Neues Feindbild im Prenzlauer Berg:"Kampf dem Kampfradler!"

Auf der Kastanienallee blüht die Protestkultur - schon aus Prinzip. Erst waren es die verhinderten Schauspieler, dann die Latte-Macchiato-Mütter. Nun hat der Prenzlauer Berg ein neues Feindbild: den "Kampfradler".

Auf der Kastanienallee blüht die Protestkultur - schon aus Prinzip. Feindbilder gibt es schließlich mehr als genug: Erst waren es die verkannten Künstler und verhinderten Schauspieler. Dann die ehrgeizigen Latte-Macchiato- und Helikopter-Mütter, die panisch um ihre Kinder kreisen. Schließlich die zugezogenen Schwaben, die es so sauber wie in Stuttgart haben wollen. Ganz zu schweigen von den Touristen, die unerhörterweise die Cafés bevölkern.

Neues Feindbild - 'Der Kampfradler'

Mit Plakaten protestieren anonyme Bürger gegen rabiate Fahrradfahrer. Wer genau hinter der Aktion in dem Szene-Viertel steckt, ist noch unklar.

(Foto: dpa)

Nun hat der Prenzlauer Berg ein neues Feindbild: den rabiaten Radfahrer. Leuchtend gelbe Plakate verkünden den "Kampf den Kampfradlern". Mit anderen Worten: alles, was nicht auf der Gazelle und mit Rattankörbchen am Lenker unterwegs ist, soll weg.

Satire oder doch eine Wutbürger-Aktion? Steckt das Viertel wirklich voller Rad-Rambos? Die Anreise - mit Fahrrad-Helm - verläuft ohne größere Zwischenfälle und ohne die cholerischen Anraunzer, die in Berlin gerne mal vorkommen. Der Verkehr in der Kastanienallee ist normal bis rasant. Gefährlich sind die Straßenbahnschienen, was schon mancher Radler zu spüren bekommen hat.

Anwohner und Geschäftsleute rätseln über die gelb-schwarzen Poster mit dem "Kampfradler". Dieser hat statt eines Kopfes eine Handgranate. Das sieht ziemlich militant aus. Darunter steht, im Kirchentags-Duktus formuliert: "Rücksicht statt Vorfahrt. Auf all unseren Wegen". Wer hinter der Aktion steckt, ist noch unklar. Weder die Kiez-Kenner von den Prenzlauer Berg Nachrichten noch Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner von den Grünen wissen es. "Anonym ist immer ein bisschen feige", sagt Kirchner. Er findet aber, dass rabiate Radler durchaus ein Thema seien, wobei Pauschalisierungen nichts brächten.

Gastronom Till Harter, der unter dem Motto "K21" den Protest gegen den Umbau der Kastanienallee organisiert, ist von der Plakataktion überrascht. "Eigentlich ist es kein Gegenstand der öffentlichen Debatte", sagt der Bar-Betreiber. "Was mich wundert, ist die Professionalität." Die Plakate sehen sorgfältig gedruckt aus und sind ordentlich aufgehängt.

Ein Erklärungsversuch: Der Kiez rund um die "Castingallee" ist mehr als die viel verspottete Meile für verhinderte Schauspieler. Und mehr als der teuer gewordene Abenteuerspielplatz für Bürgerkinder aus dem Westen. Er zieht auch 22 Jahre nach dem Mauerfall noch viele unterschiedliche Leute an, die sich hier selbst verwirklichen wollen. Das alternative Leben treibt Blüten.

Kaffeebar-Chef Konstantin kommt ins Philosophieren. In dem Viertel seien wahnsinnig viele Menschen auf der Suche nach Sinn, sagt der 43-Jährige. Es sei ein Treffpunkt für Spiritualität, vom Schamanen bis zum Quantenheiler. "So ein Plakat kann es nur im Prenzlauer Berg in Berlin geben", meint er mit Blick auf solche "Luxusprobleme".

Und natürlich gibt es auch schon die ersten Aktionen gegen die "Kampfradler"-Poster. Einer griff zum Stift und änderte den Slogan um in: "Kampf den Krampfadern". Die sind ja auch wirklich ein Problem.

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