Schicksal von TV-Laiendarstellern:Bauernopfer

Eine Kuppelshow für Landwirte hat aus dem Bauern Josef und der gebürtigen Thailänderin Narumol kleine Berühmtheiten gemacht. Doch der TV-Ruhm hat auch Schattenseiten. Der Heimatort des skurrilen Paares ist zur Gaffermeile geworden - und das Dorf lästert über die "Stars" von nebenan. Ein Besuch.

Frederik Obermaier, Aiglsham

Wenn ein Auto wieder einmal ganz langsam durch Aiglsham rollt, dann weiß Anita Dumpler schon, was zu tun ist. Die 62-Jährige holt die Autogrammkarten aus dem Wandschrank, stellt Kaffeetassen auf den Tisch und sagt ihrem Mann, dem Sepp, dass er sich was anziehen soll. Gleich müssen sie Besuchern wieder von ihrem Nachbarn erzählen. Vom Josef. Dem aus Bauer sucht Frau.

Schicksal von TV-Laiendarstellern: Happy End einer TV-Romanze: Im Juli 2011 kam die gemeinsame Tochter von Bauer Josef und Ehefrau Narumol zur Welt.

Happy End einer TV-Romanze: Im Juli 2011 kam die gemeinsame Tochter von Bauer Josef und Ehefrau Narumol zur Welt.

Seit 2005 läuft die Kuppelshow im Fernsehen, durchschnittlich acht Millionen sehen zu, wenn einsame Landwirte die große Liebe suchen. Josef hat sie in der fünften Staffel gefunden. Er und seine Ehefrau Narumol sind zu Berühmtheiten geworden, wenn auch nur beim Publikum von RTL und der Bild-Stammleserschaft.

Eine Sondersendung zur Geburt der Tochter

Seither ist im oberbayerischen Aiglsham nichts mehr so, wie es war. Der Dreiseithof von Dumplers Nachbar Josef ist zur Pilgerstätte geworden. An einem einzigen Wochenende, so erzählen einige Dorfbewohner hier, fahren so viele Autos durch den 60-Einwohner-Weiler wie vor Bauer sucht Frau nicht mal in einem Monat.

Aus ganz Deutschland kommen die Fans hierher" sagt Anita Dumpler, "das letzte Mal ist erst wieder eine Familie aus Ostfriesland beim Josef in der Küche gesessen". Alle wollen sie den "frommen Milchbauern aus dem Chiemgau", und Narumol, die "fröhliche Thailänderin", sehen.

Mit der Presse sprechen die beiden jedoch nur selten. "Wir haben einen Exklusivvertrag mit RTL", sagt Josef am Telefon. Im Juli 2010 hat der 50-Jährige seine Narumol geheiratet, ein Jahr später kam nun die gemeinsame Tochter Jorafina auf die Welt, die Sondersendung zur Geburt strahlt RTL an diesem Sonntag aus.

Die interessierte Öffentlichkeit ist also gut informiert über das sogenannte Kultpaar. Der geneigte Leser weiß bereits aus der Bild, dass Narumol im Traum ein Engel erschienen ist, der ihr den Namen "Jorafina" einflüsterte und er weiß auch, dass das Baby "kleine Mandeläuglein und schwarze Haar-Flusen" hat, bei der Geburt 51 Zentimeter groß war und 3100 Gramm wog.

"Der ist ja jetzt ein Star"

Josefs Nachbarn blättern mittlerweile einfach in den Boulevardzeitungen und Klatschmagazinen, wenn sie wissen wollen, wie es dem Baby so geht. "Dass die Narumol schwanger ist, davon habe ich überhaupt erst aus der Zeitung erfahren", sagt eine Frau aus Aiglsham, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Wenn die Frau in ihrem Garten sitzt, kann sie den Misthaufen des berühmten Nachbarn riechen, besucht hat sie ihn aber schon lang nicht mehr. "Der ist ja jetzt ein Star."

Ein Dorf, noch dazu wenn es so klein ist wie Aiglsham, hat viele schöne Seiten: Jeder kennt jeden, man duzt sich, geht gemeinsam zum Gottesdienst. Es ist der familiäre Gegenentwurf zur anonymen Großstadt. Wird einer aus dem Dorf aber plötzlich berühmt, hat Fans und wird von Reportern umgarnt, kann sich das schnell ändern. Auf einmal überschattet Missgunst das Idyll.

Josef und Narumol erleben gerade diese Kehrseite vom Landleben. Einige Nachbarn sprechen nicht mehr mit ihnen und wenn doch, spekulieren sie danach, was der Josef wohl so verdient, wenn mal wieder ein Kamerateam filmt, wie er seine Kühe melkt.

Elf Landwirte und eine Bäuerin hatten zusammen mit Josef in der RTL-Kuppelshow Zuneigung gesucht. Da war der Holzbauer Maurizio, von dem sich später herausstellte, dass er eigentlich gar kein Bauer ist. Dann gab es da noch den Nordfriesen Clausen, der eigentlich gar nicht Single war, trotzdem aber mit einer Kosmetikerin flirtete. Im echten Leben soll die allerdings Prostituierte gewesen sein. Interessiert hat das aber nur noch wenige. Die Bauern aus Staffel Nummer fünf sind längst vergessen, längst läuft Nummer sieben.

