Nomen est omen:Frau Super und Herr Gau

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Ein peinlicher Nachname nervt - den, der mit ihm leben muss. Schön, wenn wenigstens die anderen lachen.

Lara Doktor

Mein Name ist Lara Doktor. Wenn ich mich vorstelle, schaut mich mein Gegenüber zunächst ungläubig, schließlich amüsiert an und hakt dann nach: "Du heißt wirklich Doktor?!" Ich nicke ermattet. "Das ist ja unglaublich! Wenn du dann mal einen Doktor machst ..."

Eín explosives Gemisch: Frau Super und Herr Gau. (Foto: Foto: iStockphoto)

Stopp. Bitte. Ich heiße seit 25 Jahren Doktor. Höre seit einem Vierteljahrhundert die gleichen Witze und kenne sie alle. Auch diesen. Er endet folgendermaßen: "... dann heißt du ja Frau Doktor Doktor. Dann bist du ein Doppeldoktor!" Der andere hält sich den Bauch vor Lachen, ich werde zu Stein.

Nun hindert mich mein persönliches Handicap keineswegs daran, über die zahlreichen Leidensgenossen und ihre grotesken Namen zu lachen. Auf der Suche nach Menschen, die noch schlimmer dran sind als ich, surfe ich durchs Netz, scrolle hämisch grinsend durch Listen mit obszönen Namen und Geschichten über abstruse Verwicklungen.

Dank eifriger Sammler, die Deutschlands Telefonbücher durchsuchen und ins Netz stellen, erfahre ich von der Existenz einer Frau Schlotterhose und eines Herrn Klohocker. Auch Rosa Brüstle muss mit ihrem Namen leben, ebenso wie ein Josef Goebbels, der froh sein dürfte, wenn er nur die Frage "Ja, leben Sie immer noch?" zu hören bekommt. Frau Unbekannt wird nicht die Einzige sein, die ihren Namen für einen schlechten Scherz hält.

Geteiltes Leid ist halbes Leid, heißt es. Vielleicht haben sich deshalb so viele Paare zusammengetan, deren Nachnamen ohnehin schon komisch klingen, in ihrer Kombination aber geradezu aberwitzig sind. Als ich eine Homepage mit skurrilen Namenskopplungen überfliege, stelle ich mir vor, wie Frau Baum und Herr Stamm allmählich zusammenwachsen und frage mich, ob ein explosives Gemisch wie das zwischen Hilde Super und Helmut Gau eine Zukunft hat. Katharina Warum und Rudolf Nicht plagen solche Zweifel offenbar weniger - man kann's ja mal miteinander versuchen.

Herr Schluckebier von der Suchtberatung

Wirklich lästig wird es, wenn man beruflich auf das Vertrauen von Menschen angewiesen ist, der eigene Name jedoch genau dies zu verhindern droht. Wie lange mögen wohl Wasserhähne der Firma Rost und Söhne halten? Fühlt sich ein Alkoholiker wohler, wenn er bei der Suchtberatung "Blaues Kreuz" in Wuppertal anruft und Herrn Schluckebier an der Strippe hat?

Immerhin, die Psychotherapeutin Christina Sorgenfrei aus Bad Nauheim hat einen Namen, der wirklich toll zu ihrem Beruf passt. In ihrem Sessel sitzt man mit Sicherheit lieber als bei ihrem Kollegen Dr. Frankenstein, einem Neurologen in Oldenburg. Der Spruch "Nomen est omen" trifft da hoffentlich nicht zu. Bei meinem Bruder schon: Er hat vor kurzem seinen Doktor gemacht. Und: Ja, er heißt jetzt Dr. David Doktor.

Schade eigentlich, dass mein Bruder seinen Doktor in Geographie und nicht in Medizin gemacht hat. Aus naheliegenden Gründen gehe ich nur äußerst ungern zum Arzt. Besonders unangenehm ist der Moment, wenn ich namentlich aus dem Wartezimmer gerufen werde: "Frau Doktor bitte!" Menschen, die sich vorher noch intensiv der Gala oder Bunten gewidmet hatten, schauen verwundert auf. Grinsen. Ich gehe hastig mit gesenktem Kopf aus dem Wartezimmer, weil ich den belustigten Blicken ausweichen will. Ich weiß, sobald ich die Tür hinter mir geschlossen habe, geht das Getuschel und Gekicher los.

