Salmonellen-Infektionen:Der unfassbare Keim

Seit mehr als drei Wochen rätseln Experten über die Auslöser der Fuldaer Salmonellen-Infektionen - bislang ohne Erfolg. Die Epidemie zeigt, wie hartnäckig Bakterien sein können.

Werner Bartens

Plötzlich wurden etliche der Zuschauer krank. Eben noch hatten sie den Radfahrern der Deutschland-Tour 2005 zugejubelt und an einem der vielen Imbiss-Stände etwas gegessen - dann setzten Übelkeit, Bauchschmerzen und Durchfall ein.

Salmonellen-Infektionen: Heerscharen von Spzezialisten sind in Fulda beschäftigt.

Heerscharen von Spzezialisten sind in Fulda beschäftigt.

(Foto: Foto: dpa)

Ein paar Wochen später waren niedersächsische Wahlhelfer betroffen, nachdem sie sich erschöpft vom Bundestagswahlkampf 2005 an einer Imbissbude gestärkt hatten.

Im vergangenen Jahr traf es Nordrhein-Westfalen. Nach dem Besuch einer Eisdiele mussten 171Menschen mit heftigen Magen-Darm-Beschwerden behandelt werden. Ebenfalls 2006 waren 144Kinder in Berliner Kindertagesstätten betroffen, die von der selben Großküche beliefert wurden. Der Grund war jedes Mal der gleiche: eine Infektion mit Salmonellen.

Derzeit herrscht in Fulda der Ausnahmezustand, weil bei 261 Menschen in der osthessischen Stadt eine Infektion mit den Bakterien nachgewiesen wurde. Kranke wollen nicht mehr in das Städtische Klinikum, das als Herd der Epidemie gilt. Operationen werden verschoben, die Krankenhausküche ist seit Tagen geschlossen.

"Noch ein oder zwei Tage"

Mindestens zwei Menschen sind wohl an der Salmonellose gestorben. Ein weiterer Mensch starb an den Komplikationen einer Operation, die nach der Infektion nötig war. "Wir sind seit Tagen mit Heerscharen von Spezialisten mit den epidemiologischen Untersuchungen beschäftigt", sagt Stefan Kortym, Leiter des Gesundheitsamtes Fulda. "Ein oder zwei Tage brauchen wir aber noch, um Gewissheit über die Infektionswege zu haben."

Die Erkrankung kam in zwei Wellen über das Klinikum Fulda und ein Seniorenheim, das aus derselben Küche versorgt wird - die erste Häufung fand um den 28. April herum statt, die zweite um den 14. Mai. "Es handelt sich nicht um einen einmaligen Infektionsausbruch wie er typisch ist, wenn etwa kontaminierter Kartoffelsalat beim Grillfest gegessen wird", sagt Kortym. Die Ärzte und Wissenschaftler vor Ort vermuten vielmehr, dass zwei verschiedene Arten von Lebensmitteln mit den Salmonellen verseucht und weitergereicht worden sind.

"Zu 99 Prozent wissen wir jetzt, welche Lebensmittel betroffen waren", sagt Kortym. Bisher gebe es zwar keine Hinweise, dass Rohstoffe wie Eier, Fleisch oder andere Nahrungsmittel infiziert gewesen seien. Wahrscheinlicher sei, dass jemand, der nur leicht erkrankt war, die Salmonellen durch mangelnde Hygiene auf die Lebensmittel in der Klinikküche übertragen haben könnte.

Die andere Möglichkeit ist, dass ein "gesunder Ausscheider", also jemand, der nicht bemerkt hat, dass er infiziert ist, die Erkrankungswellen ausgelöst hat. Sechs Wochen lang, in seltenen Fällen sogar bis zu sechs Monate lang, können gesunde Infizierte Keime ausscheiden. "Wir haben das Klinikpersonal genau unter die Lupe genommen", sagt Kortym.

