Politischer Dresscode:Eine kleine Stilkritik

Die Top Five der westlichen Politikerinnen pflegen ihren eigenen Stil: Schön so, denn sie machen auch modisch eine bessere Figur als ihre männlichen Kollegen.

Sabine Resch

Macht, so ließe sich sagen, macht sichtbar. Wer Einfluss hat und Entscheidungen gegen Widerstand durchsetzt - so die Definition im Sinne des Soziologen Max Weber - unterstreicht dies gern mit gewissen Merkmalen. Monarchen bedienen sich hierfür bei den obligatorischen Abzeichen staatlicher Macht und Würde: Krone, Zepter, Reichsapfel, vielleicht noch Hermelin und Samt.

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Das gilt für Könige und Königinnen gleichermaßen. Bei den Staatslenkern der Demokratie ist derlei opernhafter Pomp selbstredend hinfällig. Schade eigentlich. Denn die politische Klasse trägt heute, wie auch die Wirtschaft, das moderne, aber auch etwas monotone Ensemble des Seriösen: dunkler Anzug mit Krawatte.

Es ist inzwischen undenkbar, diese Gesinnungsuniform abzulegen, ohne sich sofort wie einst Joschka Fischer in Turnschuhen als provokanter Revoluzzer zu enttarnen. Tony Blair in Schwarz mit roter Krawatte geht. Aber US-Präsident George W. Bush im roten Anzug mit schwarzer Krawatte neben seiner Regierungstruppe in Anthrazit? Eben.

Eine Regierungschefin im roten Kostüm dagegen ist gar nicht so abwegig. Nehmen Frauen ihren Platz ganz oben in der Politik ein, sehen sie selten aus wie ihre männlichen Kollegen. Das liegt zum einen daran, dass die Frau nach wie vor Hauptträgerin der Mode ist.

Zum anderen überwiegt in eben jener Mode - Jeans und T-Shirt zum Trotz - strikte Geschlechtertrennung.

Man trennt sich nur ungern von der prinzipiellen Zuweisung der Garderobe bei Mann und Weib; hier erweist sich die vermeintlich flippige Branche kurioserweise als konservativ und starr, gar nicht so trendy, offen und flexibel wie ihr Ruf. Zu leicht gemacht, wer da forderte, Politikerinnen sollten sich doch einfach wie ihre männlichen Kollegen kleiden, wie Geena Davis es in der US-TV-Serie "Mrs. President" vormacht, in Anzug mit Krawatte eben. Doch schon murrt das Volk: "... sieht ja aus wie ein Mann."

Regierungschefinnen unterliegen also in einer Disziplin nie dem politischen Dresscode ihrer männlichen Kollegen. Die Vielfalt der stilistischen Lösungen, mit der Powerfrauen die Kleiderfrage beantworten, lässt tief in die Seele ihrer Trägerinnen blicken.

Nie waren so viele Frauen in den wichtigsten Staaten der westlichen Welt an den Schaltstellen politischer Macht wie heute.

Hier die aktuellen Top Five:

In dieser Woche wurde zum ersten Mal in der Geschichte der USA eine Frau Kongresschefin und waltet so auf der drittmächtigsten Position des Landes.

Vor zwei Monaten ebnete man in Frankreich den Weg für die Präsidentschaftskandidatur einer Sozialistin.

Seit gut einem Jahr hat Deutschland eine Frau Bundeskanzler, was einem US-Magazin reicht, sie die mächtigste Frau der Welt zu nennen.

Zum zweiten Mal ist eine Frau Chef im US-Außenministerium.

Und seit einiger Zeit grüßt aus der Ukraine eine Frau in den einflussreichsten Polit-Rollen, mal als Revolutionsführerin, mal als Premierministerin, mal als Oppositionsführerin.

Alle fünf pflegen ihren eigenen Politikerinnen-Dresscode, jede erkennbar an den Insignien ihrer weiblichen Macht.

Eine kleine Stilkritik

Nicht ohne meine Kette - Angela Merkel (52), Doris Day der deutschen Politik. Angela Merkels Stilfindung ist in diesem Land hinlänglich diskutiert worden.

Nebenbei bemerkt: Nie wurde, abgesehen von Schröder in Brioni, ein ähnlicher Diskurs über Fehler in der Männergarderobe geführt, obwohl es an einigen Stellen nötiger war, ist und sein wird, als es bei Angela Merkel je war. Meinungsumfragen zum deplatzierten Siegelring bei Joschka Fischer oder dem fehlenden Attraktivitätsgrad von Flunsch-Gesicht Roland Koch blieben aus.

