Sack Reis:Liebling der Partei

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Schon wieder Besuch vom Panda! Warum auch nicht? Schließlich fühlt sich die Partei diesem Tier aufs Innigste verbunden und möchte schrecklich gern genauso sein wie er. Aber was soll das eigentlich genau bedeuten? Fragt sich auch der Panda.

Von Kai Strittmatter

Eben aufgewacht. Kurz die Weltlage gecheckt. Auf dem englischsprachigen Twitterkonto der Volkszeitung. Größte Zeitung Chinas. "Kehle und Zunge der Partei". Wer wissen will, wie die KP denkt, muss Volkszeitung lesen. Diese Postings gefunden, jeweils begleitet von kleinen Filmchen:

"Let's boogie". Man sieht einen Panda beim Poledancing.

"Gimme five". Pandababy gibt Fünf.

Panda wird massiert. Panda gähnt. Panda niest. Panda macht Sit-ups.

"Glaubst du mir jetzt?" Eine Stimme von hinten. Der Panda auf meinem Sofa ist wieder da. Der, der mir von den geheimen Stollen unter Sichuans Bergen erzählte. Wo Propagandakader im Akkord Pandavideos aus dem Flöz schlagen. Gequält deutet er auf den Bildschirm. Dort rollt sich ein Panda zum Ball zusammen und kugelt den Hügel hinunter. "Süßer wird's nicht!", tweetet die Volkszeitung zum Filmchen. Aha. So also denkt die Partei.

Doch, doch: Inmitten des Pandamoniums finden sich auch Tweets zum Staatsbesuch in Kambodscha. Zu Chinas bemannter Raumfahrt. Zu einem Otter, der sich mit beiden Flossen auf den Bauch trommelt. Zu einem Wimmelbild mit Häschen. "Finde den Panda!", steht drüber. Schwieriger wäre: "Finde was anderes als den Panda". In den sozialen Medien ist "People's Daily" schon lange "Panda Daily". Die Botschaft an die Welt? China ist süß. Friedlich. Unbedrohlich.

Chinas KP sieht sich dem Panda aufs Innigste verbunden. Weniger, weil er tollpatschig und fürs Überleben nur bedingt geeignet ist. Sie wäre gerne so niedlich wie er. Der Panda ist ihre Wunderwaffe. Softpower schwarz-weiß. Eine relativ neue Erfindung übrigens, dieser Panda. Es ist noch gar nicht lange her, da nannten sich die Chinesen stolz "Nachfahren des Drachen". Der Drache war das Kaisertier, stand für Fruchtbarkeit, Macht und Reichtum. Dann kam das Jahr 2006, und mit ihm eine erbitterte, landesweite Debatte darüber, ob man sich den Drachen als Symbol noch leisten könne: Weil man gemerkt hatte, dass er im Westen ganz anders besetzt war. "Drachen im Westen sind böse, grausame Monster", hieß es in einem Papier einer Universität in Guangzhou von 2006. Die Menschen im Westen fürchteten sich vor Drachen, "und wenn einer auftaucht, dann wollen sie ihn töten." Nicht die besten Voraussetzungen für einen geschmeidigen Wiederaufstieg des chinesischen Drachens. Um "die Liebe unseres Volkes zu Harmonie und Frieden" herauszustellen, schlug Professor Zeng Lingcai vor, solle man in Zukunft das chinesische Wort Long nicht mehr als "Drachen" übersetzen - sondern einfach die chinesische Aussprache im Westen einbürgern: also in Zukunft weltweit "Long" sagen statt "Drache" oder "dragon". "So wie es auch mit den Wörtern 'Tofu' und 'Kungfu' gelungen ist", heißt es in dem Papier.

Die Idee mit dem Tofu-Drachen war am Ende ein Rohrkrepierer. Dafür bekamen wir den Panda. Selbst in der Kung-Fu-Variante weise, freundlich und friedliebend. Botschafter der KP und Bote der weltweit voranschreitenden Infantilisierung. Weniger der stolze Bruder der Wappentiere Löwe oder Adler. Eher eines aus der Riege lila Kuh (Schweiz) und Xoloitzcuintli, das ist das Nationalhündchen Mexikos.

Ein letzter Blick auf den Bildschirm. Panda trägt Strohhut. Panda badet. Panda isst Eis am Stil. Der Kommentar eines Lesers: "Mit Pandas wird alles besser." Panda grinst. Partei lacht sich ins Fäustchen.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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