Sack Reis:Sentimentaler Hefekloß

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Wenn Wörter aus fremden Sprachen Eingang ins Chinesische finden, haben sie es nicht ganz leicht: Fremdwörter werden einfach in die vorhandenen 400 chinesischen Silben gepresst und dabei brechen sie sich dann den einen oder anderen Knochen.

Von Kai Strittmatter

Beim letzten Mal besprachen wir jene leicht ins Überspannte spielende Aufwallung, welche sich bei geschlechtsreifen Chinesen nicht anders als bei uns bisweilen darin äußert, dass auch ihnen ganz "luo-man-ti-ke" zumute wird, also ganz romantisch. Dass sich die Romantik nach erfolgter Einbürgerung ins Chinesische als Lehnwort zumindest für westliche Ohren nicht mehr ganz so empfindsam, vielleicht eher ein wenig kitzelig anhört, liegt an einer Eigenart der Sprache: Das Chinesische begnügt sich in der Aussprache mit knapp 400 Silben zur Beschreibung des gesamten Weltmobiliars. Fremde Wörter werden also in die vorhandenen 400 Förmchen gepresst und brechen sich naturgemäß den einen oder anderen Knochen.

Besonders augenscheinlich ist das bei Namen. Die meisten Ausländer, die in China leben, legen sich einen chinesischen Namen zu. Wenn sie klug sind, dann erfinden sie sich mit Hilfe eines Freundes ganz neu, und wählen einen Namen, der aus der Tiefe der chinesischen Poesie schöpft und am Ende chinesisch klingt, völlig wurscht, ob daraus noch der Ursprungsname erkenntlich ist. Meiner zum Beispiel ist Ma Kai, wobei es der Zufall will, dass mein Vorname, Kai, als Silbe exakt so auch im Chinesischen existiert. Mein Lehrer wählte für mich dann jenes Kai, das "Triumph" bedeutet, und balancierte es mit einem "Pferd" (Ma) als Nachnamen aus.

Für die Namen von westlichen Staatsführern, Künstlern und sonstigen Promis, die hier in die Zeitung müssen, ist das im Normalfall keine Option. Da wird dann Merkel zu Mo-ke-er, Hillary zu Xi-la-li und Schweinsteiger zu Shi-wei-yin-si-tai-ge-er, und als ich neulich eine Vernissage besuchte, da erstickte die Übersetzerin beinahe an dem dreifachen Knoten, zu dem sich ihre Zunge im Kampf mit dem Silbendrachen Wei-er-de-li-xi-feng-sha-er-bo verschlungen hatte. Wobei schon das Original - Wilderich Graf von Schall-Riaucour - selbst den deutschen Gästen einiges an Konzentration abverlangte. Solch phonetische Verrumpelung ihrer Namen bleibt nur den wenigsten erspart. Elvis Presley ist eine solche Ausnahme: Ihn taufte die chinesische Welt einst auf "mao wang", König der Katzen. Auch Bastian Schweinsteiger widerfährt bisweilen solche Ehre, nämlich immer dann, wenn auch Chinas Fußballmoderatoren dem Publikum die Koseform ("Schweini") servieren wollen. Sie nennen ihn dann schlicht "Xiao zhu", Ferkel. Im linguistischen Hüftschwung nicht ganz der Katzenkönig, aber immerhin.

Ganz selten gelingt ein Glückstreffer, bei dem die Ähnlichkeit der Laute und poetische Sinngebung miteinander verschmelzen. Marilyn Monroe zum Beispiel sah sich mit "Meng-lu" übersetzt, das heißt "Traum-Tau". Die "Hacker" fanden als "hei-ke" (schwarze Gäste) Eingang ins Chinesische. Meist aber genügt das phonetische Echo, die Schriftzeichen hinter den Lehnwörtern sollen bewusst bar jeder Bedeutung sein. Egal ob bei "ku" (cool) oder bei "mo-deng" (modern), beim "na cui" (Nazi) oder beim "xi-pi" (Hippi), beim "bi-ji-ni" (Bikini) oder bei der "pi-sa" (Pizza). In manchen Fällen ist die Sinngebung das dadaistische Wortspiel einer sarkastischen Jugend. Shanghaier Freunden von mir gefiel es, den rührseligen Vetter des Romantischen, also das Wort "sentimental", mit "suan-de-man-tou" wiederzugeben. Das lässt sich zurückübersetzen als "saures gedämpftes Hefebrötchen", und passt bei genauem Hinsehen sehr gut.

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