Sandkünstlerin:"Es war, als würde der Sand zu mir sprechen"

Sie malt mit den Fingern Geschichten in den Sand. Und Zuschauer können sie dabei beobachten. Eine Berliner Künstlerin erzählt von ihrer Arbeit im Sandtheater.

Interview von Alexa Hennig v. Lange

Sandkünstlerin: Feiner Sand rieselt auf eine angeleuchtete Glasscheibe. Finger malen damit ein Bild, verändern es: So wird aus einem Gesicht eine Landschaft, Haare verwandeln sich in Schleierwolken, und eine Geschichte aus Tausenden Körnchen läuft wie ein Film vor den Zuschauern ab. (Zum Video auf Vimeo)

Feiner Sand rieselt auf eine angeleuchtete Glasscheibe. Finger malen damit ein Bild, verändern es: So wird aus einem Gesicht eine Landschaft, Haare verwandeln sich in Schleierwolken, und eine Geschichte aus Tausenden Körnchen läuft wie ein Film vor den Zuschauern ab. (Zum Video auf Vimeo)

SZ: Wie wurden Sie Sandartistin?

Alla Denisova: Ich saß bei meiner Familie zu Hause und habe mir eine Talentshow angesehen. Um mich herum haben alle irgendwas gemacht: aufgeräumt, gekocht. Dann trat eine Sandartistin bei dieser Show auf und malte mit eigenartig schwebenden Handbewegungen Sandbilder auf eine beleuchtete Scheibe: Menschen, Tiere, Pflanzen. Zur Musik flossen alle Formen ineinander, sodass ein ganzer Film entstand.

Und dann?

Mit einem Mal versammelte sich meine ganze Familie um mich herum. Wie gebannt starrten wir alle auf den Fernseher. Es war unglaublich schön und sehr emotional.

Da haben Sie beschlossen, Sie wollen Sandartistin werden?

Nicht in dem Augenblick. Erst nachdem ich nicht mehr aufhören konnte, an Sand zu denken, und sogar nachts davon geträumt habe. Es war, als würde der Sand zu mir sprechen.

Wie ein Freund?

Genau. Der Sand hat mich vollkommen in seinen Bann gezogen. Ich komme aus der Ukraine. Aus Odessa, das liegt direkt am Schwarzen Meer. Was sehr praktisch für mich war, denn ich konnte immer zum Strand hinunterlaufen und mir Sand holen. Auf dem Weg durch die Straßen fand ich auch noch ein altes Fenster. Das nahm ich mit und stellte zu Hause eine Lampe darunter.

Dann haben Sie geübt, auf der Scheibe mit Sand zu malen ...

... was gar nicht geklappt hat! Der Sand war viel zu schwer. Er klatschte in Haufen aus meiner Hand auf die Scheibe. Ich war total frustriert! Denn eigentlich kann ich recht gut malen. Ich habe Malerei studiert. Aber Malen mit Sand ist ganz anders: Du hast keine Pinsel, du malst mit den Bewegungen deiner Hand. Und natürlich ist der richtige Sand wichtig.

Wie haben Sie den gefunden?

Das hat gedauert. Zuerst habe ich versucht, den Sand in der Kaffeemühle meiner Mutter zu mahlen. Meine Mutter weiß bis heute nicht, warum ihre Mühle plötzlich kaputt war!

Es hat also nicht geklappt?

Leider. Also habe ich mich auf die Suche nach dem richtigen Sand gemacht. Von überall her brachten mir Freunde aus dem Urlaub Sand mit. Nichts hat funktioniert. Bis ich schließlich bei meiner damaligen Arbeit in einer Glasmalerei den richtigen Sand gefunden habe.

Was ist das Besondere daran?

Dort wird Quarzsand benutzt, um die Scheiben zu schleifen. Der ist fein und rieselt ganz zart. Damals war ich wie besessen, das Malen mit Sand perfekt hinzubekommen.

Sandkünstlerin: Die Berliner Sandkünstlerin Alla Denisova in ihrem Element.

Die Berliner Sandkünstlerin Alla Denisova in ihrem Element.

Heute malen Sie in Ihren Shows mit Sand spannende Geschichten.

Das ist wirklich nicht leicht. Es bedarf sehr viel Übung. Damals bin ich um fünf Uhr morgens aufgestanden, um noch vor der Arbeit zu üben - und dann abends wieder, bis spät in die Nacht.

Sie haben sich alles selbst beigebracht?

Vieles. Später, als ich dann sicher war, dass ich tatsächlich als Sandartistin arbeiten möchte, habe ich noch ein paar Workshops besucht, um Techniken zu erlernen.

Können Sie alles malen?

Im Grunde ja. Dass ich Malerei studiert habe, hilft natürlich. Dennoch ist es immer wieder spannend, mir zu überlegen, wie ich einzelne Bilder zusammenfügen kann, sodass sie am Ende wie ein Film wirken. Gerade arbeite ich an dem Märchen "Die Schöne und das Biest".

Sie entwickeln Ihre Shows selbst?

Ja. Dafür lese ich viel. Sehe mir Bilder an, durchforste das Internet. Aber auch für Hochzeitspaare erzähle ich auf ihrer Feier noch einmal ihre persönliche Geschichte nach. Dann müssen alle immer weinen.

Weil die Sandbilder und die Erinnerungen flüchtig sind?

Ja, das berührt die Menschen sehr. Aber von meiner Sandgeschichte bekommt das Brautpaar zumindest hinterher ein Video und kann es sich immer wieder ansehen.

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