Der unfassbare Keim

Um die Infektionswege zu klären, sind Spezialisten aus ganz Deutschland nach Fulda gekommen. Das hessische Landesuntersuchungs- und Prüfungsamt im Gesundheitswesen aus Dillenburg hat ebenso Experten geschickt wie das Robert-Koch-Institut (RKI) aus Berlin.

"Die Behörden vor Ort haben den Hut auf", sagt Susanne Glasmacher vom RKI. "Sie werden aber von unseren Leuten unterstützt." Begrenzte Ausbrüche der Salmonellose registriert das RKI als bundesweite Zentralstelle zur Krankheitsüberwachung jedes Jahr.

2006 wurden beim RKI deutschlandweit 52.575 Erkrankungen und 47 Todesfälle gemeldet. Im Jahr 2005 waren es 52.267 Erkrankungen. In Hessen gab es vor der Epidemie in Fulda keine besonderen Auffälligkeiten. 2006 erkrankten dort von Januar bis Ende April 549 Menschen an Salmonellose, in diesem Jahr waren es im Vergleichszeitraum 702.

Kein Hinweis auf Sabotage

Gefährlich wird der massive Durchfall und der damit einhergehende Flüssigkeitsverlust im Verlauf einer Salmonellose vor allem für alte Menschen, Säuglinge und Personen mit geschwächtem Abwehrsystem. Sie können an den Folgen sterben.

Dass Salmonellen immer wieder Epidemien auslösen, liegt daran, dass die Bakterien fast überall im Essen lauern können. Besonders häufig sind sie in Eiern und Geflügelprodukten - 2005 gab es allerdings auch einen größeren Ausbruch nach dem Verzehr von rohem Schweinefleisch.

Manchmal erfolgt die Übertragung in der Küche von Lebensmittel zu Lebensmittel, etwa wenn infiziertes Geflügel aufgetaut wird. Im Fleisch, das anschließend erhitzt wird, mögen die Erreger zwar abgetötet sein - mit dem Tauwasser können Bakterien jedoch auf andere Lebensmittel übertragen werden.

Salmonellen sind ziemlich widerstandsfähig: Bei Zimmertemperatur überleben sie monatelang auf Lebensmitteln oder in der Umwelt. Durch Einfrieren werden sie nicht abgetötet, und auch beim Erhitzen braucht man Zeit - bei 75 Grad Celsius reichen zehn Minuten, bei 55 Grad Celsius sterben die Bakterien erst nach einer Stunde ab. Infektionen nach dem Genuss von Speisen mit rohem Ei - etwa Mousse au chocolat, Eis, Tiramisu oder Mayonnaise - kommen besonders häufig vor.

Da Salmonellen so lange überleben können, nimmt der Nachweis der Infektionsquelle manchmal viel Zeit in Anspruch. Zudem können die Keime nicht nur in verschiedenen Nahrungsmitteln vorkommen, sondern auch von Mensch zu Mensch und von Tieren auf Menschen übertragen werden. Besonders schwierig ist die Suche nach den Erregern auch deshalb, weil gesund erscheinende Menschen die Keime mit ihren Ausscheidungen übertragen können.

Obwohl die Fuldaer Ermittlungen offenbar kurz vor dem Abschluss stehen, wird Kritik an dem dortigen Vorgehen laut. "Es kann nicht sein, dass nahezu vier Wochen lang eine Lebensmittelinfektion in einer Klinik besteht, der man nicht auf die Spur kommt", sagt Klaus-Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. "Wenn man alles getestet und untersucht und nichts gefunden hat, bleibt als letzte denkbare Möglichkeit die Sabotage eines ehemaligen Mitarbeiters, der sich rächen will."

Stefan Kortym vom Gesundheitsamt Fulda hat jedoch ,,keine Anhaltspunkte'' dafür, dass jemand absichtlich das Essen mit den Bakterien infiziert haben könnte.

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