Politiker-Kochbuch:Imagepflege auf kulinarisch

Was Politiker anrichten, wenn sie mal nicht Politik machen, zeigt das Kochbuch "Das Parlament kocht". Doch neben Frau Merkels und Herrn Westerwelles Lieblingsgerichten wird auch hübsch dekorierte Polit-PR serviert.

Mirja Kuckuk

Wer glaubt, bei den Herren Ministern und Frauen Ministerinnen bleibt die Küche kalt, hat weit gefehlt. 52 Bundesminister, Abgeordnete und sogar die Kanzlerin hat der Tre Torri Verlag zum Kochen gebracht. Ihre Lieblingsrezepte samt ihrer - nennen wir sie mal - Anekdoten kann man in "Das Parlament kocht - Was Politiker so anrichten" nachlesen. Zwar habe man neben all den Ausschuss- und Fraktionssitzungen eigentlich gar keine Zeit zum Kochen, doch letztendlich outet sich in dem 220-Seiten-Band doch so mancher als Hobbykoch.

Guido Westerwelle

In gewohnter Pose: In der Küche zeigen sich Guido Westerwelle und seine Kollegen nicht.

(Foto: Foto: Johannes Grau für CPA)

Angela Merkel fährt am liebsten in die heimische Uckermark und kredenzt dort Gans mit Knödeln oder besser noch - Grünkohl. Kein Wunder, schließlich wurde die Kanzlerin 2001 von traditionstreuen Oldenburgern zur Grünkohlkönigin gewählt. Damals erklärte sie ihre Vorliebe für das Kohlgemüse so: "Es ist robust und scheut den Frost nicht. Es ist ein Gewächs, das etwas wegstecken kann und immer schmackhafter wird." Das hat wohl jeder begriffen: Würde Frau Merkel als Gemüse wiedergeboren, dann sicher als winterharter Kohl.

Kochen nach politischer Formel

Auch als Kanzlerin macht sie dem königlichen Titel alle Ehre. Neben der PR in eigener Sache fügt sie - ganz staatsoberhäuptisch - hinzu: "Winterzeit ist Grünkohlzeit". Kochen ohne knackige Formel geht also nicht. Und auch nicht ohne mahnenden Zeigefinger: "Denn der Kohl ist nicht nur lecker, sondern auch sehr gesund!"

Die erste Frau im Lande macht vor, weshalb das in der Idee außergewöhnliche Kochbuch nicht unbedingt Appetit auf mehr macht: Die Politiker, auch wenn sie kochen, vermeintlich plaudern und private Nähe suggerieren wollen, vergessen ihr Metier nicht.

Zu dem Lieblingsrezept gibt es - mit einem freundlichen Lächeln serviert - ein Motto, das man sich in seinem Duktus durchaus auf einem Wahlplakat vorstellen kann: "Winterzeit ist Grünkohlzeit" oder "Essen, trinken und Freundschaften halten Leib und Seele zusammen" (Verteidigungsminister Franz Josef Jung) oder "Ein gutes Essen schmeckt auch mit einem Glas Wasser" (Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul).

Dabei kommt die Aufmachung des Buches dieser schwer überlesbaren Imagepflege durchaus entgegen: Der Leser blättert sich durch einen Wechsel von Politiker-Porträt und Food-Fotografie und erkennt, dass die Kunst der Maquillage die Gleiche ist. Frisch frisiert, geschminkt und der Augenringe befreit, so lächeln Volksvertreter für gewöhnlich von Plakaten herab. Immer viel besser als man es jemals nachkochen könnte, schaut stets das Essen auf Kochbuchbildern aus.

Schaut her, wie bodenständig wir sind!

Die Rezepte sind natürlich nicht politisch gemeint, hier darf jede Partei ihr Süppchen kochen. Doch der ein oder andere Hobbykoch lässt es sich einfach nicht nehmen, zum Wähler, nicht zum Esser zu sprechen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung kennt natürlich nicht nur Erbsensuppe und Gulaschkanone, denn: "Deutsche Soldaten kochen hervorragend und abwechslungsreich. Wir achten sehr auf eine gesunde Ernährung."

Kochen mit Politikern ist eine patriotische Angelegenheit. FDP-Mann Rainer Brüderle erklärt: "Land und Leute sind meine Heimat. Und zur Heimat gehören für mich auch die typischen Gerichte der Region." Bei Bildungsministerin Annette Schavan kommt Kartoffelsuppe auf den Tisch (Denn merke: "Auch eine Suppe kann eine Brücke schlagen."). Claudia Roth und Andrea Nahles schwören auf großmütterliche Hausmannskost: Allgäuer Spätzle mit eingemachtem Kalbfleisch und Kartoffelpüree mit Sauerkraut.

So gar nicht an Arbeiteressen mag derweil Oskar Lafontaine denken. Der bekennde Gourmet der Linkspartei schlägt eine kleine, aber feine mediterrane Vorspeise vor. Auch Guido Westerwelle versteigt sich auf die italienische Küche - Bandnudeln mit Lachs kocht er am liebsten für Freunde. Doch Pasta reißt sowieso alle Parteigrenzen nieder: Nudeln mögen sie alle gern, so viel Konsens darf sein.

Doch ehe wir sagen können "Mensch, geht's uns gut!", blickt das Buch zu guter Letzt doch noch über den Politiker-Tellerrand hinaus - und wird politisch außerordentlich korrekt: Ein Beitrag aus dem Projekt geht als Spende an die Stiftung "Alfred Biolek - Hilfe für Afrika".

"Das Parlament kocht. Was Politiker so anrichten...", Tre Torri Verlag, Wiesbaden, 220 Seiten, 19,90 Euro.

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