Hat einen berühmten Namesvetter: der CDU-Bundestagsabgeordnete Cajus Julius Caesar. (Foto: Foto: dpa)

Und im Behandlungszimmer geht es weiter. Der Arzt begrüßt mich meist mit einem freudigen "Guten Tag, Frau Doktor! Das ist ja ganz schön unverschämt von Ihnen ..." Stopp. Bitte. Ich kenne auch diesen Witz. Er geht folgendermaßen weiter: "... ich musste dafür acht Jahre lang studieren und Sie sind schon seit Ihrer Geburt Doktor!" "Haha", mache ich, während ich versteinere.

Der Sprachanalytiker und Namensforscher Joachim Schaffer-Suchomel hält "Doktor" übrigens für ein "Würdezeichen", mit dem einer automatisch im Vorteil ist. Er ist davon überzeugt, dass der Nachname den sozialen Rahmen seines Trägers spiegelt. Ein Mensch mit dem Namen Kusch habe demnach wahrscheinlich einen eher scheuen und zurückweichenden Charakter. So gesehen könnte sich der Bundestagabgeordnete Cajus Julius Caesar keinen besseren Namen wünschen - von dem jähen Ende des Originals einmal abgesehen.

Und passt ein Name nun gar nicht zum Wesen einer Person, hat Schaffer-Suchomel auch dafür eine Erklärung: "Ein Herr Kusch kann sich gegen seinen Namen wehren und sich gerade deswegen besonders herausfordernd und forsch verhalten." Ob ein Wetterexperte damit durchkommen würde, wenn er prognostiziert: "Morgen regnet es - oder auch nicht"?

Künstlernamen - ein Privileg

Viel einfacher haben es da Künstler. Die dürfen ihren Namen nach Belieben abwandeln oder gleich einen neuen ausdenken. Der Sänger Xavier Naidoo heißt in Wirklichkeit - nein, nicht Xaver -, sondern Kurt (neben Xavier)! Mit so einem Namen kann man im Musikbusiness nur bestehen, wenn man sein Honorar als Alleinunterhalter verdient und auf Polonaise spezialisiert ist. Und wer bitte kennt schon Friedrich Günther Raab! Aber Patrick Lindner schon, oder?

Wir Normalos hingegen haben keine Lizenz zum Schummeln. Ein bisschen am Vornamen herumschrauben, um sein Image aufzupolieren - mehr ist nicht drin. Mit etwas Glück wird aus einer Kittelschürze tragenden Irmgard eine süße Irmi mit Schmetterlingsspangen im Haar und aus einem drögen Christopher ein snowboardender Chris.

Ich gebe zu - meine Eltern mögen mir verzeihen -, dass ich mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt habe, offiziell eine Namensänderung zu beantragen. Die Angelegenheit würde mich 500 Euro kosten. Irgendwie verlockend, dass die Erlösung einer lebenslangen Last nur einen Behördengang und ein paar Euro entfernt liegt.

Leider finden die Beamten der zuständigen Behörde meinen Namen nicht schlimm genug und wollen meinem Wunsch einer Namensänderung nicht ohne Weiteres nachkommen: "Mit fast jedem Namen kann Scherze machen", erklärt der Beamte lapidar, "das muss man aushalten." Klingt, als wüsste der Mann, wovon er spricht. Vielleicht heißt er ja Markus Aktenschubser. Oder Heinz Buchhalter.

Wenn ich es mir ernsthaft überlege, fühlt sich das Ganze doch ein bisschen komisch an. Schließlich heißt meine Familie so. Hieße ich nun anders, käme ich mir ausgeschlossen vor. Vielleicht ist es wie mit einer krummen Nase. So wurde man fürs Leben ausgestattet, ohne Einfluss darauf zu haben. Man muss damit zurechtkommen.

Was ich hingegen jederzeit mit meinem Gewissen vereinbaren könnte, wäre eine Namensänderung durch Heirat. Nein, mehr noch. Heirat ist der Lichtblick am Ende des Tunnels! Männer, die ich kennenlerne, frage ich scheinbar beiläufig nach ihrem Nachnamen. Die Herren wissen nicht, auf welch dünnem Eis sie sich bewegen. Denn Vorsicht: Sobald ich einen Mann mit einem stinknormalen Nachnamen treffe, gehört er mir. So wahr ich Doktor heiße.

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