Nachhaltige Erstlingsausstattung:Babybox für die Prenzlberg-Mutti

Susanne Mierau geborgene Erstlingsbox

Stoffwickeln, Stillen, Tragen: Susanne Mierau vertritt bindungsorientiertes Elternsein.

(Foto: Anna Kley)

Elternbloggerin Susanne Mierau findet, dass man für ein Neugeborenes fast nichts braucht - und will nun mit dem Verkauf von Babyausstattung Geld verdienen. Wie passt das zusammen?

Von Barbara Vorsamer

Es ist ein bisschen gemein, diesen Text mit der Beschreibung des Cafés zu beginnen, in dem wir über das Projekt der "geborgenen Erstlingsbox" sprechen wollen. Denn das ist - natürlich, wo sonst - im Prenzlauer Berg. Man schwankt noch zwischen Paleo-Pancakes und dem Chia-Superfood-Porridge, bevor man die Elternbloggerin Susanne Mierau begrüßt. Sie trägt ihr Baby im beerenfarbenen Ring Sling (für Uninformierte: eine spezielle Tragetuchvariante) und bestellt dann den farblich zum Tuch passenden Smoothie.

Doch über die Prenzlberg-Mutti zu lästern, wäre viel zu einfach und davon abgesehen ist Mierau gar keine. Die Betreiberin des Blogs "Geborgen Wachsen" wohnt mit ihrem Mann Caspar und den drei Kindern in Friedrichshain - "dem nicht so angesagten Teil von Friedrichshain", wie sie sich beide beeilen zu versichern. Ohne die Prenzlberg-Mutti lässt sich über das neue Projekt der Mieraus aber auch nicht sprechen. Denn sie ist die Zielgruppe.

30 Teile für 349 Euro

Anfang Oktober ging das Crowdfunding für die Erstlingsbox erfolgreich zu Ende, 15 000 Euro sind zusammengekommen. Ein paar Dutzend Kisten mit nachhaltiger Babyausstattung wurden bereits bestellt. Vermutlich von jenem kleinen Kreis wohlhabender und gut informierter Eltern, die oft spät ins Familienleben gestartet, nun aber umso gewillter sind, alles richtig zu machen und dem Nachwuchs nur das Beste zu bieten. Sie können es sich leisten, über die Herstellungsbedingungen der Kinderkleidung nachzudenken und ausschließlich Holzspielzeug und Bio-Essen zu kaufen. Eine Erstlingsbox für 349 Euro, in der gerade mal eine Matratze, ein Handtuch, drei Bodys, eine Hose, ein Pulli und zwei Dutzend weitere Teile enthalten sind? Wäre drin.

Wer kritisieren will, hat es da nicht schwer. Auf der Crowdfunding-Seite für die Erstlingsbox ätzt ein Kommentator in Richtung Susanne Mierau: "Ich glaube wirklich, dass Du mit dieser Box einige Eltern, die ratlos in Prenzlberg im Lila Lämmchen stehen, davor bewahrst, einfach das ganze Sortiment dort zu kaufen und in ihren SUV zu laden." Mit den echten Bedürfnissen von echten Familien habe die geborgene Box aber nichts zu zu tun - und mit dem Vorbild, der Erstlingsbox aus Finnland, auch nicht.

Susanne Mierau lächelt sanft. Ja, dass ihre Box im Gegensatz zum finnischen Pendant nicht kostenlos sei, sei am häufigsten bemängelt worden. Doch dort ist es der Staat, der jeder finnischen Familie eine Kiste mit Babyausstattung zur Verfügung stellt. Für sie sei das zwar die Inspiration gewesen, ein identisches Produkt anbieten wollte sie nie. Das machen andere - übrigens auch nicht kostenlos. Werdende Eltern geben für die Ausstattung des Erstgeborenen ohnehin im Durchschnitt fast 3000 Euro aus.

Als Elternbloggerin, Buchautorin und Familienberaterin verdient Mierau ihr Geld damit, viel über "Attachment Parenting" zu wissen und ihr Wissen zu teilen. Bindungsorientiertes Elternsein hat das Hauptziel, dem Kind eine sichere Bindung und Geborgenheit zu vermitteln. Gute Produkte zu empfehlen und von unsinnigen abzuraten gehört zu ihrem Job. "Einer der erfolgreichsten Texte auf meinem Blog ist der Post mit dem Titel 'Was du alles nicht brauchst für dein Baby'", sagt Mierau. Darin rät sie zu Tragetuch statt Kinderwagen, Familienbett statt Kinderzimmer und Stoffwindeln statt Pampers. Zudem hat sie vor einem halben Jahr ihr drittes Kind bekommen und dabei erneut festgestellt, wie viele unnötige Dinge werdenden Eltern angedreht werden und wie viele Geschenke und Anschaffungen dann ungenutzt verstauben.

So entstand die Idee, ein fertiges Set mit den wenigen Produkten zusammenzustellen, die in den ersten Wochen mit Baby wirklich gebraucht werden - und diese dafür von hochwertigen Marken zu beziehen, aus nachhaltigem Material und ökologisch korrekt hergestellt. In der Erstlingsbox eines Konkurrenzunternehmens ist fast doppelt so viel drin, sie kostet aber beinahe das Gleiche.

Inhalt der Erstlingsbox

Das ist drin in der Erstlingsbox.

(Foto: Anna Kley)

"Wir haben dafür auf langlebiges Material geachtet und besonders clevere Produkte ausgewählt", sagt Familie Mierau. Die Babybodys zum Beispiel wachsen mit, können also mithilfe von mehreren Knopfleisten auf verschiedene Größen eingestellt werden. Eine ähnliche Idee steckt hinter den Pulswärmern aus Alpaca-Wolle. "Erstens haben es Babys gerne warm", erklärt die Familienberaterin. "Außerdem kann man mit dem Pulswärmer die zu kurz gewordenen Ärmel des Pullis wieder verlängern." Das teuerste Teil in der Box ist die Kokosmatratze, auf der das Baby theoretisch auch in der Kiste schlafen könnte.

Kokos ist tatsächlich eines der besten Materialien für Babymatratzen, auch die anderen Produkte rechtfertigen einen hohen Preis. Um das beurteilen zu können, müssen Eltern allerdings schon ziemlich gut Bescheid wissen. Und wer ziemlich gut Bescheid weiß, hat meistens schon ein Kind und daher keinen Bedarf an einer kompletten Erstlingsausstattung.

Konsumieren Sie weniger, kaufen Sie nichts - aber erst mal: Das da.

"Die nachhaltige Erstlingsbox ist nicht nur ein Produkt. Sie ist ein Statement", sagt Caspar Mierau. Man wolle durch das Crowdfunding und die geborgene Erstlingsbox zum Nachdenken anregen: Was brauche ich eigentlich wirklich? Welche Produkte lohnen sich? Und was brauche ich alles nicht? "Ich freue mich, wenn ich durch meinen Blog jemanden dazu bewegen kann, das Baby mehr zu tragen und vielleicht auf den Kinderwagen zu verzichten", sagt Susanne Mierau. Und erzählt von den perfekten Babysocken. Nach denen habe sie lange gesucht und in der Erstlingsbox ist nun ein erprobtes Modell, das garantiert am Babyfuß bleibt. "Viele Leserinnen bestellen nicht die Box, aber kaufen diese Socken nach", sagt sie.

Schön für die Sockenfirma. Doch was bringt das Mierau? Kann man wirklich mit einem Statement Geld verdienen? Noch dazu, wenn das Statement lautet: Kauft weniger, am besten gar nichts - aber hier könnt ihr unser Produkt bestellen?

Es ist ein schmaler Grat, auf dem die Bloggerin da wandelt. Wer auf Geborgen Wachsen herumsurft, kann sich gut einbilden, mit Susanne Mierau in einem digitalen Elterncafé zu sitzen. Es gibt Familienfotos zu bestaunen, unter jedem Post steht in Pseudo-Handschrift "eure Susanne" und die Autorin gibt freundliche Ratschläge zu allen Themen rund ums Kind. Manchmal testet sie Pflegeprodukte oder Stoffwindeln und neben ihren Texten stehen Werbebanner für Kinderkleidung.

Natürlich fließt da Geld. Das ist auch kein Geheimnis und entsprechende Blogposts sind als Werbung gekennzeichnet. Doch manche Leserin, die sich Susanne Mierau freundschaftlich verbunden fühlt, reagiert verschnupft, wenn sie merkt: Die macht das ja beruflich. Dass sie jetzt nicht mehr nur testet und empfiehlt, sondern selbst zum Versandhandel wird, verschärft diesen Konflikt.

Warum sie es dennoch tut? "Das Nachdenken darüber, wie wir in den nächsten Jahren Geld verdienen wollen, spielt schon eine Rolle", sagt Caspar Mierau, der ebenfalls als Blogger bekannt ist. Mit der Erstlingsbox wollen sie nun ein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickeln.

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