Mütze auf - ja oder nein:Fell über den Ohren

Kommt Erkältung wirklich von Kälte? Hat es wirklich mit den winterlichen Temperaturen zu tun, wenn wir jetzt krank werden oder liegt es nicht eher an Viren und Bakterien? Ein paar Klarstellungen.

Von Georg Cadeggianini

Ständig diese Mützen: Aufsetzen soll man sie. Bloß drauflassen und ja über die Ohren ziehen. "Nicht, dass du dir eine Erkältung einfängst." Die Mütze ist der Fahrradhelm des Winters. Aufs ganze Leben gerechnet, schlagen wir uns rund zwei Jahre mit Schnupfen und Husten durchs Leben. Fast immer im Winter.

Man kann es schon am Namen ablesen: Verkühlung, Erkältung - die häufigste Krankheit der Welt muss etwas mit niedrigen Temperaturen zu tun haben. In anderen Sprachen ist das genauso: auf Englisch ("cold") oder Italienisch ("raffreddore"), auf Niederländisch ("koude") oder Französisch ("froid"). Überall steckt im Wort "Erkältung" das Wort "Kälte". Überall macht kalt krank.

Dass das Quatsch ist, haben Forscher in ganz verschiedenen Experimenten herausbekommen. Sie haben Hühner in eiskaltes Wasser getaucht und Testpersonen in Unterhosen in unterschiedlich kühle Räume gesetzt. Sie haben Studenten in feuchten Badehosen auf den Flur gestellt und ihnen anschließend auch noch klatschnasse Socken übergezogen.

Das Ergebnis war überall dasselbe: Eine kurze Unterkühlung macht nicht krank. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass, wenn ein Körper lange Zeit auskühlt, unsere Abwehrkräfte nicht mehr so gut arbeiten. Die Killerzellen können dann feindliche Keime nicht mehr so schnell bekämpfen. Aber das stimmt nur, wenn man richtig auskühlt. Und bewiesen ist auch das nicht.

Selbst Freiwillige, die ihre Füße zwanzig Minuten lang in Eiswasser tauchen mussten, wurden anschließend nicht häufiger krank als die Gruppe derjenigen, die nur Luft im Fußbecken hatten. Kalt allein macht also nicht krank. Sonst wären Inuit, Russen und Pinguine ja auch ständig erkältet. Das Frösteln, das man am Anfang spürt, ist nicht die Ursache für die Erkältung. Es ist andersrum: Das Frösteln ist bereits ihre erste Phase, gehört also schon zur Krankheit. Woran liegt es dann aber, dass man sich trotzdem vor allem im Winter erkältet?

Mütze auf - ja oder nein: Eisbären tragen eine Ganzkörpermütze - und können trotzdem Schnupfen haben.

Eisbären tragen eine Ganzkörpermütze - und können trotzdem Schnupfen haben.

(Foto: Anja Wechsler)

Die häufigsten Erreger für Erkältung sind Viren. Sie sind winzig klein, können sich nicht bewegen und lauern überall. An U-Bahn-Haltestangen und Mitschülerhänden, an Wartezimmertürklinken und Aufzugknöpfen. Dass sie im Winter so viele sind, liegt daran, dass wir Menschen im Winter dichter aufeinanderhocken. Mehr Menschen fahren mit der U-Bahn. Der Sportunterricht ist in der Halle. Und wir sitzen oft den ganzen Tag in schlecht gelüfteten Räumen.

Das hat gar nicht viel mit Kälte zu tun. Ein Mensch allein am Nordpol würde sich wohl alle möglichen Gliedmaßen abfrieren, erkälten aber würde er sich nicht. Also lieber raus - zur Not auch mal ohne Mütze.

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