Reinhold Messner und der Nanga Parbat:Die Reinwaschung

Zwei Brüder steigen auf einen Berg, doch nur einer kommt zurück. Das ist die Geschichte des neuen Vilsmaier-Films. Und noch viel mehr.

Renate Meinhof

Es soll ganz großes Kino werden, die Tragödie schlechthin. Ein Drama am Achttausender. Zwei Brüder wollen einen Berg bezwingen. Der eine schafft es und überlebt, der andere schafft es nicht und stirbt. Wie lebt der Lebende weiter?

Reinhold Messner und der Nanga Parbat: Reinhold Messner und Joseph Vilsmaier.

Reinhold Messner und Joseph Vilsmaier.

(Foto: Foto: dpa)

Reinhold Messner posiert vor einer Fotowand vom Nanga Parbat im BMW-Salon am Kurfürstendamm. "Hey, Reinhold, geh' mal in die Hocke!", brüllen die Fotografen. Reinhold geht in die Hocke. "Mach mal die Arme auseinander, Reinhold, und lächeln!". Reinhold breitet die Arme aus und lächelt. Sein Lächeln sagt: Ich bin ruhig. Ich bin gelassen. Der Berg dahinter, so kalt und weiß, ist es auch.

Joseph Vilsmaier und Reinhold Messner präsentieren ihr Projekt "Nanga Parbat". Für den Regisseur Vilsmaier wird es ein weiterer Film in seiner langen Reihe gigantischer Produktionen werden. Er hat "Stalingrad" gedreht, "Schlafes Bruder" und "Comedian Harmonists". Alles immer sehr aufwendig, der große Ruhm aber blieb ihm versagt.

Für den Bergsteiger Messner hat das Ganze eine völlig andere Bedeutung. Den Ruhm der Welt hat er bekommen, die endgültige Rehabilitierung aber, die Reinigung vor großem Publikum, blieb ihm bis jetzt versagt. Für Reinhold Messner muss der Film ein Schlusspunkt werden. Er muss ihm die Glaubwürdigkeit zurückbringen, die er verloren hat.

Kritiker und Bergkameraden von einst hatten Messner vorgeworfen, am Tod seines Bruders Günther mit schuld zu sein. Er habe den höhenkranken, zwei Jahre jüngeren Günther bei der Expedition 1970 am Nanga Parbat möglicherweise im Stich gelassen, um durch den Abstieg über die Diamirwand zu Ruhm zu kommen.

Der hässlichste Alpinisten-Streit

Das war der Vorwurf. Aus ihm wurde der wohl hässlichste Streit in der Geschichte des Alpinismus. Messner selbst hatte ihn im Herbst 2001 losgetreten und sich dann darin verfangen.

Im August 2005 wurden Skelettteile auf der Diamirseite des pakistanischen Berges gefunden und Günther Messner durch eine DNA-Analyse zugeordnet. Aber die Zweifel der Kritiker waren damit nicht ausgeräumt. Messner sprach damals von einer "Rufmordkampagne" und sagte im Oktober 2005 gegenüber dem Spiegel, dass er mit Vilsmaier ein Doku-Drama über das "Verbrechen" an ihm drehen wolle, das "den Leuten die Augen öffnen" werde.

Heute klingt er ganz anders. Nein, es gehe ihm überhaupt gar nicht um Rechtfertigung, denn die Geschichte sei aufgeklärt und mit dem Auffinden der Skelettteile des Bruders sei ja alles bewiesen. Und doch: Es sei "in Millionen Köpfen" drin. Er meint den Vorwurf.

Es ist der einzige Moment bei dieser Veranstaltung, in dem man Messners Druck zur Rechtfertigung spüren kann. Er sagt aber: "Ich bin für den Film nur ein Zuträger und Kontrolleur. Wir erzählen nur eine Geschichte, eine aus dem Leben gegriffene", die zufällig am Nanga Parbat spiele.

Aber es ist nicht irgendeine Geschichte. Neben Vilsmaier sitzen Florian Stetter, der Reinhold spielen wird, und Volker Bruch, der im Film der Bruder Günther sein wird. Messner will den beiden jungen Männern zeigen, wie alles möglichst authentisch aussehen kann, da oben im Eis.

Sie werden in Südtirol am Ortler und am Großvenediger drehen. Stetter sagt, er trainiere jetzt schon mal an der Kletterwand, hier in Berlin.

Messner sagt: "Ich muss natürlich auch immer auseinander halten: Ich bin ich. Die Figur ist die Figur." Er sieht aus, als sei das nicht die leichteste Übung.

Der Rest sind Zahlen. Sieben Millionen wird der Film kosten. BMW unterstützt ihn, und deshalb wird auch einmal ein Motorrad durchs Bild rauschen. Im Januar nächsten Jahres soll der Film in die Kinos kommen. Am Nanga Parbat haben sie schon drei Stunden Material gedreht, 9000 Meter Film, sagt Vilsmaier und dankt auch der Firma Salewa, die aus dem gleichen Stoff, dem gleichen Garn, aus dem einst das Originalzelt der Brüder war, ein neues nachgebaut habe.

Wie wird es sein, wenn Reinhold Messner vor dem alten neuen Zelt steht? Wie, wenn er den beiden Darsteller-Brüdern Anweisungen gibt? Wenn er vor Filmplakaten steht, vor der perfekten Vermarktung seines persönlichen Dramas? "Es geht um zwei Brüder", hatte er gesagt. "Es geht um Rivalität. Es geht um gegenseitige Verantwortung". Ihn interessiere am meisten "die Psychologie zwischen dem großen und dem kleinen Bruder".

Reinhold Messner ist jetzt 64. Vermutlich ist der Film nicht nur das Rechtfertigungsfinale für ihn. Vielleicht ist ein Film genau die Form von Abstraktion, die er braucht, um das Drama loszuwerden. Egal, was wahr ist und was falsch.

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