Projekt Nichtraucher:Der Rückfall

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Die erste Zigarette nach mehr als 70 rauchfreien Tagen: Es war schrecklich, eklig - und unglaublich lehrreich.

Jürgen Schmieder

Leser haben mich davor gewarnt. Freunde haben mich davor gewarnt. Ich habe mich davor gewarnt. Der Satz gehörte zu meinem Morgengebet: "Fang' nicht wieder an, nicht eine einzige Zigarette!" Und dann sowas: Ich habe geraucht - nicht nur eine Zigarette, sondern gleich zwei.

Eine Kippe macht doch nichts? Oh doch! (Foto: Foto: dpa)

Eine Zigarette macht doch nichts. Das sagen meist Leute, die später dann Zigarette durch Schachtel ersetzen und Schachtel durch Stange. Ich kann nur sagen: Eine Zigarette macht schon etwas!

Es war auf einer Party. Klar, wo sonst? Partys sind das Spinnennetz für die Nichtraucher-Fliege. Freunde und Bekannte stehen ungezwungen herum, unterhalten sich und trinken Alkohol. Das führt dazu, dass selbst Hardcore-Nichtraucher ihre Militanz aufgeben und sagen: "Jetzt rauche ich eine mit!"

Bisher fiel es mir nicht schwer, "Nein" zu sagen. Ich stellte mich in die Schandecke mit den Rauchern und vergrößerte ihre Schande durch meine Standfestigkeit. Ich fühlte mich so stark wie Herkules zwischen den Prüfungen sieben und acht.

Es war aber auch keine normale Party. Es war ein Freitagabend, ein Kollege hatte Mitarbeiter und Freunde geladen. Jeder war gut gelaunt, jeder lachte, jeder tanzte - und jeder rauchte. Und da ich auch schon ein Glas Bowle zuviel hatte, schloss ich mich ganz lemminghaft an. Es war ein flüchtiges Glück, diese erste Zigarette. Also zündete ich sofort die nächste an. Aber selbst das befriedigte mich nur halbwegs. Ich hustete. Mir wurde schwindlig. Mir wurde schlecht. Glück sieht anders aus.

Am nächsten Morgen kam noch die Scham hinzu. Ich fühlte mich wie Petrus am Karfreitag, als der Hahn zum dritten Mal krähte. Ich traute mich nicht, meiner Frau einen Guten-Morgen-Kuss zu geben, weil ich wusste, dass sie es trotz ausgiebigen Zähneputzens riechen würde. Zur Strafe war ich heiser, hatte Kopfweh und schmeckte den Rauch noch bis zum Abend.

Die Scham mischte sich mit Ärger darüber, warum ich nur schwach werden konnte. Ich versuchte es mit Ausreden, schob alles auf den Alkohol und die bösen Kollegen, die mir die Kippen spendierten. Es half jedoch nichts - ich lag auf meiner Couch mit einer Mischung aus Wut und Schamgefühl - so dass meine Frau schon den Eindruck gewann, ich hätte etwas angestellt.

Die Fragen jedoch, die mich danach beschäftigten, waren andere. Würde ich rückfällig werden? Würden diese beiden trunkenen Zigaretten die Sucht aufleben lassen? Die Antwort wusste ein guter Freund. Er sagte: "Ein Raucher kann nie zum Nichtraucher werden. Entweder er ist ein Raucher - oder er ist ein Raucher, der aufhört."

Ich nahm mir von dieser Aussage an vor, zur zweiten Kategorie zu gehören.

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