Im Gedächtnis der Zuschauer blieben nur Josef und Narumol.

"Die ist einfach cool"

Wegen ihnen stehen jetzt auch Babsi und Thomas vor dem Hof mit der Hausnummer fünf. Sie sind extra aus Dessau gekommen, Pralinen haben sie dabei. "Zur Geburt". Nur zu klingeln trauen sie sich nicht. "Wir mögen die beiden ja nicht stören." Also warten Babsi und Thomas eben. "Die ist einfach cool", sagt Babsi über Narumol. Dass die gebürtige Thailänderin damals in der Sendung gesagt habe, sie sei "fick und fertig" statt "fix und fertig", "da breche ich heute noch ab." Und genau deswegen sind Babsi und Thomas auch einfach mal 500 Kilometer weit nach Oberbayern gefahren.

Das Ortsschild von Aiglsham hatte RTL in seiner Sendung stets verpixelt, den Namen des nächsten Lokalbahnhofs ebenso, auch den Nachnamen vom Josef nannte der Sender nicht. Herausgefunden haben ihn trotzdem viele. "In dem Internet steht ja alles drin", sagt Anita Dumpler und stellt Kuchen auf den Tisch.

Für die Zuschauer ist es einfach ein Riesenspaß

Seit Jahren schon kümmert sich die Nachbarin um den Landwirt, hilft ihm bei der Wäsche, bringt ihm Essen. Jetzt ist sie eine Art inoffizielle Fanbeauftragte vom Josef - von dem Mann, der eigentlich keine Fans, sondern nur eine Frau wollte, eine, "die sauber daherkommt", wie er damals sagte. Dumpler bekommt dafür kein Geld, nur Karten für eine Fernsehshow sind schon mal abgefallen.

"Der Josef hat die Sendung ja gar nicht gekannt, er hat ja auch gar keinen Fernseher", erzählt Dumpler. Bei RTL beworben hätten sich Freunde für ihn. "Er hat davor nie eine Freundin gehabt", sagt sie. Dumpler weiß inzwischen, was die Leute hören wollen, weiß, dass sie Hochdeutsch sprechen muss - oder zumindest das, was sie dafür hält, damit die Leute sie verstehen. "Seine erste Jeans hab ich mit ihm gekauft."

Auch das mit dem Kinderwunsch hätte sie vorher mit dem Josef besprochen. In Folge sechs hat sich der Landwirt getraut: "Kannst du dir vorstellen, ein Kind mit mir zu kriegen?", fragte er Narumol. "Ja, wenn du das schaffst", antwortete sie. Für Josef war das eine ernste Sache. Für die Zuschauer einfach ein Riesenspaß.

Josef und Narumol sind die Quotenbringer für RTL. Noch jedenfalls. Was aber bleibt, wenn die Kamerateams irgendwann weg sind? Schon jetzt tuscheln die Bauern im Ort, warum der Josef das Heu heuer so spät vom Feld holt. Und beim Wirt in der nächstgrößeren Ortschaft lachen die Männer über Narumol, das "Weiberleit aus dem Katalog". Sie überbieten sich mit derben Scherzen über "die Thailänderinnen", deren sexuelle Vorlieben und Vorzüge. Und dann gibt es auch noch die Chiemgauer, die einfach ein kleines bisschen vom Ruhm ihres Nachbarn abhaben wollen.

Josef und Narumol haben mitgespielt

Die Trachtenverkäuferin aus dem Nachbarort etwa wirbt im Schaufenster mit einem Foto von Josef und Narumol. Und Anita Dumpler macht, was eine Fanbetreuerin eben macht. Sie führt Fans durch die kleine Kapelle, in der sich Josef und Narumol verlobt haben, erklärt, warum der Josef heute keine Zeit hat und zeigt dann zur Entschädigung ihre Autogrammkarten-Sammlung. Sie erzählt dann, wie die Buddhistin Narumol zur Christin wurde und wie sie mit Narumol die alte Wohnung in Kiel ausgeräumt und die Sachen nach Aiglsham gebracht hat. "956 Kilometer waren das."

Und wenn die Zuhörer besonders nett sind, den Kuchen loben, sich vielleicht noch anhören, warum Anita Dumpler und ihr Mann die Milchwirtschaft aufgeben mussten, dann erzählt sie von Jenny, Narumols Tochter aus erster Ehe, die nun auch in Aiglsham wohnt. Und von der süßen Jorafina, die "mit geplantem Kaiserschnitt zur Welt gekommen ist". RTL war dabei, auch als die Dumplers einen Holzstorch vor den Hof stellten.

Josef und Narumol haben mitgespielt, dabei hätten sie am liebsten schon lange ihre Ruhe vor den Fernsehleuten, erzählt Anita Dumpler. RTL rufe aber immer wieder an; und dann könne der Josef halt nie Nein sagen.

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