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Schön doof: Illustration: Bene Rohlmann

Illustration: Bene Rohlmann

Die Kanzlerin sagt, am Berg wechsele man die Pferde nicht. Cornelius Pollmer wünscht sich deswegen ein Reformpaket für Phrasen. Eine Mammutaufgabe!

Vor der Wahl im Saarland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gebeten, die dort amtierende Ministerpräsidentin zu wählen, denn "wir sagen in Mecklenburg-Vorpommern immer: Am Berg wechselt man die Pferde nicht." Als Bürger steht man nach so einem Satz vor mehr Fragen, als es Antworten geben kann, aus Platzgründen hier nur die wichtigen: Was ist das für ein bildsprachlicher Berg, der sich da gerade vor dem Saarland aufbaut? Wie findet es die Ministerpräsidentin, mit gleich mehreren Pferden verglichen zu werden? Und wie kommen die Bewohner Mecklenburg-Vorpommerns auf gerade diese Redewendung, wo es doch in ihrem ganzen Bundesland gar keine richtigen Berge gibt?

Das nicht nur diesem Einzelfall zugrunde liegende Problem besteht darin, dass Redewendungen im Laufe der Jahrhunderte oft Opfer ihres eigenen Erfolgs werden. Je länger es sie gibt, desto zauseliger wirken sie, und schuld daran ist mal wieder der Fortschritt. So ist in der Bibel noch vom Taumelbecher die Rede, gefüllt war er mit dem heiligen Zorn Gottes und beschrieben worden ist er noch von Dietrich Bonhoeffer. Heute ist der Taumelbecher als Kelch bekannt, der an einem vorübergehen möge (eine Hoffnung, der vom Himmel insofern häufiger stattgegeben wird, als die Kirchen an Zulauf verlieren und auch in privaten Vitrinen immer weniger Kelche den Staub der ewig verrieselnden Zeit fangen). Selbst der Kelch aber ist in Gefahr, ist doch inzwischen die Furcht vor K.-o.-Tropfen im Gin Tonic eine deutlich realere. Zu diesem wiederum greift man gern, will man mal wieder "einen im Tee haben". Mit dem Tee selbst aber ist es auch schwieriger geworden - bestellt man ihn narrenhaft unspezifisch an einer der Globalhändlertheken, so fragt eine gepiercte Tattoo-Tamara nur gelangweilt zurück: Youthberry oder Emperor's Clouds?

Jugendbeere? Wolken des Eroberers? Da gilt es, heiter zu bleiben. Und sollte bei einer Kontrolle mal wieder die Frage kommen, ob man einen im Tee habe, es wäre das Beste, zu verneinen und sich der neuen Sorten zu erinnern. Wenn überhaupt, Herr Wachtmeister, so habe man, hicks, einen kleinen in den Wolken des Eroberers, verstehen Sie? Der Wachtmeister würde einen gewiss ein Stück mitnehmen und es bliebe Zeit, sich im Sinne Ernst Jüngers zu fragen, warum es im Deutschen zuweilen an "menschenwürdigen Gemeinplätzen" fehlt und wie sich die vorhandenen modernisieren ließen. Andererseits sagte schon Philipp Lahm: "Man muss auch nicht immer das Salz in der Suppe suchen."

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