Philosophischer Alltag:Innerer Reichtum

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Wer arm ist, hat es selbst verbockt. Wer reich sein will, muss "Omega. Im inneren Reichtum ankommen" (Arkana) lesen. Versprechen zumindest die Autoren Ruediger Dahlke und Veit Lindau. (Foto: Verlag)

Viele Menschen empfinden einen großen Mangel in ihrem Leben. Ganz falsch, finden Ruediger Dahlke und Veit Lindau. Mangel gibt es gar nicht, es gibt nur ein falsches Wollen, sagen sie. Aber was wollen uns die Autoren damit sagen? Fragen über Fragen.

Von Julia Rothhaas

Wir Armen. Kaum sind wir auf dieser Welt gelandet, wollen wir mehr - am besten von allem. Und weil das nie genug ist, fühlen wir uns schlecht, und strampeln so fest, wie wir nur können. Großer Fehler, sagen die beiden Autoren, die das Buch "Omega. Im inneren Reichtum ankommen" im Wechsel geschrieben haben. Stattdessen propagieren sie Folgendes: "Reichtum ist dein Geburtsrecht. Das Gute, das Wahre und das Schöne ist in allem. Mangel ist nicht real, sondern ein Irrtum im Geist." Noch Fragen? Oh ja.

Hier also wieder ein Ratgeber, der den Menschen beibringen möchte, wie man sich von den hohen Erwartungen löst. Daran ist zunächst nichts auszusetzen. Doch dieses Buch ist nur für diejenigen gedacht, die keinen echten Mangel kennen, sondern sich im Lotus-Sitz selbst verknotet haben. Die nach mangelndem Sinn in ihrem Leben trachten, aber nicht etwa als Alleinerziehende damit zu tun haben, genug Geld für den Monat zusammenzubekommen, nicht seit Jahren an einer Krankheit leiden, nicht hungern müssen oder frieren. Der Satz "Mangel ist nicht real" ist fürchterlich zynisch und kann nur funktionieren, solange es nicht um wahren Mangel geht.

Das sehen die Autoren immerhin ein. "Allein an diesem Tag werden circa 20 000 Kinder wegen Unterernährung sterben. Warum? Weil es an Nahrung fehlt? Natürlich nicht!" Schuld sei der Überfluss in Form sinnloser Verschwendung von Nahrungsmitteln. Das ist richtig, doch weiter zu behaupten, Mangel sei eine menschgemachte Illusion, macht beim Lesen nur sauer.

Die beiden Autoren kennen sich mit Mangel aus. Sagen sie. Ruediger Dahlke ist seit fast 40 Jahren Fastenarzt (Online-Fasten, Genussfasten, Fastenwandern), doch wie er selbst in einem Interview sagte, lebt er gut situiert, kann von seinen Büchern gut leben und verbringt seine Winter gerne auf Bali. Veit Lindau, Buchautor ("Seelengevögelt") und Selbstverwirklichungs-Coach, hatte immerhin mal "zwei hoffnungslos überzogene Konten", denen es inzwischen besser gehen dürfte dank der Teilnahmegebühren an seinen Workshops.

Um die Fülle neu zu entdecken, ist das Buch in zwölf Lebensprinzipien unterteilt, die die Komplexität unserer Psyche repräsentieren sollen (Mars-Widder-Prinzip, Jungfrau-Merkur-Prinzip, usw.). Muss man nicht verstehen. Nach jedem Kapitel gibt es Fragen und Handlungsempfehlungen. Setzt man die zusammen, wird es lustig: "Besitze ich meinen Besitz oder bin ich schon besessen davon?" (Dahlke) "Lege dir einen Haufen Geld auf den Nachtisch und sprich vor dem Einschlafen damit." (Lindau) Oder: "Wie viel Sinn finde ich in meinem Leben?" (Dahlke) "Schaue Bibelverfilmungen an." (Lindau)

Am Ende erläutern sie ihre Thesen am Beispiel der Flüchtlingskrise. Es mag gut gemeint sein, aber nach Sätzen wie "Die meisten Flüchtlinge suchen wohl Fülle bei uns ... wir könnten ihnen verraten, wie das ganz legal geht", muss das Buch sofort weg. Man fühlt sich sonst ziemlich leer.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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