Aber das klägliche Bild und anfangs immer wieder bemitleidete Mienenspiel Angela Merkels beschäftigte Bürger und Medien mehr als die politische Tagesordnung. Volk und Medien schienen zu vergessen, dass Merkel sich anschickte, Bundeskanzlerin zu werden, nicht Prada-Teufelin.

Die Physikerin Angela Merkel vertritt den Stiltyp der Asketin (modeimmun). Um aus der Kanzlerin wenigstens eine Funktionale (trendimmun, aber nicht modeimmun) zu machen, bildete sich eine Art Task Force für Merkel-Mode, rekrutiert aus dem Dunstkreis der seriösen Berliner It-Girls wie Sabine Christiansen, Friede Springer und Inga Griese samt Frisör, verantwortlich für gewalztes Haupthaar. Mit dem Ergebnis - Merkel in veritablen, klassischen Hosenanzügen der Hamburger Designerin Bettina Schoenbach - ist die Republik zufrieden.

Die Grande Dame steht zwar dank mitunter gewagter Knallfarben und Knöpfe, deren Durchmesser olympischen Medaillen Konkurrenz macht, neben ihren Koalitionsmitgliedern wie der sprichwörtliche bunte Hund.

Dennoch ist sie die Doris Day der deutschen Politik: ordentlich angezogen, toupierte Ballonfrisur, immer lieb lächelnd und gnadenlos unterschätzt, bis sie unerwartet zuschlägt. Doris Day schleuderte gern Torten ins Gesicht ihres Film-Ehemannes; Merkel gern Polit-Torten wie das grandiose Ergebnis ihrer Wiederwahl zur Parteivorsitzenden (93 Prozent), das beim gehörnten Rest des männlichen Parteivorstandes gewirkt hat, wie ein Stück Butterkremtorte ins Politiker-Gesicht.

Dem Ruf nach mehr Weiblichkeit kommt Merkel ganz anders nach. Sie hat ein dezentes Zugeständnis zum Femininen gefunden, das gerade so viel Weiblichkeit wie nötig (fürs Volk) und möglich (für sie selbst) bietet: die Halskette. Was einst die Handtasche für die Ex-Premierministerin Großbritanniens Margaret Thatcher und die Brosche für Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright, ist die Kette für Angela Merkel. Oft Edelmetall, selten Perlen, bei großen Anlässen mit gewichtigem Anhänger.

Was bedeutet eine Kette, aufgereiht, gebunden, gar gefesselt? "Halsketten stehen für Verbindung", sagt Schmuck- und Modedesignerin Diane von Fürstenberg. Ist ja auch Aufgabe eines Politikers, Konsens zu schaffen. Merkel als Bindeglied zu all den Herren unter ihr. Von Fürstenberg weiter: "Schmuck symbolisiert Macht."

Nicht ohne Armani-Anzug - Nancy Pelosi (66), Missis Proper. An dieser Stelle stand bis November letzten Jahres noch Hillary Clinton, nun träumt die Senatorin New Yorks wahrscheinlich von der ersten Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Welt hat aber mittlerweile eine neue, mächtigere Frau auf dem Schirm: Nancy Pelosi.

Sie ist die erste Mrs. Speaker des US-Kongresses. Und das ist die Position direkt nach Präsident und Vize, vergleichbar mit dem Amt des deutschen Bundestagspräsidenten. Pelosi verhält sich als solche gar nicht lieb und brav und weiblich. An ihrem Beispiel wird deutlich: Die so oft zitierte Weichheit ist keine Insignie weiblicher Macht. Wer Macht hat und sie halten will, muss unbeliebte Entscheidungen treffen, Ellbogen haben, egal ob Mann oder Frau.

Pelosis Wahrzeichen ist schon jetzt der Armani-Anzug. Sie trägt ihn mit Perfektion. Die Anzüge des Italieners bedeuten vor allem eines: Weichheit und Strenge zugleich. Kein Zufall, dass Pelosi nicht im Rock neben ihren Kollegen steht (zu konservativ). Auch kein Zufall, dass sie einen Designer trägt, dessen Maxime es ist, der körperlichen Zeichnung des Geschlechts auch im Anzug gerecht zu werden. Auf jene Aussage hat sich letztlich auch Hillary Clinton immer verlassen. Pelosi lässt keine Zweifel an ihrer Weiblichkeit aufkommen - schließlich ist sie fünffache Mutter und Großmutter. Sie macht das Feminine gar nicht erst zum Thema. Sie ist es einfach.

