Schön doof:Der Papst-Wahnsinn

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Oh Gott, diese Katholiken! Papst Franziskus macht sie alle vollkommen verrückt. Jetzt gehen ihm die Gläubigen sogar schon an an die Wäsche. Geht's noch?

Von Rudolf Neumaier

Der Papst besucht den Dom von Neapel, der dem Heiligen Gennaro geweiht ist. Auf einem englischsprachigen Youtube-Video ist der Auftritt gut dokumentiert. Der Papst ist fröhlich. In Sekunde 23 verliert er kurz das Gleichgewicht, ein feister Mann mit Stoppelhaaren und Brille reißt ihn fast um. Das Lächeln des Papstes weicht einem Gesichtsausdruck, der mit gutem Willen als "Hoppla, was ist denn jetzt passiert?" zu interpretieren ist. Wenn man ehrlich ist, sagt der Blick des Pontifex aber genau das: "Geht's noch?! Hast du sie noch alle?" Der Dicke küsst Franziskus die Hand, und wenn keine Bodyguards dabei wären, würde er ihm jetzt einen Finger abbeißen. Oder auch einen Fingernagel. Eine Reliquie vom Heiligen Vater. Subito!

Seit Johannes Paul II. gelten Päpste als Kultfiguren, so verknöchert ihre Theologie auch ist. Doch bisher hielten sich die Fans an Regeln. Sie blieben brav hinter der Absperrung, jubelten, klatschten, manche bekreuzigten sich, und wenn der ältere Herr in der weißen Soutane ein Kleinkind herzte, frohlockte die Menge wie bei einem Tor im Fußballstadion. Bei Franziskus hauen die Leute alle Hürden um. Der Pizzabäcker Enzo Cacialli drängelte sich kürzlich bis zum Papamobil vor, nur um dem Heiligen Vater eine Kostprobe seines Könnens zu überreichen. "Ich kann immer noch nicht glauben, dass er die Pizza direkt aus meinen Händen genommen hat", teilte er auf Facebook mit. Ja, geht's noch?

Zu Beginn des Youtube-Videos ist eine Szene zu sehen, die von Jan Böhmermann inszeniert sein könnte oder von Monty Python. Sie ist so bizarr, dass sie zweimal wiederholt wird. Vier neapolitanische Klosterschwestern fallen über den Papst her. Nonnen, die aufs Protokoll pfeifen! Wie diese Flitzer, die bei live übertragenen Fußballspielen nackt aufs Spielfeld rennen. Der Film hat den Titel "Starstruck nuns mob Pope Francis". Starstruck? Mit einem Wort lässt sich dieses Adjektiv nicht übersetzen, eher mit einem Satz: starstruck sind Teenies, die einen Popstar vergöttern, bei seinem Anblick komplett ausflippen und in dieser orgiastischen Hysterie manchmal in Ohnmacht fallen.

Popstars haben Sexappeal. Und der Papst? Er ist der einzige lebende Mann, den Ordensschwestern öffentlich anhimmeln dürfen. Beim Betrachten des Papstes und der vier Jungfrauen kann einem Silvio Berlusconi in den Sinn kommen - beide, Franz und der Lustgreis, werden in diesem Jahr 79. Nur hätte Berlusconi die Schwestern nicht halb so souverän abblitzen lassen wie der Pontifex.

Es wird nicht der letzte Übergriff gewesen sein. Der Panini-Verlag füttert mit papalem Klatsch das nächste starstruck Überfallkommando heran: In Deutschland monatlich, in Italien wöchentlich gibt er die Zeitschrift Mein Papst heraus. Der Verlag orientiert sich an Zielgruppen. Für Mädchen von sechs bis 17 hat er Tierbabys im Sortiment, für Jungs bietet er Batman, Bart Simpson und Superman. Dass Franziskus auch in diese Reihe passt, verdankt er seinen Fans.

© SZ vom 28.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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