Persönliche Dienstleister:"Darum müssen Sie sich kümmern!"

Schlange stehen, Krimskrams vertickern, mit Handwerkern streiten: Immer mehr Menschen lassen sich von Profis durch den Alltag helfen. Denn: Zeit ist Geld.

Violetta Simon

Heute ist Freitag. Patrick Tracht kommt aus dem Supermarkt. Er stellt die Tüten in der Küche ab und räumt Säfte, Wein, Tonic in die Speisekammer. Es sind dieselben Sorten, die er bereits vergangenen Freitag und all die anderen Freitage zuvor gekauft hat. Einiges steht nun doppelt oder dreifach in dem blütenweißen Regal.

personal assistant

Hilfe! Immer mehr Menschen lassen sich auch im Alltag unter die Arme greifen.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Tracht prüft das Verfallsdatum und sortiert aus, was abgelaufen ist. Auch im Kühlschrank schafft er Platz, bevor er Joghurt, Truthahnschinken und Light-Käse derselben Marken hineinschlichtet. Dann wirft er einen prüfenden Blick in die Müslidose und schüttelt missbilligend den Kopf - leer. Gleich hat er eine neue Packung Müsli "für Sportliche" in der Hand und und schüttet den Inhalt in die Dose.

Bevor Tracht die Wohnung verlässt, beseitigt er Krümel, entsorgt Einkaufstüten und Verpackungen. Im Vorbeigehen prüft er den Wasserstand in der Vase mit den Lilien und zupft ein paar verwelkte Blüten ab.

Aber Patrick Tracht wohnt gar nicht hier. Die Wohnung gehört einem Geschäftsmann, der viel unterwegs ist und wenig Zeit hat. Der perfekte Kunde also für eine Geschäftsidee, die sich immer mehr etabliert, in der Servicewüste Deutschland jedoch nach wie vor mit Vorurteilen zu kämpfen hat: "Ein Personal Assistant Service? Das kann ich mir nicht leisten", denken viele.

"Es stimmt nicht, dass unser Service nur was für wohlhabende Leute ist, im Gegenteil", sagt Tracht, der sein Ein-Mann-Unternehmen in München betreibt. Sein Service spare Zeit und damit Geld. "Wir wollen Menschen ansprechen, die viel arbeiten und ihre Zeit lieber in ihre Kernkompetenz stecken, statt sie mit Behördengängen und Wäsche waschen zu verbringen", sagt der Klein-Unternehmer. Dafür sei deren Stundensatz zu hoch und ihre Zeit zu kostbar.

Jede Leistung hat ihren Preis, die Bezahlung erfolgt über ein Punktesystem: Ein Punkt kostet einen Euro. Behördengänge 35 Punkte, Einkaufsservice 15, Handwerkertätigkeiten 35, Sportergebnisse recherchieren 10 Punkte. Der Kunde bezahlt, der Dienstleister erledigt.

Hemmschwelle abbauen

Das eigentliche Problem sei nicht der Kostenfaktor, sondern die Hemmschwelle, private Erledigungen abzugeben, meint der gebürtige Dresdner. Die meisten seiner Kunden sind nicht mit Hauspersonal aufgewachsen und finden es zunächst gewöhnungsbedürftig, einen Fremden mit Einkäufen, der Wäsche oder dem Gang zum Postamt zu beauftragen.

"Es gibt Geschäftsleute, die überaus erfolgreich sind in dem, was sie tun. Doch wenn man ihnen nicht auf einen Zettel schreibt, dass sie einatmen und ausatmen sollen, ersticken sie", beschreibt Tracht einen Teil seiner Kundschaft. "Und genau dazu sind wir da".

Jeden Freitag schaut Tracht als erstes nach dem Range Rover und dem Porsche in der Garage. Sind sie nicht gerade unterwegs, werden sie betankt und gewaschen. Wenn nötig, zur Werkstatt gebracht. Dann geht es hoch in die Wohnung - Einkäufe und saubere Wäsche einräumen, die Sachen für die Reinigung mitnehmen und alle 14 Tage die Betten beziehen. Diesmal muss der 28-Jährige noch nach einem Regal sehen, das sich gelockert hat. Er betritt den begehbaren Kleiderschrank, ruckelt an dem Brett mit den Shirts - dazu braucht er keinen Handwerker, nur geeignete Dübel und eine Bohrmaschine. In diesem Fall fällt die Sonderleistung finanziell noch nicht einmal ins Gewicht - der Kunde hat einen Flatrate-Vertrag.

Der Mann für alles bezeichnet sich selbst als "persönlicher Zeitlieferant", der die Lebensqualität seiner Kunden steigert, indem er ihnen Freiräume schafft. Im Gegensatz zu den stärker verbreiteten Concierge-Services, die Dienstleistungen wie in einem Hotel anbieten, Limousinen, Privatjets oder Bankette organisieren, kümmert sich Tracht auch um das, was sonst noch im Leben eines Menschen - geschäftlich wie privat - an Aufgaben anfällt: Wäsche, Einkäufe, Reparaturen, Behördengänge, Blumenlieferung, aber auch Werkstatttermine, Stilberatung oder die Vermittlung einer Kinderbetreuung. Entsprechend dieser Philosophie hat sich Patrick Tracht für sein Unternehmen den etwas komplizierten Namen "Solveith" ausgedacht, abgeleitet von "Solve it".

Auch andere Personal Assistance Services, wie etwa "Agent CS" in Frankfurt oder die "Care Taker" in Hamburg, die mittlerweile Niederlassungen in München, Berlin und Kiel betreiben, haben den Trend erkannt: "Wir vereinfachen unseren Kunden nicht nur ihren Alltag oder Arbeitstag mit etlichen intelligenten Services, sondern navigieren sie durch die stressiger und komplexer werdende Welt", wirbt "Agent CS"-Gründer Jens Schlangenotto für sein Unternehmen. Ein Ferienappartement in Davos finden, die Besprechung in London organisieren - alles kein Problem.

Darum müssen Sie sich kümmern

Patrick Tracht muss rasch noch zu einer kleinen Agentur in der Münchner Innenstadt - frische Milch bringen und Hemden, Blusen und Anzüge aus der Wäscherei. "Wir kriegen unsere neuen Möbel", sagt einer der Herren zu Tracht, "darum müssen Sie sich kümmern". Kümmern, das heißt in diesem Fall: Einen Termin mit der Spedition vereinbaren, einen Lkw organisieren und die alten Möbel einlagern. Mit solchen Unannehmlichkeiten muss sich der Kunde nicht herumärgern. Jedenfalls nicht, wenn er bereit ist, die gewonnene Zeit zu entgelten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Tracht in ein Geschäft einbrach ...

"Darum müssen Sie sich kümmern!“

"Es gibt eigentlich kaum etwas, das wir nicht erledigen", fasst Tracht zusammen. Seinen kompliziertesten Einsatz erlebte er im vergangenen Dezember: Eine Kundin wollte einen 4,50 Meter hohen Weihnachtsbaum - soweit nichts Unmögliches. Tracht hatte die Tanne bestellt und sollte sie bis Samstagmittag bei der Baumschule abholen. Als er dort eintraf, war bereits geschlossen. Nach einem Telefonat mit dem Geschäftsführer erhielt er die Erlaubnis, in das Geschäft "einzubrechen" und den Baum zu holen. Tracht musste über zwei Zäune und eine vier Meter hohe Mauer klettern, den Baum suchen und stand schließlich mit dem 60 Kilo schweren Riesen unterm Arm vor der Herausforderung, das Ding hinaus zu befördern. Dass ihm das gelang, er die Tanne auf dem Dach seines Kleinwagens transportierte und sie in den sechsten Stock - ohne Lift - schleppte, demonstriert die Einstellung des gelernten Wirtschaftsingenieurs: Geht nicht gibt's nicht.

Es stehen aber auch Aufträge auf dem Plan, die leichter zu bewältigen sein dürften: In einer renommierten Boutique in der Maximilianstraße bringt Tracht zweimal die Woche die gereinigten Outfits der Verkäuferinnen vorbei. Auch der angesagte Friseur im Lehel bekommt seine Wäsche zurück. Der Chef sei sehr anspruchsvoll, so dass man eigentlich immer irgend etwas falsch machen könne. Tracht findet das in Ordnung, schließlich sei jeder Service verbesserungsfähig. In manchen Fällen geht es jedoch nurmehr um Schadensbegrenzung. Wie neulich, als sämtliche Hemden eines Kunden nach der Reinigung Schnitte aufwiesen. Tracht kaufte erst einmal alle Hemden nach und legte sie in das Regal des Kunden. Den Rest regelte die Versicherung.

Der Problemlöser

Für eine Familie im Glockenbachviertel organisiert Tracht gerade die Hochzeit. Jedoch nicht als Weddingplaner, sondern im Kampf mit den Ämtern. Ein US-Bürger, der seit zehn Jahren in München lebt, möchte zum zweiten Mal heiraten und braucht dazu eine Unmenge an Unterlagen, die erst einmal beschafft und zum Teil übersetzt werden müssen. Es würde Tage kosten, diese Papiere zu besorgen. Oder eben 35 Punkte pro Behördengang. Auch um die US-Sozialversicherungskarte des Sohnes aus erster Ehe hat sich das Organisationstalent bereits gekümmert. Heute soll er für den gemeinsamen vierjährigen Sohn einen Reisepass abholen. Von der Lebensgefährtin nimmt Tracht Passfotos, Vollmacht und Antragsformular entgegen. Sabine Linde ist selbstständige Grafikerin und investiert jede freie Minute in ihre kleine Firma und ihr Kind. Sie fragt sich, warum sie nicht früher auf die Idee kamen, sich von einem Dienstleister unter sie Arme greifen zu lassen.

Am Anfang hatten sie sich ein wenig komisch gefühlt, auch Freunde hätte irritiert reagiert: "Ihr habt einen Personal Asistent? Habt Ihr zuviel Geld?" Und sie haben geantwortet: "Nein, nur zuwenig Zeit. Während jemand diese Dinge für uns erledigt, verdienen wir Geld und sparen Zeit, die wir für unser Kind und unseren Job verwenden." Mittlerweile haben das die meisten verstanden und inzwischen regt sich niemand mehr auf, im Gegenteil: Einige haben bereits bei dem Dienstleister angefragt.

Manchmal muss man die Menschen aber auch zu ihrem Glück zwingen: Einem Nachbarn, der Linde ständig zur Paket-Annahme, Blumengießen oder zum Empfangen des Heizungsablesers einspannte, hat sie letztes Mal statt einer Antwort einfach die Visitenkarte von Patrick Tracht gegeben.

Wenn er für die Familie nicht gerade mit Papierkram kämpft, kümmert Tracht sich um deren Haus. Es sei ein Desaster, undicht an allen Ecken und Enden, sagt Linde. Der Streit mit dem Bauträger raubt ihr nicht nur den letzten Nerv, sondern auch wertvolle Zeit. Zeit, die sie lieber in ihr Unternehmen stecken würde. Der Bauträger will nicht aufkommen für den Schaden. Nun hat "Problemlöser" Tracht übernommen. Er besorgt ein Gutachten, telefoniert mit Anwälten und bereitet alles für einen eventuellen Rechtsstreit vor. Ach ja, und noch etwas: Er half Sabine Linde, ihr Büro im Untergeschoss des Hauses eizurichten: Alles, was im Weg stand und nicht reingehörte, hat Tracht auf eBay vertickert, auf den Spermüll gebracht oder anderweitig entsorgt. Alles, was sie zurück bekam, waren die leeren Schachteln und die Einnahmen.

Kommt Tracht denn überhaupt dazu, seinen eigenen Haushalt zu schmeißen? "Ich gebe selbst alles in die Wäscherei und habe eine Zugehfrau", sagt er. Selbst, wenn er die Zeit dazu hätte: Alles andere würde seinen Prinzipien widersprechen.

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