Promis und Adoption:Madonna: Ich geh ein Kind shoppen

Madonna kehrt ohne Kind aus Malawi zurück. Prominente adoptieren arme Kinder mit der Begründung, helfen zu wollen. Und machen sie damit zur Ware.

Violetta Simon

Madonna hatte dieses Mal keinen Erfolg. Die Sängerin musste Malawi ohne neuen Nachwuchs verlassen. Ihr Antrag, die dreijährige Waise Mercy mit nach Hause nehmen zu dürfen, wurde abgelehnt. Begründung: Man müsse sich bis zu 24 Monate in dem Land aufhalten, um eine Adoption zu beantragen.

Promis und Adoption: Die Queen of Pop ist an den malawischen Behörden gescheitert.

Die Queen of Pop ist an den malawischen Behörden gescheitert.

(Foto: Foto: AP)

Diese Bedingung erfüllte Madonna nicht. Sie kam mit ihrer Leibgarde nach Malawi gejettet und erwartete einen schnellen Erfolg.

Angelina Jolie, Madonna, Mia Farrow oder Carla Brunis Schwester Valeria Tedeschi: Immer mehr Prominente adoptieren Kinder aus Dritte-Welt-Ländern mit der Begründung, dass sie helfen wollen. Doch in den vergangenen Jahren drängte sich vermehrt die Frage auf, ob das Motiv der Wohltätigkeit im Grunde nur als Deckmantel dient für das "kulturimperialistisches Gehabe" (Süddeutsche Zeitung) einer potentiellen Elternschaft, die mittlerweile eher als zahlungskräftige Kundschaft auftritt.

Dabei ist es nicht die Adoption an sich, die - zumindest unter Normalbürgern - für Aufregung sorgt. Es sind die Begleitumstände, die Kaufkraft und der Status der beteiligten Personen, die dazu beitragen, dass der Begriff "Auslandsadoption" immer mehr mit dem Begriff "Kinderhandel" verschwimmt.

Im Vergleich dazu erscheinen die Versuche eines "normalsterblichen" Paares geradezu aussichtslos, so die verbreitete Meinung vieler kinderloser Paare. "Hier bei uns müssen die Paare um ein Kind kämpfen, sich für ihr Leben rechtfertigen ... Und selbst dann sind die Chancen auf ein Kind mehr als miserabel. Irgendwoher kommt dann ein Promi ... und kauft sich ein Kind" - so eine der typischen Äußerungen im Internet.

In Deutschland hatten es Gerhard Schröder und Gattin Doris 2004 vorgemacht: Sie adoptierten ein dreijähriges Mädchen aus Russland. Geld, Einfluss, Lobby - damit hatte der damalige Bundeskanzler alles, was zur schnellen Abwicklung einer Auslandsadoption gehört.

Das Ehepaar Schröder hätte In in Deutschland schon aufgrund des Alters kaum Chancen gehabt - Papa Gerhard war zum Zeitpunkt der Adoption 57 Jahre älter als seine Adoptivtochter Viktoria. Noch bevor das Kinderhilfswerk Terre des hommes sich kritisch zu den Begleitumständen äußern konnte, wurde der Organisation ein Maulkorb verhängt. Zwei Jahre später holten sich die Schröders einen Jungen aus Russland - er war ein Jahr alt. In Deutschland hätten die Schröders - Kanzler hin oder her - keine Chance auf einen Säugling gehabt. Und selbst auf ein Kleinkind wie Viktoria hätten sie Jahre gewartet.

Das "It-Kind"

Bekanntestes Beispiel für die Figur der prominente Übermutter: Angelina Jolie. Die Schauspielerin und ihr Lebensgefährte Brad Pitt gelten als das adoptionswütigste Promi-Paar der Gegenwart. Die beiden haben sechs Kinder - drei davon sind leiblich (Shiloh, zwei, sowie die Zwillinge Vivienne und Knox, acht Monate), die anderen drei (Pax, fünf, Zahara, vier, und Maddox, acht) wurden aus Vietnam, Äthiopien und Kambodscha adoptiert. Nun hat Jolie sich ein indisches Kind ausgeschaut.

Dem Kinderstar aus dem Film "Slumdog Millionär", Azharuddin Mohammed, verriet die Schauspielerin, sie würden schon bald ein indisches Kind adoptieren. Ein freudiges Ereignis? Für Brad Pitt zumindest Anlass für folgende Bemerkung: "Wir machen im Durchschnitt zwei pro Jahr, also sind wir schon überfällig, oder?" Ein Satz, der auch von einem Produktionsleiter oder Designer stammen könnte.

Aktuellstes Beispiel: Madonna. Seit die Sängerin 2006 den damals einjährigen David aus dem südafrikanischen Malawi adoptiert, kursiert in den Medien der Begriff "Madonna-Effekt". Er beschreibt das Phänomen, dass immer mehr Eltern in armen (auch europäischen) Ländern ihre Kinder in dem Glauben aufgeben, dass sie ein besseres Leben im Westen mit einer wohlhabenderen Familie haben werden. Diese Erkenntnis basiert auf Untersuchungen des Kinderpsychologen Kevin Browne, der mit Hilfe einer Studie in 25 Ländern herausgefunden hat, dass 96 Prozent der Kinder in den Heimen keine Vollwaisen seien - so wie Madonnas Adoptivsohn. Davids Vater hatte das Kind im Alter von vier Wochen im Waisenhaus abgegeben.

