Promis und die Liebe: Schmachtwort der Woche:"Es gibt viel Sex bei Olympia"

Mit der Versuchung ist das so eine Sache: Wer ihr erliegt, gilt als triebgesteuert und schwach. Dabei ist die Enthaltsamkeit vieler Spötter nichts anderes als ein Mangel an Gelegenheit.

von Violetta Simon

So, lieber Leser, nun schließen Sie mal die Augen und stellen sich vor, Sie befinden sich in einer Speisekammer, zusammen mit einer unglaublich leckeren Schwarzwälder Kirschtorte ... ach, Sie machen sich nichts aus Süßem? Gut, dann stellen Sie sich einen riesigen Parmaschinken ... wie bitte? Oh, Verzeihung! Die Vegetarier dürfen natürlich auch mitmachen - also dann eben ein Stück Tofu, mild-würzig. Stopp! Nein, so funktioniert das nicht. Es geht hier schließlich um Versuchung! Würden Sie der Versuchung eines bleichen Tofus erliegen? Eben. Kehren wir also zurück zur Torte und nehmen in Kauf, dass die Proteinis und die Vegetarier beleidigt sind. Nun die Gretchenfrage: Würden Sie das Ding vernaschen? Klar. Man ist ja auch nur ein Mensch.

Schmachtwort Hope Solo

Das Schmachtwort sprach diesmal US-Torhüterin Hope Solo.

(Foto: Sophie Kaiser)

So ähnlich geht es den Sportlern in London. Denen fliegen dort die Kirschtorten quasi nur so um die Ohren: Im Licht der Abendsonne zeichnet sich die Silhouette einer glutäugigen Speerwerferin ab, die nebenbei ein begehrtes Dessousmodel ist. Dort drüben stehen die Schwimmer Ricky, Ryan und Michael in knappen Badeshorts und ölen ihre Muskeln ein. Ein Profisurfer namens Kelly, der schon Pamela Anderson, Cameron Diaz und Gisele Bündchen auf seinem Brett hatte, lässt seine wasserblauen Augen über das Sixpack der Siebenkämpferin Jennifer Ennis gleiten, während die russischen Beachvolleyballerinnen Anastasia und Tatjana sich im Sand räkeln.

Kurz gesagt: Zustände wie im Paradies. Mit dem Unterschied, dass sich die Beteiligten eindeutig enthemmter verhalten als damals die Frau mit dem Apfel und ihr zögerlicher Begleiter mit dem Feigenblatt: "There's a lot of sex going on", verriet US-Keeperin Hope Solo dem Sportsender ESPN, "hier gibt es jede Menge Sex." Wäre es nach dem göttlichen Drehbuch gegangen, hätte Sebastian Coe sämtliche Athleten aus dem olympischen Garten Eden jagen müssen. Stattdessen sah der Chef des Londoner Organisationskomitees der Realität gelassen ins Auge und ließ 150.000 Kondome an die Sportler verteilen - 20 Mal so viele wie 1988 in Seoul.

Hope Solo schien aufrichtig schockiert, als sie Athleten dabei beobachtete, wie sie sich unter freiem Himmel auf der Wiese zwischen den Gebäuden vergnügten. "Manche lassen sich einfach gehen und sind richtig verdorben", lästerte die 31-Jährige Torhüterin. Wenn man den Einschätzungen ihres Sportlerkollegen Ryan Lochte glauben darf, ist das Olympiagelände der reinste Hasenstall - bis zu 75 Prozent der Sportler machen angeblich bei der täglichen Orgie mit. "Hey, manchmal musst du eben tun, was du tun musst", resümierte der Weltrekord-Schwimmer.

Triebgesteuerter Haufen

Schopenhauer hat es immer schon gewusst: Das Ideal vom vernunftgeleiteten Menschen ist ein Märchen. Wir sind nichts als ein triebgesteuerter Haufen, und wenn es nach dem Philosophen ginge, sollte man uns jeden freien Willen absprechen. Seiner Ansicht nach basiert unser Bewusstsein auf rein organischen Grundlagen. Wir befinden uns auf einer Ebene mit Pflanzen und Tieren.

Allen, die sich jetzt ebenfalls kopfschüttelnd von diesem Treiben distanzieren möchten und sich auf die Schulter klopfen, weil sie immer so unheimlich standhaft sind, sollten die Luft gleich mal wieder rauslassen. Sie brüsten sich nicht selten mit einer Enthaltsamkeit, die schlichtweg aus Mangel an Gelegenheit entstanden ist. Mag ja sein, dass man tagelang ohne Süßigkeiten, ohne Fernsehen, ohne Sex auskommt. Weil man als Au-pair-Mädchen in einem Mormonenhaushalt jobbt. Oder halb bekleidete Menschen nur zu Gesicht bekommt, wenn man mit den Kindern an den Wannsee baden geht. Mag ja sein, dass es möglich ist, sich seine Keuschheit für die Ehe zu bewahren - wenn man nicht Fahrrad fahren kann, Pickel hat und seine Tage beim Stuhlkreis der Zeugen Jehovas verbringt. Nicht aber, wenn man Tag und Nacht von verführerischen Törtchen und Schnitten umgeben ist - und selbst wie eines aussieht.

Ganz so sittsam wie sie sich darstellt, ist Hope Solo übrigens nicht: Auch sie gönnte sich ein Nümmerchen - im Gegensatz zu den anderen Wüstlingen hatte sie sich aber offenbar daran erinnert, dass den Olympia-Teilnehmern eigene Räume mit bequemen Betten zur Verfügung stehen. "Ich war ebenfalls mit einer berühmten Person auf dem Zimmer", verriet die Torhüterin. Um welche Person es sich dabei handelt, sagt sie nicht. Bekannt ist nur, dass die Matratzen der Sportler-Unterkünfte kurz zuvor von einer Londoner Berühmtheit persönlich getestet wurden: Bürgermeister Boris Johnson, der Mann mit dem heiteren Schandmaul und den gelben Flusenhaaren. Johnson ist dafür bekannt, dass er seinen Wählerinnen gern größere Brüste verspricht.

Manchmal wäre Enthaltsamkeit vielleicht doch eine Lösung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: