Schlafforschung:Neues aus dem Bett

Warum kurze Nächte dick machen und das Leben verkürzen: In Seattle haben Schlafforscher ihre neuesten Erkenntnisse zusammengetragen.

Philipp Crone

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Zu wenig schadet dem Menschen, zu viel aber auch. Er beeinflusst Gewicht, Appetit, Lebensdauer und natürlich die Leistungsfähigkeit am Tag. Der Schlaf beschäftigt schon seit Jahrzehnten einen ganzen Forschungszweig. Seit 1987 treffen sich Wissenschaftler jährlich zum Schlafkongress "Sleep". Im amerikanischen Seattle diskutierten bis zum vergangenen Donnerstag mehr als 6500 Forscher, zum Beispiel darüber, warum Menschen zunehmen, die weniger schlafen, oder warum man nach stressigen Tagen kürzer schläft als nach ruhigen.

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Kurze Nacht, hohes Gewicht

Die Probanden hatten eine unbegrenzte Auswahl. Doch trotz eines reichhaltigen Buffets ging ihnen im Laufe des Experiments der Appetit verloren. Die 92 Männer und Frauen zwischen 22 und 45 Jahren mussten für eine Studie fünf Nächte lang mit nur vier Stunden Schlaf auskommen. 70 Prozent der Teilnehmer sagten anschließend, dass sie während dieser Zeit weniger Appetit hatten als wenn sie ausgeschlafen waren. Durchschnittlich legten die Probanden in der kurzen Zeit jedoch trotzdem um 1,31 Kilogramm Gewicht zu. Siobhan Banks von der University of South Australia erklärt ihre Ergebnisse damit, dass die Menschen bei längeren Wachzeiten mehr Zeit zum Essen hätten und zudem im Versuchslabor viel saßen, weshalb sie weniger Energie verbrauchten als sie mit der Nahrung aufnahmen.

Jürgen Zulley, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums am Universitätsklinikum Regensburg, erklärt dieses Phänomen mit dem Hormon Leptin, das sättigend wirkt. "Das wird im Schlaf ausgeschüttet und signalisiert dem Körper, dass er satt ist. Nur so schafft er es, zehn Stunden lang ohne Nahrung auszuhalten, das würde er tagsüber niemals durchhalten." Bei Personen, die weniger schlafen, wird auch weniger Leptin ausgeschüttet. "Da wird der Gang zum Kühlschrank unausweichlich." Aber auch zu viel Schlaf ist ungesund und führt zu Übergewicht. "Allerdings ist die Ursache in diesem Fall noch unklar", sagt Zulley. Manche Ärzte würden Langschläfern - dazu zählt, wer im Schnitt länger als neun Stunden schläft - zu etwas weniger Schlaf raten.

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Höhere Sterblichkeit

Wer zu wenig schläft, läuft Gefahr, früher zu sterben. "Die Deutschen schlafen im Durchschnitt von 23.04 Uhr bis 6.18 Uhr", sagt Zulley. Bei einer Einschlafdauer von 15 Minuten komme man auf sieben Stunden Nachtruhe, das sei ausreichend. Alexandros Vgontzas vom Penn State College of Medicine in Hershey beobachtete, dass für Männer, die Schlafprobleme haben und nur sechs Stunden oder weniger schlafen, die Wahrscheinlichkeit, früher zu sterben, um 20 Prozent höher liegt als bei Männern, die etwa sieben Stunden schlafen. Bei Frauen steigt diese Wahrscheinlichkeit um zehn Prozent. Vgontzas wertete Daten von 1741 Probanden aus. Die Werte wurden im amerikanischen Pennsylvania über einen Zeitraum von 14 Jahren erhoben. Ein Zusammenhang scheint plausibel, denn im Schlaf regeneriert sich auch das Immunsystem. "Die Daten von Schlafdauer und Sterberisiko korrelieren, aber einen kausalen Zusammenhang kennen wir noch nicht", sagt Zulley.

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Zu viel Fernsehen

In Deutschland sind laut einer Studie 42 Prozent der Menschen unzufrieden mit ihrem Schlaf. In den USA schlafen 40 Prozent der Menschen dauerhaft weniger als sieben Stunden pro Nacht. Dadurch steigt für sie die Wahrscheinlichkeit, früher zu sterben, ihre Aufmerksamkeit am Tag sinkt und sie sind anfälliger für Krankheiten und Fettleibigkeit.

Eine Teilschuld am zu kurzen Schlaf trägt der Fernseher, hat Mathias Basner von der University of Pennsylvania beobachtet. Statt äußerer Faktoren, wie zum Beispiel dem Zeitpunkt des Sonnenuntergangs, ist für viele das Einschalten des TV-Geräts Hauptsignal für die nahende Nachtruhe. Im Schnitt sahen die von Basner befragten 21000 Testpersonen vor dem Einschlafen knapp eine Stunde fern. Der Fernseher verführt zu weniger Schlaf, weil das Licht des Gerätes den Menschen stimuliert und man die natürlichen Müdigkeitssignale überhört, sagt Zulley. "Ein Weg zur ausreichenden Nachtruhe ist ganz einfach: früher den Fernseher ausschalten."

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Schnell und ausgeschlafen

Viel Schlaf fördert die körperliche Leistungsfähigkeit. Das zeigten Forscher um Cheri Mah von der Stanford University. Sie beobachteten Tennisspielerinnen über einen Zeitraum von zehn Wochen. Zunächst sollten die Frauen wie gewohnt etwa sieben Stunden lang schlafen, nach drei Wochen wurde ihnen für eineinhalb Monate eine längere nächtliche Bettruhe von zehn Stunden verordnet. Das Ergebnis: Sie sprinteten schneller und schlugen die Tennisbälle härter und platzierter als zuvor. Eine ähnliche Studie bei Schwimmern hatte vor einem Jahr gezeigt, dass die Sportler nach zehn Stunden Schlaf pro Nacht ebenfalls schneller schwammen.

"Die Entspannungsphase wird länger bei zehn Stunden Schlaf", sagt Zulley. Aber es sei unklar, ob der längere Schlaf oder die Ruhezeit die Leistung beeinflussen. "Denn wir kennen auch den sogenannten Luxusschlaf. Der erfüllt nicht mehr die primären Aufgaben des Schlafes wie die Verarbeitung des am Tag erlebten oder die Regeneration des Immunsystems, sondern wirkt lediglich entspannend." Schwer sei es auch, auf Dauer mehr zu schlafen als der Körper benötigt. "Denn jeder hat seinen individuellen und festen Bedarf."

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Harter Tag, kurze Nacht

"Es ist genau anders als man annehmen würde", sagt Arn Eliasson. Der Forscher vom Walter Reed Army Medical Center in Washington DC hat den Zusammenhang zwischen Tagesaktivität und Nachtruhe untersucht. Probanden trugen dafür 23 Tage lang ein Armband, das zum Beispiel die Körpertemperatur und die Bewegung der Personen aufzeichnete. Wer einen anstrengenden Tag hinter sich hatte, schlief nicht etwa länger, sondern kürzer als an ruhigeren Tagen. "Am längsten schliefen die Personen, wenn sie zuvor einen entspannten Tag hatten", sagt Eliasson. Er vermutet, dass anstrengende Tage mit Stress und hohem Kalorienverbrauch auch den Schlaf beeinträchtigen und verkürzen.

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Dicker Bauch ruht nicht gern

Je größer Bauchumfang und Body Mass Index (BMI), desto schlechter der Schlaf - zumindest bei Kindern. Edward Bixler von der University of Medicine in Hershey untersuchte 700 Kinder im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren für jeweils eine Nacht im Schlaflabor. Kinder mit einem höherem BMI-Wert schnarchten häufiger als Kinder mit einem geringeren Wert; auch traten bei schwereren Kindern häufiger Atemstörungen auf. "Übergewicht führt oft dazu, dass die Atemwege eingeengt werden und man schnarcht", sagt Zulley. Im Extremfall kann sich die Luftröhre beim Einatmen verschließen und es kommt zu einem kurzzeitigen Atemstillstand, der sogenannten Schlafapnoe. "Bisher galten vor allem große Mandeln als Risikofaktoren für Schlafstörungen", sagt Bixler, "doch es spielen wohl mehr Faktoren als bisher gedacht eine Rolle".

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Hilfe durch die Lichtbrille?

Verschiedenen Studien zufolge leiden mehr als die Hälfte aller Menschen über 65 Jahre unter chronisch gestörter Nachtruhe. Die Ursache hierfür liegt vor allem in der veränderten Wahrnehmung des Lichts im Alter. Für den Tagesrhythmus ist Licht das entscheidende Signal. "Bei älteren Menschen allerdings dringt dieser Stimulus nicht mehr so gut bis zum Gehirn vor", sagt Mariana Figueiro vom Lighting Research Center (LRC) in New York. Denn die Augen der Menschen verändern sich im Alter. Die Linsen werden steif, die Pupillen schrumpfen, so dass weniger Licht als in jungen Jahren auf der Netzhaut registriert wird. So kommt der von hellen und dunklen Abschnitten bestimmte Tagesrhythmus durcheinander, "und der muss immer wieder geeicht werden", sagt Zulley. Durch die physiologischen Veränderungen und die Tendenz, seltener aus dem Haus zu gehen, ist der Biorhythmus bei älteren Menschen weniger ausgeprägt - die Menschen schlafen schlechter.

Figueiro hat eine Brille entwickelt, an deren Bügel blaue Lampen integriert sind, die die Augen des Trägers beleuchten. Probanden zwischen 51 und 80 Jahren trugen diese Brillen nachts. Die Konzentration des Hormons Melatonin, das den Schlaf fördert und in der Nacht gebildet wird, wurde auf diese Weise bei den Probanden unterdrückt. Das deutet darauf hin, dass der Biorhythmus durch das Licht stimuliert wird. So könnte die Brille, wenn sie zu bestimmten Zeiten getragen wird, den Tag-Nacht-Rhythmus stabilisieren.

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(SZ vom 16.06.2009/mmk)

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