Neuer Film über Jacques Cousteau:Oh Captain, mein Captain

Ahne verpflichtet: Seinen Kindern und Enkeln hat der Mann mit der roten Mütze die Leidenschaft für die Unterwasserwelt weitergegeben - doch das ist auch schon die einzige Gemeinsamkeit des Cousteau-Clans. Die Familien von Frau und Geliebter des berühmten Meeresforschers sind heillos zerstritten.

Christopher Schrader, Miami Beach

Im blauen Wasser schwebt eine Handvoll Taucher. Sie bewegen träge ihre Flossen, Luftblasen aus ihren Lungenautomaten umgeben sie. Die Kamera hat sie von unten eingefangen, sodass nur ihre Silhouetten vor dem gleißenden Sonnenlicht zu sehen sind. Dann: Fische, die zwischen Korallen herumflitzen, Haie auf der Jagd, schließlich eine Meeresschildkröte, die mit grummeligem Gesichtsausdruck die Hand eines grinsenden Tauchers von ihrem Panzer zu streifen versucht.

Jacques Cousteau

Ein Mann und seine Mütze: Die rote Strickhaube ist zum Markenzeichen des Meeresforschers Jacques Cousteau geworden.

(Foto: AP/The Cousteau Society)

Und schließlich kommt der Mann mit der roten Mütze ins Bild. Über Wasser. Er hat die Arme verschränkt und scherzt mit seiner Crew, während ein Kran ein Tauchboot von Bord der Calypso ins Meer hebt.

Erste Tauchgänge in Schwarzweiß

Der Mann mit der roten Mütze ist Jacques Cousteau, der berühmte Meeresforscher, die Bilder hat sein Sohn Jean-Michel zu einer Hommage zusammengefügt. Viele gehören zur kollektiven Erinnerung, weil Cousteaus Filme über Jahrzehnte im Fernsehen liefen und Millionen fasziniert haben. Einige der Aufnahmen hat noch niemand gesehen, sie stammen aus einer vergessenen Ecke in Cousteaus Haus in Südfrankreich und zeigen in Schwarzweiß dessen erste Tauchgänge in den frühen 1940er Jahren, mit dem soeben erfundenen Lungenautomaten.

Jean-Michel Cousteau zeigt sie in seinen Film My Father, the captain (Mein Vater, der Kapitän), der am Freitag in Miami Beach seine Weltpremiere hatte. Ein Dutzend der charakteristischen roten Strickmützen wirft der junge Cousteau dabei ins Publikum. "Jacques hat die Tür dafür geöffnet, über die Umwelt nachzudenken", sagt er. "Für Millionen von Menschen wurden die unbekannten 70 Prozent der Erdoberfläche plötzlich farbig und lebendig."

So ungetrübt, wie der Film es darstellt, ist das Verhältnis zwischen dem heute 73-jährigen Jean-Michel und seinem Vater aber nicht immer gewesen. Der jüngere Bruder Philippe war offenbar der Liebling des Meeresforschers und sein designierter Nachfolger. Als er 1979 beim Absturz eines Wasserflugzeugs ums Leben kam, trat Jean-Michel an seine Stelle. "Mein Vater hat mich gerufen, und ich habe die Aufgabe gern übernommen", so drückt er es aus.

Mitte der 1990er Jahre trafen sich die beiden dann allerdings vor Gericht, weil Jean-Michel einem Ferienressort auf Fiji erlauben wollte, den Namen Cousteau zu tragen. Zehn Jahre später hat er juristisch mit der zweiten Frau seines Vaters um das Schicksal der Calypso gestritten. Sie war 1996 nach einer Kollision in Singapur gesunken, liegt heute in La Rochelle und wartet immer noch auf eine Restaurierung. Jean-Michel Cousteau hat beide Prozesse verloren.

Von all dem ist in Miami nichts zu spüren, die Premiere ist gleichzeitig auch ein Familientreffen. Vier Vertreter der dritten Cousteau-Generation sind am Mittwoch schon zur Eröffnungsveranstaltung einer Konferenz von Umweltjournalisten zusammengekommen: Neben Jean-Michel sitzen auf dem Podium dessen Kinder Fabien und Celine sowie Alexandra und Philippe Cousteau jr., die Kinder von Philippe.

