindestens der selige Chocolatier Gaston Lenôtre arbeitet, der noch im Landeanflug seine Conchiermaschine anwirft, auf dass die Stewardessen den Gästen ein mundwarmes Schokoherz in Drei-Sterne-Qualität reichen können. Ohne Herzen, so der Ton vieler Noten im Netz, hat Fliegen keinen Sinn mehr.

So ist das nicht, so war das nie. Ich habe sie abgelehnt, die Herzen. Wenn ich ehrlich bin, mochte ich sie nicht, zu süß. Auch nicht, als sie noch vom Vorgänger Deutsche BA gereicht wurden. Oder als später Air-Berlin-Chef Joachim Hunold so gar nicht herzlich im Editorial des Bordmagazins herumpolterte. Sie schmeckten übrigens auch nicht besser, als die 13 Millionen Herzen im Jahr nicht mehr von der Berliner Manufaktur Rausch, sondern von Lindt produziert wurden. Als die PR-Abteilung sie als "Geschenk in letzter Sekunde" zum Valentinstag oder Muttertag empfahl, da sie bereits Beziehungen gerettet hätten, fragte man sich, wer hier zu viel Höhenluft geatmet hat. Bekäme ich am Valentinstag ein Fluglinienherz, es wäre aus.

Doch warum tangiert einen das? Es ist immerhin ein Geschenk, und da wäre es albern, den Gastrokritiker zu geben. Aber zu einer aufrichtigen Beziehung gehört nun einmal, dass man sich auch in der Krise die Wahrheit sagt. Vielleicht ist es ja mit den Herzen ein wenig so, wie mit Capri-Sonne und Bazooka: Es geht nicht um das Ding an sich, sondern um das Leben, das damit verbunden ist. Sie mögen mir nicht geschmeckt haben, und womöglich wird mich eine andere Airline künftig komfortabler nach Hause fliegen. Doch plötzlich kann ich mich für das Herz erwärmen, nun hätte ich gern eins. Theoretisch könnte ich es bei Ebay kaufen. Mancher Kriegsgewinnler bietet es dort an, für 125 Euro das Stück.

Das ist dann wirklich herzlos.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: