Privatfernsehen: Aus für Serie:Pro Sieben macht vor Liebes-Rekord schlapp

50 Frauen sollte ein Student pro Semester herumkriegen - doch nach Protesten wird Pro Sieben die Show zu heiß. Sie ist auf unbestimmte Zeit verschoben.

Christina Maria Berr

Es gibt in Deutschland einen Fernsehkonzern, der möchte am liebsten seine Nachrichten rigoros eindämmen. In der Unterhaltung setzt er neue Maßstäbe.

Pro Sieben

Pro Sieben - Sender mit moralischer Verpflichtung?

(Foto: Foto: dpa)

Der Sender Pro Sieben aus dem großen Verbund Pro Sieben Sat 1 AG wagt sich an einen Rekord, den selbst Casanova nicht geschafft hätte, einem Studenten aber gelingen soll: 50 Frauen in weniger als 180 Tagen, das ist eine höhere Spielaufgabe. Statistisch bedeutet das: ungefähr jeden dritten Tag eine andere!

So denken die Strategen von Pro Sieben, das muntere Studentenleben im Januar 2010 in eine neue Nachmittagsserie zu pressen. Hier bleibt kein Mieder ungeöffnet, und der Titel verspricht auch wirklich alles: "50 pro Semester".

Wer anfangs dachte, es handle sich womöglich um eine Aktion des Hausclowns Stefan Raab, sieht sich jetzt getäuscht. "Wer schafft es, in einem Semester 50 Frauen oder Männer rumzukriegen?", beschreibt ein Pressetext die Kampfansage der TV-Innovation um 16 Uhr.

Aus für Anbandel-Olympiade

P steht für Pro Sieben, aber auch für Promiskuität - und wie das aussehen könnte, stellt man sich im Unterföhringer Sendezentrum ungefähr so vor: "Von Kameras begleitet, stürzt sich Frauenschwarm Tobi mit seinem besten Kumpel Flo ins Studentenleben, um eine nach der anderen zu erobern." So lautet der Pressetext zur neuen Anbandel-Olympiade.

Und weiter: "Doch können sie dabei tatsächlich ihre Konkurrenten, den Macho Frank, den schüchternen Dennis und den schwulen Mickie um Längen hinter sich lassen?"

Produziert werden soll das Ganze von der Tresor Entertainment GmbH. Die in München ansässige Firma hat durchaus Erfahrung mit TV-Programm, das sie vermutlich für pädagogisch wertvoll hält: Popstars, Germanys Next Topmodel und Die Supernanny sind dort verortet. Man darf also vermuten, dass man auch bei 50 pro Semester nicht allzu zimperlich angelegt ist.

Geboten wird eine Scripted Reality Show, also eine Inszenierung, der die Form einer Dokumentationssendung gegeben wird.

Natürlich kann man davon ausgehen, dass auch das Nachmittagspublikum nicht mehr glaubt, bei Richterin Barbara Salesch geschehe alles zufällig. Tatsächlich sind Laiendarsteller und C-Schauspieler, die ein Drehbuch abarbeiten, die Norm.

Kritik der Kirchen

Dennoch muss man nicht besonders prüde sein, um im Fall Pro Sieben die Frage zu stellen: Was suggeriert der Sender eigentlich damit? Ist das, was vom 18. Januar an zunächst getestet werden sollte, wirklich ein geeignetes Familienprogramm? Wie genau soll dieses Format aussehen?

Fragen dieser Art von sueddeutsche.de konnte und wollte der so freizügige Sender nicht direkt beantworten.

Die Erklärung für die Zurückhaltung ergibt sich aus der knappen Pressemitteilung: Nach öffentlicher Kritik - Vertreter von Kirchen und Jugendämtern hatten gegen das Format protestiert - habe man sich entschieden, den Startpunkt der Serie auf unbekannte Zeit zu verschieben.

Zwar sei man sich, so Pro-Sieben-Sprecher Christoph Körfer in einer Agenturmeldung, sicher, dem Jugendschutz gerecht zu werden. Die Abteilung Jugendschutz und Programmberatung des Senders betreue schließlich das Projekt und gewährleiste, dass "sowohl medienrechtliche Vorschriften als auch Ethik und Moral" sich widerspiegelten.

Und diese Normen widersprechen offenbar dem freizügigen Konzept der Sendung nicht: "Selbstredend dürfen diese positiven menschlichen Bedürfnisse auch am Nachmittag thematisiert werden", mailt Körfer in die deutschen Redaktionen.

Das bedeutet, dass Pro Sieben es als "menschliches Bedürfnis" empfindet, 50 Partner pro Semester zu erobern. Somit würde sich ein deutscher Privatsender vollends dem Status einer Bedürfnisanstalt nähern.

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