Ahne verpflichtet

Alle vier Enkel setzen die Arbeit von Jacques Cousteau auf ihre Weise fort, sie engagieren sich für Meere und die Umwelt. Fabien etwa hat die Organisation "Plant a fish" gegründet: Küstenbewohner in ökologisch heiklen Landstrichen sollen angeleitet werden, bedrohte Fische und Wasserpflanzen selbst wieder anzusiedeln. Dorfbewohner, die früher Schildkröteneier ausgegraben und auf dem Schwarzmarkt verkauft haben, bezahlt Fabien Cousteaus Gruppe nun dafür, dass sie ihren Fund in Brutzentren abgeben. Auf die Dauer sollen die Menschen vom Ökotourismus leben können.

Alexandra Cousteau hat eine Organisation namens "Blue Legacy" gegründet und ist im vergangenen Jahr fast 30.000 Kilometer mit einem Kamerateam durch die USA gefahren, um den Umgang mit Wasser zu dokumentieren. "Wir sollten über das Wasser an sich sprechen, aber wir haben es in Flüsse, Bäche, Seen, Ozeane und Grundwasser unterteilt", sagt sie. "Dabei ist es alles das gleiche System."

Zwist der Familienzweige

Philippe Cousteau arbeitet als Fernsehreporter für CNN, er hat etwa über die Ölpest im Golf von Mexiko berichtet. Seine Cousine Celine schließlich reist durch die Welt und macht Filme über Menschen und Organisationen, die ihre Umweltprobleme auf schöpferische Weise lösen. Oft hat auch das mit den Weltmeeren zu tun. "Immer wieder sprechen mich die Leute an und sagen mir: 'Ich bin mit deinem Großvater aufgewachsen, er hat mich dazu inspiriert, Taucher zu werden oder Meeresbiologe'", erzählt sie.

Das klingt alles sehr nett und harmonisch, doch Jean-Michel Cousteau und die vier Enkel bilden nicht die ganze Familie. Jacques Cousteau heiratete nach dem Tod seiner ersten Frau Simone 1991 seine langjährige Geliebte, mit der er bereits zwei weitere Kinder hatte. Die beiden Zweige sind nicht gut aufeinander zu sprechen.

Jean-Michel erwähnt die Halbgeschwister in seinem Film mit keinem Wort. Die zweite Ehefrau Francine wiederum kontrolliert die Cousteau-Gesellschaft, die die Rechte an seinen Filmen hält und den Familiennamen sowie den Namen des Schiffs Calypso als Handelsmarken eingetragen hat. Auf den Webseiten der Organisation wird Jean-Michel nur einmal namentlich genannt - weil er im Alter von zehn Jahren bei seinem Vater Schiffsjunge war.

Jacques Cousteau hat ein gewaltiges Werk hinterlassen: 144 Filme und mehr als 50 Bücher. In seiner Hommage an den Vater lässt Jean-Michel Cousteau auch Weggefährten zu Wort kommen, vom langjährigen ersten Offizier der Calypso über Kameraleute und den CNN-Gründer Ted Turner bis zu Michail Gorbatschow, der beim Schutz der Antarktis mit Jacques Cousteau zu tun hatte.

Der Film beschreibt auch, wie der amerikanische TV-Produzent David Wolper den Meeresforscher dazu bringt, für das Fernsehen die Calypso aufzupeppen. Die Brücke bekommt große Fenster statt der kleinen Bullaugen, auf dem Achterdeck wird ein Hubschrauber-Startplatz installiert, und Cousteaus Crew entwickelt ein Mini-U-Boot, die tauchende Untertasse.

Die ganze Familie Cousteau teilt bis heute die Leidenschaft fürs das Tauchen. Auch Jean-Michel schnallt sich mit 73 Jahren noch die Sauerstoffflasche auf den Rücken.

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