Problemzone Mann:Wer bin ich?

Der Mann steckt in einer Krise und weiß immer weniger, wer er ist, was er kaufen soll und wie er mit Frauen umgehen muss.

Die Werbespots bei Sportübertragungen machen die Bandbreite des Dilemmas deutlich: Der Mann von heute soll nicht nur Bier trinken und ein schickes Auto fahren, die Schraubengrößen im Baumarkt auseinander halten können und treusorgender Vater sein. Er beherrscht auch die perfekte Rasur, weiß gegen Tränensäcke anzucremen und seinen Teint zu pflegen.

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Was darf´s denn sein - Superman, Handwerker, Karriere-Mensch, latin lover oder fürsorglicher Vater? Am besten von jedem etwas!

(Foto: Foto: AP)

Viele Männer fühlen sich davon überfordert, denn was in dem Allerlei fehlt, sind verbindliche Ideale - und das nagt am Selbstverständnis. Kurzum: Der Mann steckt in einer Krise und weiß immer weniger, was er kaufen soll und wie er sich im Umgang mit Frauen richtig verhält.

"Was Männer sollen und dürfen, ist zunehmend weniger eindeutig zu sagen", sagt Holger Brandes, Männerforscher an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit in Dresden. Zwischen Softie und Macho ist heute alles drin. "Männer sind quasi die sozialpsychologische Problemzone des 21. Jahrhunderts", so fasst es Trendforscher Eike Wenzel vom Zukunftsinstitut in Kelkheim bei Frankfurt/Main zusammen.

Soft, aber selbstbewusst

Schon seit Jahren würden die Männer weicher und emotionaler. Grund sind die sich wandelnden Anforderungen in der Gesellschaft und nicht zuletzt veränderte Wünsche der Frauen. "Die Ansprüche der Frauen werden höher. Das hat unter anderem mit dem veränderten Bindungsverhalten und ihrer beruflichen Autonomie zu tun", sagt Holger Brandes. Trotzdem bleibe bei ihnen das Bedürfnis nach spürbarer Männlichkeit: "Männer sollen eben nicht "Softies" sein, sondern selbstbewusst!"

Denn für die meisten Frauen gebe es noch immer einen klaren Zusammenhang zwischen Dominanz und sexueller Attraktivität - wenn auch nur unterbewusst. "Und trotzdem soll Er nicht mehr nach Achselschweiß riechen, sondern seinen Körper pflegen", fügt Brandes hinzu - und beschreibt damit einmal mehr das Dilemma der Männer.

Wie Männer im Alltag aus dieser Zwickmühle heraus finden, ist wohl das größte Problem. Selbst beim ersten Date und einer anschließenden Einladung in die Wohnung dürfen ruhig Selbstbräuner und Antifaltencreme in seinem Badezimmer stehen, findet zum Beispiel der Stiltrainer Jan Schaumann aus Berlin: "Männer sollten mit diesen Dingen sehr selbstbewusst umgehen."

Schließlich komme am Ende doch immer heraus, was am Anfang versteckt wurde. "Nur die Tampons der Ex sollte man vor dem ersten Date vielleicht noch schnell wegstellen - und mal kurz den Staubsauger schwingen."

Der häusliche Typ ist nicht angesagt

Dennoch ist der gepflegte, häusliche Typ nicht das angesagte Idealbild. Trotz immer weicherer Männer hat Zukunftsforscher Wenzel eine Rückbesinnung auf den maskulinen Mann ausgemacht. Der ist spätestens in Gestalt des aktuellen James Bond - Daniel Craig - auf den Plan getreten. "Keine Figur der Popkultur verkörpert das aktuell herrschende Männlichkeitsideal authentischer als der jeweilige Bond", sagt Wenzel. Und Neu-Bond Craig sei kein stilvoller Flaneur und kein selbstironischer Gentleman-Brite, sondern ein Action-Held aus Fleisch und Blut.

Dumm ist da nur, dass nicht jeder Mann im Dienste der Majestät unterwegs ist, sondern meist auf dem schmalen Grat zwischen perfektem Liebhaber, Super-Vater, Versorger, Klempner und Koch wandelt. Da liegt der Gedanke nahe, nicht immer nur nett zu sein. Das ist durchaus erlaubt, findet Jan Schaumann.

Mit völliger Wahllosigkeit beim Benehmen sollte das aber nicht einhergehen. So verlassen Herrenwitze beispielsweise besser nicht die Runde um den Stammtisch: "Das hat etwas mit Respekt zu tun." Sprüche über den knackigen Hintern oder die Oberweite eines Stars sind im Beisein der Partnerin daher deplatziert.

Die goldene Mitte

Der beste Weg liegt daher - wie so oft - in der Mitte zwischen Macho und Softie. Das mag manchen Mann anstrengen, bietet aber auch neue Möglichkeiten - Männer müssen sie nur zu nutzen wissen, sagt Eberhard Schäfer, Leiter des Väterzentrums in Berlin: "Die Männer wollen gern neue Rollen annehmen. Es wird ihnen nur an vielen Stellen schwer gemacht." Nicht erst seit der Einführung des Elterngeldes gelten sie zwar auf Spielplätzen und Elternsprechtagen nicht mehr als Aussätzige.

Dennoch gebe es immer noch enormen Handlungsbedarf, bis Männer ohne Schwierigkeiten zwischen den vielen Rollen springen können. "Die Arbeitswelt ist nicht gerade scharf auf engagierte Väter - in der Gesellschaft ist der erziehende Mann noch nicht ganz angekommen", sagt Schäfer. Zudem sähen auch viele Frauen kümmernde Väter unterschwellig als Störfaktor für das Mutter-Kind-Verhältnis.

Die Frauen müssen bei der Rollenfindung helfen

Deswegen gilt sein Rat vor allem den Frauen: "Die Männer brauchen auch die Unterstützung ihrer Frauen in der Rollenfindung." Statt jeden Versuch auf Veränderung gleich durch den Kakao zu ziehen, sollten Frauen daher auch mal Nachsicht walten lassen. Das betrifft zum Beispiel das Kochen - auch wenn Er sich zunächst ein wenig holprig und unbeholfen anstellt und nur am Wochenende Zeit dafür ist.

"Klar ist während der Woche oft die Frau für Fischstäbchen und Spaghetti zuständig - und der Mann kocht am Wochenende das Lammragout und heimst den Applaus ein", sagt Schaumann. Dennoch könnten die Frauen den Aufwand anerkennen und sich ganz einfach über das Festmenü freuen. "Und wer sich dumm stellt und behauptet, nicht kochen zu können: Da empfiehlt sich dann ein gemeinsamer Kochkurs", schlägt der Stiltrainer vor.

Und auch für andere Situationen gibt es Wege zwischen Eleganz und klassischer Männlichkeit: "Der beste Weg, einer Frau zu zeigen, wo es lang geht, ist die Tür aufzuhalten", rät Schaumann. Gerade am Auto sei das in Zeiten von Zentralverriegelungen zwar extrem selten geworden. "Der Effekt aber ist immer noch enorm."

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