Politik:So reich, so arm

Politik: Wäre Vermögen ein Baguette, wäre es in Deutschland so verteilt: Einem einzigen von zehn gehört mehr als die Hälfte (im Bild links). Die andere Hälfte gehört vier Leuten (rechts). Und die restlichen müssen sich um nur ein Prozent streiten. Zeichnung: Jan Reiser

Wäre Vermögen ein Baguette, wäre es in Deutschland so verteilt: Einem einzigen von zehn gehört mehr als die Hälfte (im Bild links). Die andere Hälfte gehört vier Leuten (rechts). Und die restlichen müssen sich um nur ein Prozent streiten. Zeichnung: Jan Reiser

Manche Menschen in Deutschland haben ein riesiges Vermögen. Anderen reicht ihr Geld nicht zum Leben. Warum sind die Unterschiede noch immer so groß? Und warum ist das so gefährlich?

Von Pia Ratzesberger

Seit jeher erzählen die Märchenbücher von wohlhabenden Königen, von edelsteinbesetzten Kronen, von Kammern voller Gold. Aber sie erzählen auch von Bettlern, von in Lumpen gehüllten Männern und Tellern ohne Essen. Schon immer gab es in der Geschichte der Menschheit Arm und Reich. So arm wie in den Märchen ist heute in Deutschland zum Glück niemand mehr, niemand muss mehr hungern. Doch große Unterschiede zwischen reichen und armen Menschen gibt es immer noch, in Deutschland sind die Unterschiede sogar so groß wie in nur wenigen anderen Ländern in Europa. Und das ist ziemlich gefährlich.

Die reichsten zehn Prozent der Deutschen besitzen mehr als die Hälfte allen Vermögens im ganzen Land. Nur wenigen Menschen gehört also viel. Wer Geld hat, für den ist vieles leichter. Er kann sich die besten Ärzte leisten, die besten Lehrer, die besten Anwälte. Für ihn ist es auch leichter, noch mehr Geld anzuhäufen: Der Verdienst der Leute in Deutschland, die ohnehin gut verdienen, steigt. Zum Beispiel, weil diese Leute nach dem Einkauf im Supermarkt immer noch Geld übrig haben. Das können sie anlegen: Sie können Häuser kaufen, ganze Waldstücke oder Aktien an der Börse. Gerade in den vergangenen Jahren konnte man mit Aktien ziemlich viel Gewinn machen. Wer reich ist, wird dann noch reicher.

Das Geld der meisten Menschen aber vermehrt sich nicht. Sie haben nicht genug Geld, um Häuser zu kaufen und durch den Verkauf reich zu werden. Und die Armen haben sogar immer weniger Geld. Zum Beispiel, weil es mehr schlecht bezahlte Jobs gibt als früher. Firmen konkurrieren mit anderen Unternehmen auf der ganzen Welt. Sie stehen deshalb unter größerem Druck als früher, ihre Produkte so günstig wie möglich herzustellen. Nur wer seine Waren billig anbietet, kann viel verkaufen. Vor allem junge Leute, teils mit schlechter Ausbildung, arbeiten dann für geringe Löhne in diesen Firmen. Manche Menschen verdienen sogar so wenig, dass ihnen ein Job nicht zum Leben reicht. Sie müssen mehrere gleichzeitig machen, oder der Staat muss sie mit Geld unterstützen.

Diese Leute haben dann das Gefühl, dass sich ihre Arbeit überhaupt nicht mehr lohnt. Das ist ein großes Problem. Denn es gab zwar schon immer Arm und Reich. Aber ein Land kann nur funktionieren, wenn die Ärmeren das Gefühl haben, auch reich werden zu können, sofern sie sich nur genug anstrengen. Es ist wichtig, dass sich jeder fair behandelt fühlt. Wenn das nicht so ist, geht der Glaube an die Gemeinschaft verloren, und das gefährdet das Zusammenleben. Deshalb haben sich auch Königreiche nicht bewährt: Für die Bettler war klar, dass sie nie so ein Leben führen werden wie der König auf dem Thron. Politiker diskutieren deshalb darüber, wie man die Ungleichheit bekämpfen kann.

Lexikon: Vermögen

Mit Vermögen sind all das Geld und all die wertvollen Dinge gemeint, die jemand neben seinem monatlichen Gehalt zusätzlich hat. Das können zum Beispiel Münzen und Scheine in einem Tresor sein, ein Ferienhaus, Diamanten oder Aktien - das sind Papiere, mit denen man sich ein kleines Stück einer Firma kauft. Wenn man das Vermögen aller Haushalte in Deutschland zusammenrechnet, kommt man auf 6,3 Billionen Euro. Viele Menschen aber haben gar kein Vermögen oder sogar Schulden. Das heißt, dass sie Geld zurückzahlen müssen, das sie sich geliehen haben.

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