Partnersuche im Internet:Mit der Schrotflinte auf Frauenjagd

Sechs Millionen Singles in Deutschland haben sich übers Internet gefunden. Dabei tickt Online-Dating ganz konventionell: Männer jagen, Frauen werden erbeutet.

Ines Schipperges

"Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen", stellte schon Loriot fest. Sollte Deutschlands ironischster Beziehungsexperte tatsächlich recht behalten? Auch professionelle Paarexperten scheinen ähnlicher Auffassung zu sein. "Liebe kann man nicht beherrschbar machen", erklärt Jurate Baronas, als Journalistin und Autorin ("Lessons in Love") in Sachen Beziehung tätig. Sie ergänzt: "Wir sind zu anspruchsvoll, weil wir uns nicht mehr binden müssen."

Jagd

Realität im Turbodurchlauf und Romantik light: Männer haben es ganz schön eilig, wenn es darum geht, die Traumfrau zu finden. Da wird dann beim Online-Dating auch schon einmal wahllos drauflosgeprescht.

(Foto: Foto: iStockphotos)

"Wir" sind natürlich die Frauen. Sie haben einen Beruf, sie verdienen sich ihre eigenen High Heels, sie brauchen keinen Mann. Was natürlich nichts daran ändert, dass sie trotzdem gerne einen hätten. Doch wo findet man den? Und wo findet er sie?

Die Wege der Partnersuche haben sich verändert und das Internet hat maßgeblich dazu beigetragen. Der Computer als Spielzeug, die Singlebörse als Spielwiese. Und jeder kann mühelos mitspielen. Joachim Rabe, Geschäftsführer der Singlebörse neu.de, ist der Meinung: "Online-Dating muss einfach sein, so einfach wie das tägliche Leben." Und Online-Dating ist tatsächlich einfach.

Spart Zeit, Emotionen und Enttäuschungen

Die Zielgruppe des Online-Datings sind die über 25-Jährigen, diejenigen, die "nicht die erste Erfahrung in der Liebe machen, sondern die zweite", wie Rabe erklärt. Leute, die wenig Zeit und ein ausgefülltes Leben haben, berufstätig sind, manchmal ein wenig einsam, und die sich nach Liebe und Geborgenheit sehnen. Erwartungen und Wünsche werden schon im Vorfeld abgeglichen, das spart Zeit, Emotionen und Enttäuschungen. "Realität im Turbodurchlauf" nennt der Experte diese Art des modernen Kennenlernens. Liebe im Schonwaschgang.

Schriftstellerin Barbara Sichtermann ("Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs") hält von all dem wenig. Online-Dating ist ihr "zu kuschelig und viel zu bieder". Sichtermann fehlt die Vorlaufphase - die Phase, in der noch keine Absichten gehegt werden, in der man vom anderen "einfach bewegt" ist und für die "Luft, Wind und Wetter, alles, was sinnlich ist" eine große Rolle spielen.

Auch für viele andere liegt genau dort das Problem dieser Entwicklung. Wie kann die Suche nach der Liebe einfach sein, wenn die Liebe selbst doch so gar nicht einfach ist?

Immer schon gab es Regeln für Beziehungen, für davor, für danach und für die Beziehung selbst. Doch was passiert, wenn sich mit der Evolution der Menschheit auch die Liebe, mit der Evolution der Liebe auch die Suche nach der Liebe entwickelt und verändert? Wir hangeln uns nicht mehr von Baum zu Baum, wir beharren nicht mehr darauf, dass der Mann das Geld heimbringt und die Frau das Essen auf den Tisch stellt - doch das neue Einmaleins der Partnersuche hat uns irgendwie keiner erklärt.

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Mit der Schrotflinte auf Frauenjagd

"Bei dem Thema kann jeder mitreden, wir sind alle Experten", meint Moderatorin und Autorin Kim Fisher ("Im Zeichen der Jungfrau"). Vielleicht sollte es eher heißen: Bei dem Thema kann jeder mitreden - denn wir sind alle keine Experten.

Experten-Roundtable

Die Experten unter sich im Gespräch. Von links nach rechts: Joachim Rabe (Geschäftsführer der Singlebörse neu.de), Henning Wiechers (Online-Dating-Fachmann), Kim Fisher (Moderatorin und Autorin), Barbara Sichtermann (Schrifstellerin) und Jurate Baronas (Journalistin und Autorin).

(Foto: Foto: Scholz&Friends Brand Affairs)

Und die, die das Thema zu ihrem Beruf gemacht haben, reden nicht nur gerne mit, sondern beobachten das Ganze auch ein wenig distanzierter. So wie Henning Wiechers, der mit dem Informationsportal singleboersen-vergleich.de in eine Marktlücke gestoßen ist und die Auseinandersetzung mit der Evolution der Liebe zu seinem Beruf gemacht hat.

Für ihn ist das Online-Dating ein Ersatzmechanismus. "Wir sind keine Dorfgemeinschaft mehr", sagt er. Mangels anderer Möglichkeiten muss das Internet als Plattform dienen. Als Pseudo-User durchforscht Wiechers die einschlägigen Seiten und stellt fest, dass Online-Dating konventioneller ist, als man denken sollte: Die Männer jagen, die Frauen werden erbeutet.

Nach dem Schrotflintenprinzip

"Auf alles, was sich da an Frauen bewegt, wird nach dem Schrotflintenprinzip losgeprescht", meint der Online-Dating-Experte. Da gibt es ein Profil, das die User anlocken soll. Lisa, blond, 25 Jahre alt. "Die funktioniert sehr gut", sagt Wiechers. Was hingegen nicht funktioniere und gerade für Frauen als Ausschlusskriterium fungiere, seien Rechtschreibschwächen und Holzhammer-Methoden à la "Ich stelle mir vor, wie ich an deinen Brüsten nuckele."

Die Frauen suchen Bildung, Charme und Feingefühl, die Männer suchen jung und blond? Klingt nach Klischee - und ist oft die traurige Wahrheit. Sozialwissenschaftler der Universität Bamberg stellten in einer repräsentativen Erhebung fest, dass die Frauen in Singlebörsen nicht nur selbst um einiges gebildeter sind als die Männer, sondern auch bei der Wahl ihres Partners wesentlich mehr Wert auf berufliche Qualifikationen legen.

Während für Frauen Erziehung, Beruf und Intelligenz in hohem Maße zur Attraktivität eines Mannes beitragen, ist dies umgekehrt selten der Fall. Und das Internet ist ein Abbild unserer Gesellschaft, wie Wiechers weiß.

Man mag über den Flirt via Mausklick geteilter Ansicht sein, doch die Zahlen verleihen ihm eine gewisse Daseinsberechtigung. Denn die beweisen: Jeder Dritte, der das Online-Dating intensiv nutzt, hat Glück, sechs Millionen Deutsche haben ihren Partner im Internet gefunden. Zwei bis 2,25 Millionen der Beziehungen sind bis heute intakt.

Wenn Eros aus dem Computer springt

Singlebörsen-Betreiber wie Rabe sehen es als ihre Aufgabe, den "Dialog zu gestalten". Neu.de wirbt mit dem Slogan: "Hier verliebt man sich". Rabe selbst will das mit Einschränkungen betrachtet wissen. Die Singlebörse kann den Kontakt herstellen - jedoch nur bedingt die Liebe initiieren.

Denn die kommt von selbst. Oder eben auch nicht. "Man kann sein Gefühl nicht überrumpeln", weiß Baronas. "Selbst wenn die Äußerlichkeiten stimmen." Doch man sollte seinem Gefühl auch nicht im Weg stehen, indem man sich an "himmelhohe Erwartungen" klammert. "Kannst du selbst erfüllen, was du von dem anderen erwartest?", gibt Baronas zu bedenken. Und sie rät, sich ans Online-Dating heranzuwagen - neugierig, unvoreingenommen und ohne Erwartungen. "Dann kann Eros auch aus dem Computer springen."

Sichtermann dagegen möchte sich eine "märchenhafte Vorstellung von der Liebe" bewahren. "Wir sollen Dating lernen? Der Herr bewahre uns!" Beziehungsregeln hält sie für "Irrsinn". "Eros mag es nicht, wenn er herausgefordert und herbeibefohlen wird."

Eben. "Liebe ist ja auch romantisch", erklärt Kim Fisher energisch. "Ach was?", würde Loriot antworten.

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