In einigen Ländern, wie zum Beispiel Nepal, sind deshalb die dortigen Adoptionsregelungen deutlich verschärft worden. Kirgisistan will Adoptionsfälle mit Auslandsbezug verbieten. Wie das Bundesamt für Justiz auf seiner Internetseite berichtet, hat die kirgisische Regierung sämtliche Anträge bis auf weiteres ausgesetzt. Entsprechende Anfragen aus dem Ausland werden nicht beantwortet.

Das Geld macht die Gesetze

Das Geld macht die Gesetze

Weil Waisenhäusern und Behörden bei einer Adoption oft ein erheblicher Betrag winkt, verstoßen sie dabei schon mal gegen die UN-Konvention, die eine internationale Adoption nur als allerletzte Möglichkeit anerkennt, wenn zuvor alles versucht wurde, dem betreffenden Kind in seinem Heimatland Ersatzeltern zu vermitteln.

Madonna musste sich deshalb den Vorwurf gefallen lassen, sie hätte besser für eine finanzielle Absicherung des 13 Monate alten Jungen in Malawi gesorgt, als ihn aus seinem Heimatland zu holen. Das Kinderhilfswerk "Save the Children" brachte seine Meinung zu Madonnas Bemühungen auf den Punkt: "Es ist keine Lösung, jedes arme Kind nach Kensington zu bringen", sagte ein Sprecher der Organisation.

Entgegen der malawischen Rechtssprechung und der Proteste verschiedener Menschenrechtsorganisationen hatte die Sängerin den Jungen zu sich nach London gebracht. Sie richtete ihm ein Safari-Zimmer ein, schmückte es mit afrikanischer Kunst und Zebra-Motiven, damit David in enger Verbindung mit seiner Kultur aufwachsen konnte - oder dem, was Madonna dafür hielt.

Davon, eine konkrete Verbindung zu lebenden Angehörigen zu erhalten, hielt die Popdiva weniger. Bei einem arrangierten Wiedersehen mit dem Vater soll der dreijährige David seine neue Mama gefragt haben: "Wer ist der Mann?" Und als Madonna ihn aufklärte, fragte der Knirps den fremden Mann mit großen Augen: "Und warum bist du so arm?"

Zu dieser Zeit hatte Madonna bereits bekanntgegeben, dass sie ein Schwesterchen für David aus Malawi zu holen gedenke - die vierjährige Chifundo (Mercy) James. Offizielle Begründung der Sprecherin: Der Popstar wolle die Beziehung zu Davids malawischen Wurzeln aufrechterhalten. Madonna auf Shoppingtour in Malawi.

Chifundo lebt ebenfalls in einem Waisenhaus in Malawi, seit ihre 18-jährige ledige Mutter kurz nach der Geburt gestorben war. Der Vater hat kaum Kontakt zu dem Mädchen. "Nach deutschen Richtlinien wäre eine solche Adoption schon allein deshalb nicht möglich, weil bei Adoptivkindern ein natürlicher Altersabstand gewahrt werden muss", argumentiert die Psychologin Barbara Gillig-Riedle. Die Buchautorin hat sich auf Adoptionsrecht spezialisiert und betreibt gemeinsam mit ihrem Mann ein Informationsportal im Internet. Es sei nicht zulässig, einem kleinen Kind plötzlich ein älteres Geschwisterkind vor die Nase zu setzen, sagt sie.

Als Chifundos Großmutter von den Plänen der 50-Jährigen erfuhr, war sie außer sich. Doch sprach sie dabei nicht von Gefühlen für ihr Enkelkind, es fielen auch nicht Worte wie "mein eigenes Fleisch und Blut", nicht einmal von Entführung war die Rede. Die Frau soll der britischen Zeitung The Sun gegenüber gesagt haben: "Das ist Diebstahl, ich lasse sie nicht gehen."

Laut Definition im Sinne des deutschen Strafgesetzbuches betrifft Diebstahl eine "bewegliche Sache". Im Einzelhandel ist von Diebstahl die Rede, wenn ein Kunde Ware an sich nimmt, ohne zu bezahlen. Das Kind als Produkt - wenn sich jene, die am biologischen Hebel sitzen, derartiger Terminologie bedienen, darf es nicht wundern, wenn sich potentielle Eltern als finanzstarke Käufer angesprochen fühlen. Herzlich willkommen zum Kindershopping - alles eine Frage des Geldes!

Wer zahlt, schafft an. Und Madonna zahlt. Wenn es sein muss, jeden Preis. Zuletzt hieß es, die Familie habe der Adoption zugestimmt. Doch nun ist Madonna an den malawischen Behörden gescheitert. Die Begründung: Das Kind lebe in einem der besten Waisenhäuser des Landes. Damit drohe ihr nicht mehr die Armut, in der sie sich nach dem Tod ihrer Mutter wiedergefunden habe.

Gegen mangelnde Armut hat ein schwerreicher Popstar einfach keine Chance.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: