Original oder Fälschung?:Der Wein trügt

Wie einfach es ist, eine teure Flasche Wein zu fälschen - und wie schwer es die echten Erzeuger haben, den Betrug zu beweisen.

Interview: Patricia Bröhm

Manchmal hat David Molyneux-Berry das Gefühl, mitten in einen Thriller geraten zu sein. Der Mann, der 20 Jahre lang das Wine Department bei Sotheby's in London leitete, hat sich in den vergangenen Jahren auf das Thema Weinbetrug spezialisiert. Er zählt zum Beraterstab des US-Milliardärs William Koch, der den Münchner Raritätenweinhändler Hardy Rodenstock beschuldigt, die sogenannten "Jefferson-Weine" in Umlauf gebracht zu haben die angeblich aus dem 18. Jahrhundert stammen - offensichtlich aber Fälschungen sind.

wein fälschung

Die linke Magnum-Flasche ist eine Kopie, die rechte ist echt. Durch gefälschte Top-Weine verlieren Winzer Jahr für Jahr mehrere Millionen Euro.

(Foto: Foto: AFP)

SZ: Mr. Molyneux-Berry, seit zwei Jahren durchforsten Sie William Kochs riesigen Weinkeller nach Fälschungen. Was haben Sie gefunden? Molyneux-Berry: Herr Koch hat zwei sehr große, ausgezeichnet sortierte Keller. Ich habe buchstäblich Tausende von Flaschen geprüft und bin auf etliche Fälschungen gestoßen. Manche sind ganz offensichtlich falsch, andere sind einfach nur clever gemacht und Sie müssen langwierige Recherchen anstellen, um der Fälschung auf die Spur zu kommen.

SZ: Und was tun Sie in einem solchen Fall? Molyneux-Berry: Wir verfolgen den gesamten Weg der Flasche zurück. Und wir sprechen mit dem Chateau. Wir fragen nach, welches Etikett und welche Art von Kapsel sie zu der Zeit verwendeten. Wir erkundigen uns, ob Weine neu verkorkt wurden. Im Fall der Jefferson-Flaschen waren es die Gravuren auf der Flasche, die schließlich den Beweis für die Fälschung lieferten.

SZ: Herr Koch hat vor einem New Yorker Gericht einen Prozess gegen den Münchner Sammler und Raritätenhändler Hardy Rodenstock angestrengt. Molyneux-Berry: Wir sind überzeugt, dass etliche der Fälschungen in Herrn Kochs Keller aus dieser Quelle stammen. Und wir werden es beweisen.

SZ: Das Jahr 2006 brachte einen neuen Rekord für den Verkauf alter Weine - laut dem Fachblatt "Wine Spectator" wurden Raritäten im Wert von etwa 182 Millionen Euro versteigert. Ist es richtig, dass gut fünf Prozent dieser Weine Fälschungen sind? Molyneux-Berry: Tatsache ist, dass die Preise völlig abgehoben haben - ähnlich wie auf dem Kunstmarkt. Seit 1970 haben sich die Preise für Top-Weine mehr als verzehnfacht. Ich erinnere mich, dass ich 1970 zwei Flaschen Chateau Latour der ausgezeichneten Jahrgänge 1964 und 1966 kaufte und pro Flasche sechs Dollar zahlte. Der Jahrgang 2005 lag bei Latour en primeur bei 400 Dollar pro Flasche.

SZ: Die Times hat für Top-Weine eine Rendite von 90 Prozent errechnet. Molyneux-Berry: Ja, immer mehr Menschen sehen Wein heute als Investment. Vor allem in Asien und Russland sind neue Käuferschichten herangewachsen, die bereit sind, fast jeden Preis zu zahlen. Große Formate wie Magnums oder Doppelmagnums erziehlen auf Auktionen regelmäßig Preise zwischen 35 000 und 50 000 Dollar. Die Nachfrage nach alten Weinen wächst beständig, das Angebot ist jedoch eng begrenzt.

SZ: Eine unwiderstehliche Herausforderung für Fälscher. Molyneux-Berry: Ohne Zweifel. Vor allem, da das Fälschen einer Flasche Wein dank modernster Technologie verhältnismäßig simpel ist. Um einen Renoir zu fälschen, brauchen Sie zumindest ein gewisses künstlerisches Talent. Beim Wein genügt es, die richtige Flasche, das richtige Etikett und die richtige Kapsel zu haben. Ein Etikett lässt sich heute am Computer leichter denn je fälschen. Und alte Flaschen und Magnums hatten von jeher rund um Bordeaux viele Trödler im Angebot. Wir wissen, dass sie dort in großen Mengen aufgekauft wurden.

SZ: Wie kann sich ein Käufer heute schützen? Molyneux-Berry: Wirkliche Sicherheit haben Sie nur, wenn Sie den Weg einer Flasche bis zum Abfüller zurückverfolgen. Das ist sehr kompliziert. Denn viele ältere Weine der guten Jahrgänge haben etliche Stationen durchlaufen: Sammler, Händler, Auktionshäuser. Dazu kommt, dass Auktionshäuser ihre Quellen nicht gerne preisgeben.

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Der Wein trügt

Daran erkennt man eine Fälschung:

SZ: Sie haben viele berühmte Weinkeller begutachtet. Woran erkennen Sie eine Fälschung? Molyneux-Berry: Manchmal ist es relativ einfach. Wenn Sie zum Beispiel einen Chateau Pétrus aus den 1920er Jahren sehen, als Magnum oder ein noch größeres Format, dann können Sie sicher sein, es mit einer Fälschung zu tun zu haben. Denn diese Weine wurden nie abgefüllt. Auch ein Domaine de la Romanée-Conti Richebourg Jahrgang 1947 ließe sich leicht entlarven, denn damals wurde der Weinberg neu bepflanzt und also kein Wein produziert.

SZ: Angenommen, es handelt sich um eine besonders geschickte Fälschung - die Flasche stammt aus der richtigen Zeit, auch Etikett und Kapsel sehen überzeugend aus. Wie kann man dann als Käufer noch herausfinden, ob der Wein echt alt ist? Molyneux-Berry: Letztendlich bringt nur eines wirkliche Sicherheit: entkorken und trinken. Aber da beginnt das nächste Problem: Die wenigsten Menschen wissen, wie ein Mouton-Rothschild 1945 schmecken sollte. Wenn das geschickt gemacht ist, ein Standard-Rotwein, mit den entsprechenden Aromastoffen aufgemotzt, dann braucht es schon sehr viel Sachkenntnis und vor allem Vergleichswerte, um dem Betrug auf die Spur zu kommen.

SZ: Welche wissenschaftlichen Methoden gibt es, um das Alter eines Weins zweifelsfrei zu bestimmen? Molyneux-Berry: Seit 1945, als Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden, lassen sich winzige Spuren von Radioaktivität im Wein nachweisen. Anhand der Halbwertszeit radioaktiver Stoffe lässt sich also das Alter eines Weins ganz gut bestimmen. Aber diese Methoden sind aufwendig und kostspielig. Und übrigens wollen viele Sammler gar nicht wissen, ob sie betrogen wurden. Sie glauben lieber weiterhin an die schönen Geschichten. Vielen ist es auch peinlich einzugestehen, dass sie hintergangen wurden.

SZ: Die Affäre um die Jefferson-Flaschen zeigt bereits Auswirkungen in der Branche. Das New Yorker Auktionshaus Zachy's verlangt jetzt für jeden Wein einen lückenlosen Steckbrief über mindestens 15 Jahre. Ist das in der Praxis überhaupt machbar? Molyneux-Berry: Die Verkäufer müssen handeln, weil die Käufer vorsichtiger geworden sind. Namhafte Produzenten wie Chateau Margaux kennzeichnen heute per Laser jede Flasche mit einer Nummer. Andere denken darüber nach, ihre Etiketten mit Wasserzeichen zu versehen. Es ist höchste Zeit, Konsequenzen zu ziehen, denn in den kommenden Jahren werden die Probleme eher noch größer. Bisher hatten wir es mit einem Spektrum von 50 bis 60 verschiedenen Weinen zu tun, die gefälscht wurden. Betroffen waren vorwiegend die besten Jahrgänge der großen Produzenten aus Bordeaux und dem Burgund, auch mal der eine oder andere Sassicaia. Aber neuerdings werden auch für große Kalifornier und Australier hohe Preise gezahlt. Von Penfolds' Grange sind bereits Fakes im Umlauf. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bevor die ersten Fälschungen von kalifornischen Kultweinen wie Screaming Eagle oder Grace Family auftauchen. Die Versuchung ist für die Fälscher einfach zu groß.

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