Ratgeber für Konfliktmanagement:Warum wir das A-Wort so gerne benutzen

Mann reagiert emotional am Smartphone Wut Gesichtsausdruck âÄ°rgern schreien Handy Iphone Telefo

Da kocht die Wut - ein Mann in emotionaler Reaktion an seinem Smartphone.

(Foto: imago/Kraehn)

"Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch", sagte einst Joschka Fischer im Bundestag. So höflich verpackt wird die Wut auf Mitmenschen nur selten. Eine Psychiaterin hat eine Typologie des rektalen Fluchens verfasst.

Von Anne Backhaus

Wut auf die Mitmenschen lässt sogar Alltagsphilosophen ein Wort schimpfen, das die Eltern einst verboten haben. Das der Vater aber selber laut im Auto gebrüllt hat. Oder das die Mutter wisperte, als sie die Scheidungspapiere unterschrieb. Ein Wort, das der Chef nicht gerne in seiner Zeitung liest. Ein umgangssprachliches sozusagen, das korrekt benutzt den Anus meint, aber eigentlich immer einen miesen Vollidioten. Oder einen blöden Armleuchter. Einen richtigen Scheißkerl eben.

"Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch", rief Joschka Fischer 1984 dem damaligen Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen zu. So höflich und offen kriegen das die wenigsten hin, aber spätestens seit diesem Ausbruch ist das Schimpfwort protokollfähig. So verpönt es ist, so vielfältig ist sein Gebrauch. Jeden kann es treffen. Außer Frauen, aber selbst die sind manchmal dran. Niemand ist sicher. Selbst wer sich korrekt verhält, kann zu einem werden, weil er so nervig korrekt ist. Der Ratgeber "Ein Arschloch kommt selten allein" nimmt sich dieser Unübersichtlichkeit an.

Autorin Claudia Hochbrunn ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Zum Schutz ihrer Patienten sondiert sie daher unter Pseudonym die "neun gängigsten Arschlöcher". Darunter fallen für sie Querulanten, Eigenbrötler oder auch Bürokraten. Jedem Typ widmet sich ein eigenes Kapitel. Hochbrunn nennt das "Arschlochkunde" und den Trip durch die Kapitel eine "amüsante Reise". Nur wohin eigentlich? Zu denen, die einem so kräftig auf den Sack gehen? Genau. Und zu sich selbst. Natürlich. Denn kein Mensch kauft ja einen Ratgeber, damit es anderen besser geht. Die 9,99 Euro sollen sich persönlich auszahlen.

Ungefähr in der Hälfte des Buches findet sich also auch ein Ankreuztest. "Wenn Sie befürchten, dass Sie am Ende feststellen müssen, selbst ein Riesenarschloch zu sein, machen Sie den Test trotzdem." Na gut. Am Ende ist man also einer von Persönlichkeitstyp a) bis i). Zum Beispiel ein dissozialer, also ein "klassisches Riesenarschloch". Wie das helfen kann? Ist doch logisch: Die neun Typen passen natürlich zu den neun Typen aus den Kapiteln davor, und das ist gut für den letzten Buchabschnitt: "Welche Arschlöcher passen gut zusammen?".

Denn letztlich geht es Hochbrunn hinter all dem Schimpfwortgetue einfach um Konfliktmanagement. Stärken und Schwächen, mit denen umzugehen jeder lernen kann. Sowohl mit den eigenen, als auch denen all der bescheuerten Arschgeigen um sich herum. Damit es insgesamt friedlicher zugeht oder so.

Anal-Literatur läuft gut. Titel wie "Keine Zeit für Arschlöcher! ...hör auf dein Herz", "Arschlöcher zähmen" oder "Am Arsch vorbei geht auch ein Weg" versprechen uns heute Hilfe im Alltag. Bevor man darüber zu lange nachdenkt, aber lieber ein paar Buntstifte schnappen und es sich mit "Einhörner sind Arschlöcher: Schockierende Wahrheiten zum Ausmalen" mal so richtig gemütlich machen.

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