Prêt-à-Porter:Des Königs neue Kleider

Eine junge Generation von Designern versucht in Paris, dem Ruf der großen Modehäuser gerecht zu werden - nicht allen gelingt das.

Peter Bäldle

So unterschiedlich die Defilées bei den Prêt-à-Porter-Schauen in Paris aufgenommen werden, so einhellig diskutiert die Branche dieser Tage über ein Thema: die Nachfolgen in den großen Modehäusern. Nicht zuletzt das strahlende Debüt von Alessandra Facchinetti als neuer Designerin bei Valentino ist dafür verantwortlich. Hatte es sich doch zuletzt als sehr fragwürdig erwiesen, von zweitklassigen Designern die Mode der einst großen Namen entwerfen zu lassen. Auch dass dies nur allzu oft ohne Rücksicht auf deren kreative Vergangenheit geschah, war den Marken nicht immer zuträglich. Denn für was stehen eigentlich die Etiketten von Balenciaga, Dior oder Ungaro? Was erwarten Frauen, wenn sie Mode bei Yves Saint Laurent, Givenchy und eben Valentino kaufen?

Valentino, AFP

Das neue Bild von Valentino entwirft Alessandra Facchinetti

(Foto: Foto: AFP)

Leuchtender Fixstern im Gerangel um die Positionen ist nach wie vor Nicolas Ghesquière, der auch diesmal mit einer Fünf-Sterne-Kollektion bei Balenciaga beweist, wie man das Erbe des großen spanischen Couturiers bewahrt und ihm gleichzeitig die Zukunft gewinnen kann. Modernität signalisieren seine präzise geschnittenen, schwarzen Kleider mit hohem Gehschlitz und raffiniert gelegten Faltendrapés. Futuristisch wirken Jacken aus Neopren mit handgemalten Japanszenen. An die frühen sechziger Jahre erinnern gerade Lackmäntel mit runden Raglanärmeln. Breite Halsbänder aus Strass setzen funkelnde Akzente.

Barbies mit Cowboy-Hüten

Auch bei Dior lässt sich John Galliano von den frühen Sixties inspirieren für Kostüme in grafischen Silhouetten und abendliche Kleiderskulpturen aus steifen, sommerlich bunten Stoffen. Zitieren erstere Faye Dunaways Filmgarderobe aus ,,Thomas Crown ist nicht zu fassen'', so ähneln letztere Sharon Stones Roben in ,,Casino''. Doch wo Ghesquière es gelingt, sich von der Vergangenheit zu lösen, bleibt Galliano an ihr kleben. Oder liegt es an den gigantisch auftoupierten Haaren und dem zickigen Augen-Make-up, das Gallianos Mädchen wie Barbie-Puppen aussehen lässt? Jedenfalls passen dazu die riesigen Cowboy-Hüte aus Straußenleder in Fuchsia und Ostereierlila.

Einen sympathischen Einstand feiert der erst 23 Jahre junge Kolumbianer Esteban Cortazar als dritter Nachfolger von Emanuel Ungaro. Seine pinkfarbenen Jacken im gerafften Togastil überzeugen, feindrapierte Kleider aus hautfarbenem Seidenjersey bestätigen Cortazars Ruf als ,,Wunderkind'', der ihm auch nach Paris vorausgeeilt war. Cortazar zumindest beweist deutlich mehr Feingefühl im Umgang mit Ungaros Erbe als der Sizilianer Riccardo Tisci bei Givenchy. Sein Thema heißt Mexiko, also begleiten schmale, schwarze Anzüge Hemden und Kleider mit kurz geschnittenen Rüschen und üppigstem Posamenteriebesatz. Immerhin erinnern zuweilen dicht gesetzte, feine Volants an einem Tropfenärmel an Givenchys berühmte ,,Bettina''-Bluse, die in den fünfziger Jahren das Markenzeichen des Hauses war.

Kühle Künstlichkeit

Der Name Yves Saint Laurent hingegen mag für vieles stehen in der Mode, nicht aber für jene Kälte, welche die Entwürfe von dessen Nachfolger Stefano Pilati umgibt. Zwar beeindrucken dramatische Mantelskulpturen, steife Schoßtaillenjacken und wadenlange Glockenröcke in Serpentinenschnitten durchaus, wirken aber in verhangenen Grautönen und stumpfen Wollstoffen wie ihrer Seele beraubt. Die dazu verordneten pechschwarzen Ponyfrisuren und kinnhohen Halsmanschetten aus Metall lassen Pilatis Mädchen wie geklont aussehen.

Ob es ein Segen ist, wenn man völlig unbelastet von jeglicher Vergangenheit und nur sich selbst verpflichtet entwerfen kann? Dries van Noten jedenfalls gewinnt die Sterne mit wehenden Chiffontuniken unter Gehrockjacken zu knöchellangen Pyjamahosen in kunterbunten Drippingmustern à la Jackson Pollock. Für Akris interpretiert der Schweizer Albert Kriemler dieselbe Silhouette klarlinig und streng im Stil der siebziger Jahre mit langen Schlaghosen unter taillenbetonten, hüftlangen Gürteljacken.

Die Münchner Johnny Talbot und Adrian Runhof laufen zur Höchstform auf im Hôtel de Beauharnais, der Residenz des deutschen Botschafters in Paris. Unter den Augen von Gudrun Landgrebe, Nina Ruge und des Fürsten zu Schaumburg-Lippe schimmerten die Brokate nie verführerischer, waren die Schnitte mit ihren Drapé-Effekten nie raffinierter. Sie reflektieren die Pariser Couture der vierziger Jahre, witzige Tirolerhüte grüßen die Heimat, und Julie Andrews singt: ,,The Sound of Music''. And Fashion.

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