Chat: Fragen zum Thema Partnerschaft:Gibt es die große Liebe?

Eine glückliche Beziehung - was versteht man darunter? Und vor allem: Wie gelingt sie? Paartherapeut David Wilchfort hat Userfragen im Chat beantwortet - die Dokumentation.

Violetta Simon

Eine glückliche Beziehung - was versteht man darunter? Und vor allem: Wie gelingt sie und was kann man tun, wenn es nicht funktioniert? Fragen rund um das Thema Partnerschaft hat der Münchner Paartherapeut und "Paar Probleme"-Kolumnist David Wilchfort im Live-Chat beantwortet.

Streit

Man hat's nicht immer leicht miteinander. Wie man sich besser versteht, erklärte der Paartherapeut David Wilchfort im Live-Chat.

(Foto: iStockphoto)

Moderator: Hallo Herr Wilchfort, herzlich Willkommen zum Chat! Sehen wir uns nun die Fragen unserer Leser an.

vsimon: Können Sie den Begriff "glückliche Beziehung" definieren?

David_Wilchfort: Glücklich ist natürlich ein subjektives Erleben. Was eine glückliche Beziehung ist, kann nicht ich definieren, sondern muss das Paar immer selbst herausfinden. In anderen Worten: Beide müssen sich gegenseitig dabei helfen, zu erkennen: Was brauche ich? Und was brauchst du, um in der Beziehung glücklich zu sein.

scubamaus: Danke für Ihre Einladung. Leider kann ich morgen nicht live dabei sein, daher meine Frage vorab. Ich bin mit meinem Partner derzeit in einer Vorwurfsspirale. Olle Kamellen von früher werden immer wieder hervorgeholt und dem anderen vor die Füße geworfen. Wir schaffen es kaum noch, uns normal über ein lapidares Thema zu unterhalten. Wir haben auch immer das Gefühl angegriffen zu werden oder uns wegen Kleinigkeiten rechtfertigen zu müssen. Wie kommen wir da wieder raus, so daß wir die Zeit miteinander wieder genießen können? Wir lieben uns doch und wollen zusammen bleiben.

David_Wilchfort: Leider ist Lieben nicht genug, um eine Beziehung genießen zu können. Es ist tatsächlich so - man muss auch etwas dazu tun, dass die Liebe, wie vorhin beschrieben, auch zu einer glücklichen Beziehung führt. Wenn beide das Gefühl haben, angegriffen zu werden, ist es vielleicht an der Zeit, zu erkennen, dass das, was man gerade als Angriff erlebt hat, in Wirklichkeit ein Hilferuf war. Wenn das gelingt, hat man eine Chance, aus der Vorwurfsspirale zu entkommen.

waidmannstochter: Was ist die bessere Voraussetzung für eine glückliche Beziehung: "Gegensätze ziehen sich an" oder "gleich und gleich gesellt sich gern"?

David_Wilchfort: Beides kann zu einer glücklichen Beziehung führen, aber beides kann auch ein Desaster werden. Es hängt davon ab, ob man sich im Klaren darüber ist, worauf man sich einlässt. Wenn man das "Mädchen von nebenan" heiratet, wird man weniger kulturelle oder soziale Unterschiede bemerken, die Dinge in ähnlicher Weise betrachten. In dem Fall ist weniger Beziehungsarbeit erforderlich. Leider bedeutet das aber auch: weniger persönliche Entwicklungsmöglichkeit.

Wenn beispielsweise ein Eskimo eine Neuseeländerin heiratet, werden die beiden vermutlich sehr unterschiedliche Erwartungen an die Beziehung haben. In diesem Fall werden sie sich zusammenraufen müssen und stärker an ihrer Partnerschaft arbeiten müssen. Andererseits werden beide die Chance bekommen, ihre Persönlichkeiten innerhalb der Beziehung stärker zu entwickeln. Deshalb muss man für sich klären: Bin ich bereit, Energie in die Partnerschaft zu investieren? Dann darf ich auch jemanden heiraten, dessen Charakter sehr gegensätzlich zu meinem ist. Wer glaubt, er könne jemanden heiraten, der vollkommen anders ist, ohne Beziehungsarbeit zu leisten, wird sich auf Dauer unglücklich machen. Wer glaubt, sich durch den Partner weiterentwickeln zu können, indem er jemanden heiratet, der ihm ähnlich ist, wird eine Enttäuschung erleben.

Ist es normal, nicht über Gefühle zu reden?

Exit-Stage-Left: Ist es normal, wenn man seit vielen Jahren verheiratet ist, aber eigentlich nie über die Gefühle füreinander spricht? Und wie kann man das ändern ohne den andern zu nötigen?

David_Wilchfort: Es gibt viele Arten, über Gefühle miteinander zu kommunizieren. Reden ist sicherlich eine recht praktische Form, doch nicht die einzige. Wichtig ist, dass die gesendete Botschaft auch mit dem beabsichtigten Inhalt beim Empfänger ankommt. Beide Formen - die verbale und die nonverbale - haben ihre entsprechenden Vor- und Nachteile. Benutzt man Worte, kann man seine Botschaft spezifischer formulieren. Doch Gefühle lassen sich sehr schwer in Worte fassen, da sie persönlich erlebt werden.

Andererseits können nonverbale Mitteilungen individueller erfolgen, leider sind dann jedoch Missverständnisse möglich. Sage ich zu meinem Partner zum Beispiel: "Ich bin traurig", versteht er das Wort so, wie es im Duden steht, aber erfährt dadurch nicht, wie sich meine persönliche Traurigkeit anfühlt. Wenn mein Partner indes vollkommen mit mir mitfühlt, weiß er zwar nicht, wie ich mein Gefühl nenne. Aber er spürt, was ich spüre. Deshalb - wenn Sie seit Jahren miteinander leben und den Eindruck haben, sich zu verstehen - sehe ich keinen Grund, wieso Sie jetzt über Gefühle reden sollten. Es könnte sein, Sie haben es nicht nötig. Sollten Sie aufhören, sich gegenseitig zu spüren, dann sollten Sie mit dem Reden anfangen.

Ingo Peter: Meine Frau hat vor zehn Monaten nach 43 Jahren glücklicher Ehe das Haus mit Hund und unserem Restvermögen verlassen und mir den Berg Schulden zurückgelassen, um zum 100 Meter entfernten Nachbarn für eine Tasse Kaffee zu gehen. Nach einer Stunde rief sie an und wies mich auf einen Brief auf meinem Nachttisch hin, in dem stand, dass sie auf keinen Fall abhaut, sondern nur für einige Tage Beziehungspause fort ist.

Nach zehn Wochen rief sie das erste mal wieder an, hat inzwischen erfolgreich Grundsicherung durch den Staat beantragt und meinte der erste Schritt sei Trennung, danach könnte sie vielleicht zurückkommen. Meine Frage: Ich bin tief verletzt durch eine riesen Krise gegangen, weil ich den Weg sehr unehrlich fand (ich nenne sie nur "feigen Flüchtling" und ihre/ehemals unsere Freunde "Fluchthelfer") und für mich Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit die Grundpfeiler einer jeden guten Beziehung darstellen. Ich komme mir sehr kleingemacht und verletzt vor. Soll ich jetzt die Scheidung einreichen und ihr gleichzeitig anbieten, nach einer Mediation wieder einzuziehen?

David_Wilchfort: Herr Peter. Sie haben natürlich nur Ihre Perspektive zu diesem Thema schreiben können. Grundsätzlich benötige ich - wie es auch in unserer Kolumne "Paar Probleme" der Fall ist - immer beide Seiten, um eine vernünftige Antwort zu geben, die über das hinausgeht, was Sie sich selber denken können. Gerne gehe ich also auf Ihre Frage ein, wenn Sie Ihre Frau bitten, uns ebenfalls zu schreiben.

SecretSurfer: Hallo Herr Wilchfort. Erst einmal möchte ich Ihnen ein großes Lob für Ihre Kolumne aussprechen. Ich lese sie immer wieder gerne, weil ich nicht selten auch immer einen Punkt entdecke, der mich zu einer anderen Sicht auf meine eigenen Dinge animiert. Danke dafür. Ich möchte Sie aber auch gerne etwas fragen.

Und zwar verzweifle ich teilweise an meiner eigenen, emotionalen Abhängigkeit zu meiner Partnerin. Ich habe mitunter sehr schnell den Eindruck, nicht wirklich verstanden oder wertgeschätzt zu werden, wobei das objektiv betrachtet häufig so nicht stimmt. Es ist mehr die Art des Feedbacks, die mich so fühlen lässt. Und dann gerate ich sehr schnell in eine Art Sog aus negativen Gefühlen und Abblocken, aus dem ich alleine nur schlecht wieder herauskomme. Dabei möchte ich das nicht. Ich habe aber allzu oft das Gefühl, dass ich nur die zweite Geige spiele, selbst wenn es eigentlich gerade um etwas geht, was primär mich betrifft oder zumindest uns beide zu gleichen Teilen. Haben Sie einen Rat, was ich vielleicht als "Trick" versuchen könnte, um nicht immer wieder in meine eigene Falle zu tappen?

David_Wilchfort: Vielleicht haben Sie selbst schon den "Trick" entdeckt: Sie schreiben, dass es "objektiv betrachtet häufig so nicht stimmt". Offensichtlich kämpfen in Ihnen zwei Seelen - auf der einen Seite spüren Sie eine Herabsetzung, auf der anderen können Sie erkennen, dass es vermutlich nicht so gemeint ist. Leider habe ich keinen einfachen "Trick" für Sie - aber einen, der funktioniert: Wenn Sie jene Seite in Ihnen stärken, die es schafft, die Situation von außen zu betrachten, wird die subjektive Gegenseite nicht mehr die Kraft haben, Sie zu verunsichern. Noch besser: Vertrauen Sie Ihrer objektiven Seite - und verhalten Sie sich so, als bekämen Sie die Wertschätzung von Ihrer Partnerin.

waidmannstochter: Kann man auch in einer langen Beziehung das Feuer am Lodern halten oder muss man sich damit abfinden, dass es mit der Zeit langweilig wird?

David_Wilchfort: Wenn man am Lagerfeuer sitzt, einfach nur in die Flammen schaut und hofft, dass es noch ewig brennen wird, wird man irgendwann enttäuscht. Man wird immer wieder mal aktiv werden müssen, um das Feuer am Leben zu erhalten. Nein, in einer Partnerschaft muss es mit der Zeit nicht zwangsläufig langweilig werden. Doch wenn man einfach nur die Flammen betrachtet, ohne etwas dazuzutun, wird die Liebe irgandwann sterben.

Moderator: Herr Wilchfort, was genau könnte man denn tun, um die Flammen am Lodern zu halten?

David_Wilchfort: Genau dasselbe, das auch bei einem Lagerfeuer nötig ist: Man muss sich das Feuer genau ansehen. Manchmal braucht das Feuer Nachschub, und man legt noch ein Stück Holz drauf. Manchmal ist schon zu viel Holz aufgestapelt und das Feuer braucht Luft. In einer Beziehung gibt es kein Standardvorgehen. Der Partner braucht zu verschiedenen Zeiten Unterschiedliches. Um herauszufinden, was genau das ist, muss ich genau hinhören - und hinfühlen.

friendly: Wie wichtig ist Beziehungserfahrung? Ist die erste wirkliche Beziehung zwangsläufig dazu verurteilt ein unglückliches Ende zu nehmen?

David_Wilchfort: "Zwangsläufig" trifft so bestimmt nicht zu. Wenn man natürlich die Erwartung hat: Ich muss noch Erfahrung mit anderen Partnern sammeln, wird man unglücklich. Wenn beide jedoch aus religiösen, weltanschaulichen oder sonstigen Gründen die Überzeugung haben, dass sie nur eine erfüllende Beziehung in ihrem Leben brauchen, dann ist ein langes glückliches gemeinsames Leben möglich.

Herbertc: Wie erreiche ich, dass mein Freund mir wirklich zuhört?

David_Wilchfort: Ich weiß natürlich nicht, was Ihr Freund benötigt, damit er Ihnen zuhören kann. Ich kann Ihnen aber grundsätzlich sagen, dass Menschen eher zuhören, wenn sie sich selbst gehört fühlen. Am besten überprüfen Sie sich also selbst, indem Sie sich fragen: Höre ich eigentlich meinem Partner zu? Es genügt nicht, dass Sie ihm "auf Ihre Weise" zuhören - essentiell ist, dass er das auch so empfindet.

marioliu: Soll man in der Ehe eine saubere Teilung der anfallenden Arbeit vornehmen, oder soll man viel mehr mischen, also alles als gemeinsame Verantwortung auffassen?

David_Wilchfort: Die anfallende Arbeit muss man nicht gemeinsam vornehmen. Aber wie man sie aufteilt, muss man gemeinsam entscheiden. In einer Partnerbeziehung hat jeder seinen Schwerpunkt - je nachdem, was er besser kann oder was ihm leichter fällt. Hauptsache, man einigt sich darüber, wer für was verantwortlich ist.

Moderator: Herr Wilchfort, leider ist unsere Zeit um. Ich bedanke mich bei Ihnen und unseren Usern für die Teilnahme und weise auf unser nächststes Gespräch in der Kolumne "Die Paar Probleme" hin, in der wir wieder einen Fall besprechen, der uns von einem Leserpaar geschickt wurde (siehe Video rechts oben). Alle Leser haben künftig die Möglichkeit, Ihre Meinung oder eigene Erfahrungen dazu zu formulieren. Schreiben Sie uns an leben@sueddeutsche.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: