Raucher-Politik:"Sieg der Tabakindustrie"

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Die Tabakindustrie hat die Bundesregierung fest im Griff, sagen Fachleute und kritisieren die Raucher-Politik.

Christina Berndt

Die Bundesregierung bemüht sich verstärkt, den Tabakkonsum der Deutschen zu senken, doch die Pläne der großen Koalition gehen den Fachleuten nicht weit genug. In Kürze soll das "Aktionsprogramm Tabakprävention" vom Kabinett verabschiedet werden, das jedoch alle von der Regierung konsultierten Gesundheitsexperten heftig kritisieren.

Von wegen weniger Zigaretten - Fachleute ärgern sich über das Fortbestehen von Zigarettenautomaten und Plakatwerbung (Foto: Foto: dpa)

In Schreiben an das Gesundheitsministerium und die Drogenbeauftragte, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, warnen die Fachleute: "Das unzulängliche Engagement der Bundesregierung bedeutet ein Andauern von Krankheit und vorzeitigem Tod."

Die Fachleute, die unter anderem die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, die Bundesärztekammer und die Deutsche Krebsgesellschaft vertreten, fordern einen bundesweiten Schutz vor dem Passivrauchen in der Öffentlichkeit und am Arbeitsplatz. Sie vermissen zudem ein umfassendes Tabakwerbeverbot und eine verbindlich festgelegte Erhöhung der Tabaksteuer.

Fest im Griff

Das Programm sei bei seinem Gang durch die Ressorts erheblich geschwächt worden, monieren die Experten. So seien alle Bestrebungen entfallen, die Tabak-Verkaufsstellen zu beschränken. Stattdessen setze die Bundesregierung auf einen "Ausbau der bekanntermaßen unwirksamen Selbstverpflichtungen der Tabakindustrie". Insidern zufolge haben vor allem das Wirtschaftsministerium und das Bundeskanzleramt massiv Einfluss genommen.

"Es ist deprimierend, wie fest die Tabakindustrie die Bundesregierung immer noch im Griff hat", sagt Friedrich Wiebel vom Ärztlichen Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit; "unsere Kritik ist ignoriert worden; die Tabakwirtschaft ist mit vielen ihrer Wünsche durchgedrungen."

Zwar sei Tabakwerbung in den Medien nunmehr verboten. "Umso aggressiver werben die Konzerne jetzt aber mit Plakaten und im Kino", sagt Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum. "Besonders schmerzhaft sind Kampagnen in Jugendcafés." So etwas sei in Europa sonst nur noch in Griechenland erlaubt.

Auch über das Fortbestehen der Zigarettenautomaten ärgert sich Pötschke-Langer. "Diese Automaten sind ein massiver Werbeträger", sagte sie, "die Tag-und-Nacht-Verfügbarkeit signalisiert, wie wichtig dieses Produkt sein muss und dass es gar nicht so gefährlich sein kann." Zudem könne jeder 18-Jährige so viele Zigaretten an Minderjährige weitergeben, wie er wolle.

Erfahrungen aus dem Ausland zeigten dagegen, dass Initiativen zur Senkung des Tabakkonsums machbar und effektiv seien, so Pötscke-Langer. So sei die Zahl jugendlicher Raucher in den USA erheblich zurückgegangen, seit das Verkaufsverbot an Minderjährige dort regelmäßig durch Testkäufer kontrolliert werde.

© SZ vom 20.04.2009/mmk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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