Eine kleine Stilkritik

Nicht ohne offenes Haar - Ségolène Royal (53), Polit-Bond-Girl. Ganz anders die neue Allzweckwaffe der französischen Sozialisten: Ségolène Royal betont geradezu alles, was man gemeinhin für weiblich hält. Fotos vom Wochenbett beim Stillen gibt's genauso von ihr wie durchaus sexy Bikini-Motive aus dem Sommerurlaub 2006. Sie nennt sich selbst Gazelle und sieht sich inmitten einer Elefantenrunde von Männern. Abgesehen von ihrem Lebensgefährten François Hollande gönnt ihr offenbar keiner den Erfolg. Aus lauter Verzweiflung ließ sich Laurent Fabius, Gegner in der eigenen Partei, dazu hinreißen, zu fragen, wer denn auf ihre vier Kinder aufpasse, während sie Politik macht. Armer Kerl.

Royal legt sich nicht so fest, was die Hose-oder-Rock-Frage angeht. Obwohl sie auffallend oft Outfits des jungen französischen In-Labels Paule Ka trägt, womit sie eine gelungene Mischung aus bester klassisch-französischer Kleidersprache und Modernität darstellt.

Etwas anderes fällt bei Royals Styling auf: das allzeit offene Haar. Wollte sie ihre Weiblichkeit neutralisieren, könnte sie ja klassischerweise die Haare zum Chignon nach hinten binden, wie es sich für klassische Business-Women gehört(e). Aber nein, das dunkle, halblange Haar fällt locker und kokett auf ihre Schultern. Kein Haarlack bändigt ihre Mähne, gern fällt ihr dabei auch eine Strähne ins Gesicht: Sie kann sich den Out-of-bed-Look leisten, der Jugend ausstrahlt und Sexyness zugleich. An ihrer politischen Kraft zweifelt trotzdem niemand mehr. Begehrenswert und erfolgreich - das perfekte Polit-Bond-Girl eben.

Nicht ohne mein Kostüm: Condoleezza Rice (52), Polit-Domina. Die zweite Außenministerin der USA, Condoleezza Rice, hat eine Vorliebe für hohe Absätze und die taillierten Kostüme des Schweizer Luxus-Prêt-à-porter-Labels Akris: das klassisch-konservative Bild einer Frau, die vorgerückt ist in vermeintliche Männerbastionen.

Trotz Rock und Pumps wirkt sie androgyner als ihre Kolleginnen in Hosen. Sie trägt ihre blauen Goldknopf-Kostüme wie eine Militäruniform, ihre Helmfrisur mit disziplinierter Strenge. Am deutlichsten wurde der mächtige Rice-Stil bei der Militärparade in Wiesbaden 2005, als sie hochhackige, schwarze Lackstiefel zum streng geschlossenen Mantel trug.

Ein klarer, ein symbolischer Look; die Botschaft identisch mit Condoleezzas Haltung: Unter den weiblichen Polit-Stars ist sie die Domina, Politik als Peitsche.

Nicht ohne meinen Zopf - Julia Timoschenko (46), Polit-Barbie. Ihre Rolle als Jeanne d'Arc des Ostens spielt Frau Timoschenko seit der Orangenrevolution in der Ukraine. Was die ehemalige Oligarchen-Ehefrau, Wirtschaftswissenschaftlerin und Mutter einer Tochter auf dem politischen Parkett vorführte, überzeugte das Volk.

"Die Frau mit dem gewaltigen Mundwerk und der großen Portion Mutterwitz" (FAZ) ist die modische Exzentrikerin unter den Kolleginnen. Politisch führte Julia Timoschenko ihr Land erst durch die Revolution, dann sich selbst ins Amt der Premierministerin und schließlich wieder zurück in die Opposition. Modisch gab und gibt sie dabei das Supermodel. Vor ihrer Zeit als Politikerin sah Timoschenko fast unscheinbar aus, nachlässig gekleidet, brünettes Haar.

Erst in der Politik griff sie zu den Spielarten der Mode und mutierte zu einer echten Polit-Barbie: blond, reich, perfekte Figur und Playgirl der ukrainischen Politik. Dabei verbindet sie clever Tradition und Modernität. Mit ersterer vergrault sie die Konservativen nicht, mit letzterer gewinnt sie die Jugend. Ihr stärkstes Symbol: der ums Haupt gelegte blonde Zopf, den ukrainische Bäuerinnen tragen und der mal wie eine Krone leuchtet, mal wie ein Heiligenschein. Ihre Outfits dagegen übersteigen mitunter das Jahresgehalt eines ukrainischen Arbeiters.

Legendär: Das Couture-Kostüm mit Nadelstreifen und Spitzeneinsätzen von Christian Lacroix, das sie am Tag ihrer Vereidigung als Regierungschefin zu High Heels trug.

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